2 Bier – 1 Platte
Posted: September 6, 2016 | Author: Jan Freitag | Filed under: 2 dienstagsmarthe |Leave a comment
Onejiru & Turtle Bay Country Club
Sisters, Sam Ragga Band, Helge Schneider, Jan Delay: Die Liste von Onejirus musikalischen Projekten und Kollaborationen ist nicht nur lang, sondern auch hochkarätig. Jetzt veröffentlicht sie als Produzentin, Texterin und Sängerin gemeinsam mit Hamburgs Erfolgsproduzenten Matthias Arfmann eine neue Platte. Auf Ballet Jeunesse haben sie die bekanntesten europäischen Balletklassiker neu aufgenommen und mit Hilfe internationaler Musikerinnen und Musiker neu interpretiert. Zum Bierplattengespräch gab’s dieses Mal zwar ganz sportlich nur Wasser, die Einblicke in die Geschichte der besonderen Onejiru sind dafür aber umso tiefgehender.
Von Marthe Ruddat
freitagsmedien: Onejiru, welche Musik inspiriert Dich?
Onejiru: Natürlich haben mich Bob Marley und Prince inspiriert, Michael Jackson und auch ein paar afrikanische Künstler, Brenda Fassie aus Südafrika zum Beispiel. Ich bin was das angeht tatsächlich eher breit aufgestellt. Aber ich habe mir gedacht, dass ich für zwei Bier – eine Platte über eine Platte sprechen möchte, an der ich selbst mitgewirkt habe. Und das ist diese hier: Universal Monstershark von Turtle Bay Country Club.
Mit Universal Monstershark veröffentlichte Matthias Arfmann 2003 das dritte Album des Turtle Bay Country Club und griff dabei auf poppige Funksounds zurück. Unterstützt wurde er nicht nur von Onejiru, sondern auch anderen langjährigen Wegbegleitern: Jan Delay, Schorsch Kamerun, Patrice Katrin Achinger und einigen anderen.
Das ist nicht deine einzige Platte. Warum hast du gerade die ausgewählt?
Neben den unzähligen Kooperationen veröffentlichte Onejiru 2006 ihr Debütalbum Prophets of Profit. Ein weiteres Soloalbum ist in Planung.
Ich habe sie ausgesucht, weil sie, wie unsere neue Platte Ballet Jeunesse, eine ganze Weile gebraucht hat, bis sie fertig war. Das scheint das Markenzeichen von Matthias Arfmann zu sein, der ja der Gründer des Turtle Bay Country Club ist. Und außerdem steckt eine spannende Geschichte hinter der Platte.
Erzähl!
Die Platte ist entstanden, als die Plattenindustrie allmählich bröckelte und der Musikmarkt ein bisschen in sich zusammen brach. Die Illustration der Platte ist diesbezüglich irgendwie vorausschauend. Auf dem Cover sitzt Matthias Arfmann mit seinem Sohn auf einem Steg, am Horizont geht die Sonne unter. Die Angel ist ausgeworfen, weil sie gerne ein Label für die Platte angeln würden. Wenn man die CD dann aufklappt sieht man den Grund mit lauter geöffneten Dosen. Auf denen sind die Plattenfirmen drauf: SONY, BMG, Universal, EMI, Warner. Von denen gibt es heute schon einige gar nicht mehr. Wenn man die CD dann heraus nimmt, sieht man Arfmann und seinen Sohn aus der Perspektive der Dosen. Auf der Rückseite der CD wird dann deutlich, dass die beiden nichts geangelt haben, außer einem kleinen, übrig gebliebenen Fisch. Auch bei Ballet Jeunesse haben wir wieder ganz besondere Illustrationen gewählt. Ich glaube einfach, dass man neben und mit Musik sehr gut Geschichten erzählen kann. Musik ist ja quasi Geschichten erzählen.
Dein Stil wird deshalb auch oft Edutainment genannt. Ist das der Anspruch, den du grundsätzlich an Musik stellst?
Ich bin in Kenia geboren und aufgewachsen, einer Kultur, die sehr stark oral geprägt ist. Viele Jahrhunderte hat dort vieles über Sprache und Gesang funktioniert. Ich wurde ganz einfach so sozialisiert, dass Musik ein Messenger ist, ein Mittel zur Kommunikation. Text und Klang sind unglaublich wertvoll. Ich meine, was ist denn leichter, als eine gute Idee oder eine Nachricht über Musik zu transportieren? In meiner Muttersprache Kikuyu zum Beispiel kann ein Text sehr hart sein, die Musik ist aber gleichzeitig sehr tanzbar. Die Leute tanzen und werden gleichzeitig belehrt. Diesem Prinzip folge ich. Ich versuche gesellschaftskritisch und kulturkritisch zu sein. Das mache ich durch meine Texte, ich benutze aber auch viele Metaphern und Bilder. So illustriere ich, was ich gerne sagen möchte.
Du wirst auch oft als Aktivistin bezeichnet und nimmst eine Vorbildfunktion ein. Wie ist es dazu gekommen?
Ich habe das Gefühl, dass meine Großmutter meine größte Inspiration war. Wir hatten damals weder iPhone, noch Fernseher. Meine Großmutter hat uns viele Geschichten erzählt und uns vorgesungen. Mit den Texten hat sie uns auch immer viel Erfahrung aus ihrem Leben mitgegeben. Auch deshalb hat sie eine sehr große Rolle in meinem Leben gespielt. Überhaupt spielen Frauen in meinem Kontext eine sehr große Rolle. Sie sind die Macherinnen, die Starken. Das hat mich inspiriert. Ich habe auch meinen Vornamen von meiner Großmutter, so bin ich auch ein Stück sie. Wenn mich die Menschen am Ende dafür als Aktivistin oder auch Entwicklungsexpertin bezeichnen dann kann ich das nicht beeinflussen. Diese Titel haben ja aber nichts schlechtes, wenn man mich so sieht finde ich das schön.
Kommen wir noch mal zurück zur Universal Monstershark. Sie beinhaltet viele Features. Ist die Musik so abwechslungsreich wie die Künstler darauf?
Die Platte ist ein Konzeptalbum. Matthias Arfmann war damals mit einer anderen Band auf Hawaii und kam dort in der Nähe des Turtle Bay Country Club unter. Von dort hat er den Namen mitgebracht. Zurück in Hamburg hat er dann verschiedene Musiker, die er mag, angerufen und von seiner Idee, diese Platte zu machen, erzählt. Und es gab einige tolle Musiker, die dann schließlich nach Hamburg gekommen sind: Mahmoud Gania war beispielsweise ein marokkanischer Gnawa-Musiker, von dem auch Tony Cook, der Drummer von James Brown, völlig hin und weg war. Ich war damals ein Teil des Kollektivs. Wir haben dann zunächst ganz klassisch gejammed und auch erstmals mit Samples gearbeitet. Deshalb sehe ich die Universal Monstershark auch als Vorhut von BalletJeunesse, bei der wir das ganze noch perfektioniert haben.
Also symbolisiert die Platte auch deine musikalischen Anfänge?
Ganz genau, zu dieser Zeit habe ich angefangen. Ich habe gelernt, wie man sich als Sängerin auf der Bühne benimmt. Tony Cook meinte irgendwann zu mir: „Wenn Du mich nicht ansiehst, weiß ich nicht, was Du von mir willst.“ Auch deshalb ist die Platte für mich so wahnsinnig wichtig. In dieser Zeit sind einfach sehr viele Dinge passiert, von denen ich noch heute zehre.
„White vests & blackaccounts“, klingt als hättest du damals schon gern kritische Texte geschrieben.
Ja, auf jeden Fall. Ich habe mir vorgestellt, wie die Politiker mit ihren weißen Westen durch die Gegend laufen, aber schwarze Konten hinter sich herziehen und so die Gesellschaft verarschen. Das war meine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema. Ich spiele gerne mit Wörtern. Bei dem Song Truly habe ich das auch gemacht. Da singe ich einfach mal darüber, dass ich königlich bin. Ich bin eine Königin und habe es auch verdient eine Königin zu sein. Eigentlich heißt es ja immer kingsize, aber damals habe ich mir schon das Wort queensize zu eigen gemacht.
Ist Truly Dein Lieblinssong auf der Platte?
Also eigentlich sind alle meine Lieblingssongs. Aber wenn ich mich festlegen soll, dann ist es Debbi. Ich habe den Text zu dem Song mitgeschrieben. Es ist ein strophiges Lied mit Disco- und Popmelodien. Das finde ich richtig cool.
Universal Monstershark und BalletJeunesseverbindet, dass ihr auf beiden Alben mit vielen und zum Teil sehr bekannten Musikerinnen und Musikern zusammen gearbeitet habt. Gibt es da eigentlich noch eine Steigerung, jemanden, mit dem Du unbedingt Musik machen möchtest?
Auch auf Ballet Jeunesse sind Jan Delay und Schorsch Kamerun wieder mit dabei. Mit dem Bloc Party-Sänger Kele Orece und Hip Hop-Superstar KRS One konnten Arfmann und sein Produzententeam dieses Mal auch internationale Größen für die Platte gewinnen.
Ich glaube nicht wirklich. Der Song mit Kele Okereke war und ist ein wahr gewordener Traum von mir. Als die Zusage kam, habe ich vor Freude kurz keine Luft mehr bekommen. Ich konnte es bis zum Schluss nicht glauben und manchmal kann ich es auch heute noch nicht fassen. Und dann auch noch KRS One, das ist schon alles sehr large.
Alle Informationen über Onejiru findet Ihr auf facebook oder auf der Website der Sisters. Am 09.09.16 erscheint Ballet Jeunesse bei Decca. Die bisher einzige geplante Live-Aufführung findet am 21.09.16 im Rahmen des Reeperbahn Festivals gemeinsam mit den Hamburger Symphonikern statt.