Horrornews & Herzensprojekte

0-GebrauchtwocheDie Gebrauchtwoche

30. Mai – 5. Juni

Wen der klassenbewusste Tweed-Rassist Alexander Gauland auch immer als Nachbarn duldet oder nicht, und was die FAZ davon nun erfunden oder frei interpretiert hat: Horrornachrichten brauchen hierzulande nicht unbedingt der AfD und ähnlich brauner Gestalten; es reicht schon das Sonntagsprogramm des ZDF. Wobei man sich natürlich fragen muss, was gruseliger ist: Dass an einem gewöhnlichen Wochenendmorgen um sechs statt des putzigen Zeichentrickaffens Coco (Der neugierige Affe) versehentlich der weniger putzige Horrorstreifen Halloween (Die Nacht des Grauens) läuft? Oder dass es Erwachsene gibt, die ihre Kinder an einem gewöhnlichen Wochenendmorgen um sechs überhaupt vor den Fernseher setzen… Da braucht es dann wirklich keines blutrünstigen Psychopathen mit Eishockeymaske, um den Nachwuchs fürs Leben zu versauen.

Wobei ja auch das anschließende Angebot Richtung Pilcher-Showdown nicht grundsätzlich dafür geeignet ist, ein Dasein in Würde und Anstand zu begleiten. Selbst öffentlich-rechtlich wird darin schließlich alles leichthin dem Massengeschmack untergeordnet, was nicht bei drei nach Mitternacht laufen will. Wenn zum Beispiel ein großes Fußballturnier stattfindet, sagen wir: in Europa, dann mag es zwar in Ausnahmefällen nachvollziehbar sein, ein bedeutendes Informationsformat wie das heute-journal auf Halbzeitpausenlänge zu kürzen.

Das Zweite jedoch erweitert diese Kürzung auch auf Tage, an denen die ARD dran ist mit dem Fußball-Overkill – um das Publikum bloß nicht mit etwas Ödem wie dem übrigen Weltgeschehen von der schönsten Nebensache des Planeten abzulenken. Man möchte dem gebührenfinanzierten Staatsauftrag des Senders glatt jenes italienische Abschiedswort zurufen, mit dem sich der große graue Sportreporterwolf Marcel Reif vorige Woche nach vorwiegend wundervollen Jahrzehnten am Mikro vom Kommentatoren-Stuhl verabschiedet hat: Andiamo (Anspruch).

Willkommen (EM)!

060137-001-A_erbschaft1_04Die Frischwoche

6. – 12. Juni

TV-Zuschauern, denen die egal ist (und das sollen angeblich ein paar Tausend sein), können sich ab Donnerstag aber auch anderweitig amüsieren. Am Abend vorm Eröffnungsspiel (und 72 Stunden vorm ersten Auftritt der Deutschen Mannschaft gegen die Ukraine im Ersten) beginnt um 20.15 Uhr auf Arte eine Serie, die erneut zeigt, was skandinavisches Fernsehen dem hiesigen immer noch voraus hat: den Mut zur nachvollziehbaren Querverstrebung etwa. Die schwedische Regisseurin Pernilla August – Fans bekannter als Darth Vaders Mama in Star Wars – entfacht hier in Doppel- und Dreifachfolgen einen Streit um Die Erbschaft einer dänischen Bildhauerin, und fast nichts, was daran so sehenswert ist, wird dem deutschen Publikum je eigenproduziert zugemutet.

Figuren zum Beispiel wie Signe, uneheliche Tochter der gestorbenen Patriarchin Veronika Grønnegaard, die drei bekannten Kindern ungewollt den Nachlass (Foto: Martin Lehmann) streitig macht. Darunter Dänemarks Superstar Trine Dyrholm, der die Tricks, Allianzen und Motive im Kampf um den Nachlass in einer grandiosen Frauenfigur bündelt. Gut, solche Charaktere sind auch hierzulande möglich. 2025. Wenn das Fernsehen fast tot ist. Auch, weil es ein kühnes Psychospiel wie Jürgen Vogels Herzensprojekt Stereo, das es locker mit der radikalen Sprache des dänischen Bilderstürmers Nicolas Winding Refn aufnimmt, allenfalls in die Nische schafft.

Während Vogels gutes, aber konventionelles Finanzweltdrama Vertraue mir Mittwochs in der ARD-Primetime läuft, kämpft sein famoser Arthaus-Film um einen leidlich gesettelten Mittdreißiger im Griff von Moritz Bleibtreu am Donnerstag um 23.05 Uhr wohl vergeblich um eine sechsstellige Zuschauerzahl auf Arte, wohingegen ARZDF zur besten Sendezeit ihre Hirschhausens und Gätjens zum Rätseln bitten. Und RTL wiederholt Doctor’s Diary… Verlockender kann das lineare Programm gar nicht für Streamingdienste werben.

Halten wir uns also nicht länger mit Erstausstrahlungen auf, sondern wechseln schnell zu den Wiederholungen der Woche. Heute um 22.25 Uhr auf – Huch! – Arte: Roman Polanskis englischsprachiges Einfallstor in die Filmwelt Ekel, den Catherine Deneuve als psychisch labile Neurotikerin Carol darin 1965 in schwarzweiß vor sich selbst verspürte. Bunter geht es nicht nur optisch im Farbtipp von 1978 zu: Grease (Dienstag, 20.15 Uhr, SRTL), John Travoltas rock’n’rollende Antwort auf den anhaltenden Disco-Boom jener Jahre. Und um dem Fußball hier irgendwie doch noch die Referenz zu erweisen: Parallel dazu zeigt Arte die Wochendoku Ziemlich beste Gegner, in der die deutsch-französische Erbfeindschaft mal nicht im Schützengraben, sondern elf gegen elf ausgetragen wird. Kleine Abwechslung zum aktiven Sport.

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