Tobi Baumann: Ladykracher & Neidkultur

TobiBaumann_Foto_TomTrambow-708x472Vergleichende Selbstoptimierung

Angenehm mittig zwischen Klamauk und Tragödie seziert der ZDF-Film Neid ist auch keine Lösung heute Abend die Generation um die 40. Ihr gehört auch Regisseur Tobi Baumann(Bild@Tom Trambow) an, der schon mehrfach deutsche Fernsehhumor-Geschichte geschrieben hat und nun sein Repertoire ins Öffentlich-Rechtliche erweitert.

Von Jan Freitag

Neid ein ist schleichendes Gift. Selbst wenn man sich noch so zufrieden wähnt, gar glücklich, schlägt es oft zu wie ein Schlangenbiss. Marie und Markus zum Beispiel: Ein Bilderbuchpaar mit Bilderbuchkindern, das morgens früh frohgemut in den Alltag startet, sitzt bald darauf im Mittelklassewagen und wird vom Neid ereilt. Es reicht der Besuch einer Designervilla mit zwei Künstlernaturen darin, einem Oldtimer davor, und schon kriecht es in die redlichen Biedermeierkreaturen – das ungute Gefühl Gleichaltriger, wenn Freunde von einst all jene Träume verwirklicht haben, die einem selbst unerfüllt geblieben sind.

So weit, so berechenbar beginnt ein ZDF-Film, der die Scham vieler Babyboomerkinder bereits im Titel trägt: Neid ist auch keine Lösung. In der Tat. Denn Markus und Marie, angenehm unaufgeregt verkörpert von Matthias Köberlin und Stefanie Stappenbeck, stapfen beim 40. Geburtstag der hinreißend lässigen Heike (Christina Hecke) mit jeder Minute tiefer in den Sumpf aus Unaufrichtigkeit und Selbstzweifel, bis eine Lebenslüge nach der anderen implodiert. Klingt nicht so recht nach Komödie. Ist aber eine. Und gewiss keine schlechte.

Auch dank Tobi Baumann.

Nach dem stimmigen Drehbuch von Johann Bunners und Martin Dolejs hat der Regisseur ein vergnügliches Drama gedreht, das sich trotz seltener Rührseligkeiten (besonders im Happyend) und Slapstickeinlagen (Laien beim Golf) geschickt vom Abgrund der Romantic Comedy solcher Sendeplätze fernhält. Darin ist Tobi Baumann geübt: Seit der Sketcheschreiber von Harald Schmidt über die Wochenshow auf den Chefsessel rückte, hat er den hiesigen Spaßbetrieb mit unpädagogischem Humor von Ladykracher über Pastewka bis zur grimmepreisgekrönte TNT-Serie Add a Friend bereichert.

Zwölf Jahre nach seinem Durchbruch mit dem Wallace-Remake Der Wixxer liefert das Privatfernsehgewächs aus Koblenz nun sein öffentlich-rechtliches Debüt, und man merkt sofort, dass Baumann beide Welten zu vereinen weiß: In Neid ist auch keine Lösung dekliniert er die Midlife-Crisis seiner eigenen Alterskohorte mit so leichtfüßigem Ernst durch, dass bis zum Schluss erfrischend offen bleibt: ist das nun eher heiter oder doch dicht bewölkt?

Beides, meint Tobi Baumann und verweist darauf, dass es in seinem ersten ZDF-Film weniger um Neid, als die „vergleichende Selbstoptimierung meiner eigenen Generation“ gehe. Wenn Marie ihrer beruflich wie privat scheinbar so erfolgreichen Freundin partout nicht gestehen mag, dass sie gar keine Ärztin, sondern Arzthelferin ist, wenn ihr bodenständiger Mann zum Klassentreffen seiner Frau plötzlich im weißen Anzug mit Hut und juvenilem Gehabe auftaucht, dann wird deutlich, wen Baumann noch meint: Die Gesellschaft im Ganzen, ihre permanente Zerrissenheit zwischen Leistungsdruck, Spaßzwang, Reifeverweigerung.

Das wirkt umso intensiver, als sie uns weder im knurrenden Ton des ARD-Mittwochs oder im infantilen Kalauergewitter von Pro7Sat1 serviert, sondern in Gestalt einer „melancholisch-heiteren Bestandsaufnahme“, wie es der Hauptverantwortliche ausdrückt. Um die hat sich Tobi Baumann bereits als Bühnenkomiker in Koblenz bemüht, bevor ihn sein damaliger Kollege Ralf Günther – später Mitbegründer der Kölner Witzfabrik Brainpool – in die „RTL-Nachtshow“ holte. Dass der Träger diverser Fernsehpreise seither auf Komödien festgelegt wird, ist ihm dabei gar nicht so unlieb. „Ich bin eher froh, in irgendwas Spezialist zu sein.“ Auch deshalb wird er längst nicht mehr pro Gag bezahlt, sondern pro Quotenerfolg, den fast jedes seiner Werke garantiert.

Von denen könnte es also künftig auch abseits der alten Kommerzschiene mehr geben, die ihn bekannt gemacht, aber auch eingeschränkt hat. Um sich zu befreien, wird er hier wieder stärker ins Drehbuch involviert. „Das Rad dreht sich da grad zurück“, sagt Baumann und lacht so, wie er über den Humor seiner eigenen Filme lachen möchte, die ein Regisseur besser witzig finden sollte, um auch andere zu amüsieren. „Mein privater Humor lässt sich nicht vom beruflichen trennen“ – davon zeugte sein legendärer Anti-Bild-Werbespot mit Anke Engelke und Christoph Maria Herbst schon 2007, bald aber auch die eigene Familie. Seine Zwillinge etwa haben Baumanns Hang zu Ironie und Schlagfertigkeit schon im Alter von zehn adaptiert. Am Set ist das von Vorteil; daheim sorgt es zuweilen für Konflikte. „Jetzt haben wir alle drei immer das letzte Wort“. Immerhin eine prima Basis für gute Komödien.

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