Pernilla August: Billes Frau & Vaders Mutter
Posted: June 9, 2016 | Author: Jan Freitag | Filed under: 4 donnerstagsgespräch |Leave a comment
Star Wars war wie Schokolade
Skandinavische Serien sorgen gern für besonders grässliche Morde. In Die Erbschaft (donnerstags, 20.15 Uhr, Arte) dagegen schläft die Matriarchin einer dänischen Patchworkgroßfamilie friedlich ein – dann wird zehn Teile unblutig um ihren Nachlass gestritten. Dass das so sehenswert ist, liegt auch an Pernilla August (Foto: Frankie Fouganthin). Star Wars-Fans als Darth Vaders Mama bekannt, steht die schwedische Regisseurin für exzellentes Erzählkino mit famoser Bildsprache. Ein Gespräch.
Von Jan Freitag
freitagsmedien: Pernilla August, wie gut ist Ihr Dänisch?
Pernilla August: (lacht) Ich spreche fast kein Wort, kann aber praktisch alles verstehen.
Weil Sie lange mit dem dänischen Regisseur Bille August verheiratet waren?
Nein, der kann sehr gut Schwedisch. Es liegt wohl eher daran, dass sich beide Sprachen recht ähnlich sind, so wie Deutsch und Holländisch, nehme ich an.
Warum dreht eine Regisseurin vom exzellenten Filmstandort Schweden überhaupt eine Serie fürs dänische Fernsehen?
Weil es da wunderbare Darsteller gibt, die sich geradezu perfekt fürs tolle Drehbuch der dänischen Autoren eignen. Außerdem gab es vom ersten Moment an eine ganz bestimmte Chemie zwischen mir, dem Produzenten Christian Rank und der Serienerfinderin Maya Ilsøe. Erst das hat mich wirklich überzeugt, dieses Projekt zu machen. Bis dahin hatte ich vom Fernsehen mit seinem spezifischen Tempo, der eigenen Bildsprache gar keine Ahnung. Aber auch mit dem Rest des Teams und den Schauspielern entstand sehr schnell etwas Inniges, Vertrautes.
Das passt natürlich hervorragend zum Filmthema Familie.
Jetzt wo Sie es sagen – stimmt (lacht). Deshalb hatte ich wohl auch so gern meine eigene Familie beim Drehen dabei.
Andererseits erscheint die Familie der verstorbenen Bildhauerin Veronika Grønnegaard nach dem überraschenden Auftauchen einer weiteren Tochter keineswegs harmonisch.
Da geht es ja auch ums Erbe.
Dennoch wirkt Familie nicht nur im Fall Ihrer Serie oft ein bisschen wie Krieg. Warum gibt es zwischen totaler Harmonie romantischer Komödien und der Dauerkonfrontation des Problemfilms so wenige Zwischentöne?
Weil ich befürchte, dass dies die Realität ist. In jeder Familie gibt es doch Streit, Neid, Konkurrenzkampf. Zumindest, wenn ein lang gehütetes Geheimnis gelüftet wird wie eine Tochter, die den anderen Verwandten plötzlich einen Teil ihrer Ansprüche streitig zu machen droht. Da kommt halt vieles auf den Tisch.
Ist diese Familie demnach real oder doch bloß die spannendere Fiktion als eine ohne derlei Konflikte?
Sie ist durch und durch fiktional, aber dabei eben nicht unrealistisch. Der Mikrokosmos, seine Psychologie, die sozialen Mechanismen sind ja schon in der Realität ungeheuer faszinierend, aber wir haben das natürlich nochmals verdichtet; es geht schließlich auch um Unterhaltung.
Haben Sie privat denn Erfahrung mit solch innerfamiliären Auseinandersetzungen?
Das nicht so sehr, aber ich wurde bei dieser Arbeit von meiner eigenen Großmutter inspiriert, die eine ebenso starke, dominante Persönlichkeit war wie Veronika Grønnegaard. Für mich ist es ungeheuer wichtig, sowohl als Schauspielerin als auch als Regisseurin irgendwo in der Realität an eine Person oder Situation, andocken zu können. Deshalb habe ich beim Drehen viel über meine Großmutter nachgedacht.
War sie auch eine Künstlerin wie die im Film?
Nein, Psychologin – was allerdings auch eine Kunst ist und bestens zum Thema passt (lacht).
Gab es überhaupt je Filmleute in Ihrer Familie?
Gar keine, nein. Obwohl – die Schwester meiner Oma, glaube ich. Aber das spielte keine Rolle bei meiner Berufswahl.
Die bestand anfangs darin, eine Schauspielerin zu sein. Bis sie vor gut zehn Jahren hinter die Kamera gewechselt sind. Warum?
Ach, dahinter stand kein längerfristiger Plan. Es schloss sich einfach gerade eine Tür – die des Theaters, an dem ich mehr als 25 Jahre gearbeitet hatte. Dadurch bot sich die Möglichkeit, eine andere zu öffnen. Allerdings wusste ich zwar schon immer, irgendwann mal Filme drehen zu wollen; dass es jedoch so früh werden würde, war mir damals noch nicht bewusst. Ein Freund vom mir hatte damals das Skript zu einem Kurzfilm gedreht und fragte mich, ob ich Lust darauf hätte. Die hatte ich.
Und sind Sie heutzutage noch eher Schauspielerin oder schon mehr Regisseurin?
Zum Glück kann ich noch beides zugleich sein, denn ich liebe keins von beiden weniger.
Können Sie sich vorstellen, unter eigener Regie zu spielen?
Sehr gut sogar, ich hoffe das sogar. Fehlt nur noch das passende Buch.
Zum Abschluss: ich kann unmöglich ein Interview mit Pernilla August führen ohne…
… über Star Wars zu sprechen!
Genau.
Nur zu.
Hat der weltweite Erfolg als Mutter von Anakin Skywalker, dem späteren Darth Vader, ihr Leben vor 17 Jahren nachhaltig verändert?
Überhaupt nicht.
Sie wurden nicht öfter auf der Straße erkannt als früher?!
Ach, das konnte damals in Schweden, als die Filme noch brühwarm waren, schon mal passieren. Ansonsten beschränkte sich meine Bekanntheit allenfalls auf ein paar Filmfestivals. Ich bin bis heute sehr glücklich, bei diesem Film mitgemacht zu haben, doch er war eher wie ein leckeres Stück Schokolade als eine sättigende Mahlzeit. Das Ganze hat mir schließlich noch nicht mal zu mehr Arbeit verholfen. Schön wär’s…
Den siebten Teil haben Sie sich aber trotzdem angesehen.
Nein, leider. Das hat aber nichts damit zu tun. Ich hab’s damals einfach vor lauter Arbeit zeitlich nicht geschafft. Jetzt ist er raus aus den Kinos, und fürs kleine Fernsehen ist das Format eigentlich ein bisschen groß.
Das sagt man mittlerweile auch über Fernsehserien wie Die Erbschaft, die das neue Kino sein sollen.
Trotzdem passt sie da definitiv besser rein.
Bio Pernilla August
Wohin ihr Weg führen wird, deutet sich bereits 1982 an, als Pernilla August sieben Jahre nach ihrem Filmdebüt mit 24 in Ingmar Bergmanns Familiendrama Fanny und Alexander mitwirkt. Daheim wird die Stockholmerin mit ambitioniertem Kino rasch zum Star, der durch die Hauptrolle im TV-Mehrteiler Die besten Absichten ihres Mannes Bille August (Das Geisterhaus) Anfang der Neunziger, mehr aber noch in den Prequels von Star Wars als Anakin Skywalkers Mutter weiter wächst. Bald darauf wechselt sie hinter die Kamera und sorgt 2010 mit ihrem ersten Langfilm Bessere Aussichten international für Aufsehen. Pernilla August hat drei Kinder von zwei Filmemachern und lebt in Stockholm.