High Maintenance: Schöner kiffen bei Sky

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Wäre die US-Serie High Maintenance nicht von HBO, sondern der ARD, geriete die Story eines New Yorker Grasdealers gewiss pädagogisch, aber wohl weniger unterhaltsam. Auf Sky On Demand zeigt die Fortsetzung eines Web-Erfolgs ab heute die lustigen Seiten der Sucht, ohne sie lächerlich zu machen.

Von Jan Freitag

Wenn fremdsprachige Fiktion vor deutschem Publikum läuft, werden ihre Titel verblüffend vielfältig verunstaltet. Mal geht dabei die Logik flöten (Die Hard/Stirb langsam), mal der gute Geschmack (Glass Bottom Boat/Spion in Spitzenhöschen). Meist jedoch gehen dem Übersetzer aber schlicht die Pferde durch, wenn aus Stripes die Militärkomödie Ich glaub‘, mich knutscht ein Elch! wird. Schon deshalb ist zu begrüßen, dass der Titeltrend wieder zum Original geht. Andernfalls hieße Pulp Fiction womöglich „Schundliteratur“, Scrubs in etwa „Arztkittel“ und High Maintenance gar „Wartungsintensiv“. Und das würde dem neuen Stern am Fernsehhimmel nun wirklich nicht gerecht werden.

Heute geht er auf, hierzulande zunächst auf Englisch bei Sky On Demand und Go, ab Frühjahr dann zusätzlich in deutscher Fassung. Doch auch dann dürfte die hinreißende HBO-Serie über einen New Yorker Grasdealer so heißen, wie es schon seit vier Jahren die Online-Welt begeistert. Im Herbst 2012 hatte sich der rührige Filmemacher Ben Sinclair persönlich zum Antihelden seiner eigenen Sammlung abgeschlossener Episoden gemacht, in denen er durch die bezaubernden Backsteinfluchten von Brooklyn fährt, um Kunden aller Schichten, Couleur und Kreise mit jenem Stoff zu versorgen, den hierzulande eigentlich nur die bierseligsten Dampfplauderer der CSU noch für gefährlicher halten als Alkohol.

So gesehen ist es ein Segen, dass High Maintenance beim kosmopolitischen Bezahlsender statt in der provinziellen ARD läuft; andernfalls könnte der Bayerische Rundfunk die vermittelte Botschaft als willkommenen Anlass nehmen, sich mal wieder wie einst bei schwulen Küssen und Hildebrandts Attacken aus dem Gemeinschaftsprogramm zu klinken. Schließlich enthalten die sechs halbstündigen Fortsetzungen der 19 Netz-Folgen alles Mögliche: präzise Gesellschaftsanalysen, kluge Typbeschreibungen, seriöse Sozialkritik, versetzt mit bissigem Humor und stichhaltigen Dialogen, alles in allem also Fernsehunterhaltung auf hohem Niveau. Was jedoch in jeder halbstündigen Episoden fehlt, ist die branchenübliche Verarbeitung sämtlicher Klischees über Marihuana nebst seiner Nutznießer zum Zwecke der Warnung.

Es beginnt schon beim Ben Sinclair, der nicht nur Hauptfigur, sondern – gemeinsam mit seiner Ehefrau Katja Blichfeld – Autor, Regisseur, Produzent in Personalunion ist. Zum Auftakt betritt sein Händler illegaler Drogen die TV-Bühne bei einem Friseur, der den unprätentiösen Vollbartträger mit dem schütteren Haupthaar gleich mal in die Welt des Kleinbürger einweist: „Ich bin Barbier, kein Magier“, kommentiert er den Wunsch einer nicht coolen Frisur. Dann setzt er den uncoolen Helm auf die fliehende Stirn und radelt zum ersten Kunden: Einen muskelbepackten Tagedieb, der die Ware partout aus dem Kleingeldglas bezahlen will. So weit, so sterotyp.

Doch im Anschluss beliefert The Guy, wie er überall genannt wird, gesellige Bohemiens und schwule It-Boys, zielstrebige Manager und herzlose Trump-Fans, Künstler, Arbeiter, Freaks, also alles, was New York an Abnehmern der Alltagsdroge Marihuana bereithält. Und mittendrin ihr Alltagsdrogenversorger, der dem Aberwitz ringsum mit einer Mimik zwischen Skepsis, Routine, Empathie und Geschäftssinn begegnet. Der dem muslimischen Mädchen das gewünschte Gras verweigert und reiferen Klienten Ecstasy. Der ohnehin mehr Pädagoge ist als jener Todesengel, den artverwandte Fiktionen von Blow bis Breaking Bad gern konstruieren. Der andererseits über die Arglosigkeit einer dealenden Witwe hinausgeht, indem er die Abgründe realer Rauschsucht bei allem Spaß doch ernster nimmt als Weed.

Wörtlich übersetzt heißt High Maintenance eben „Pflegebedürftigkeit“. Und ihrer nimmt sich The Guy mit einem Stoff an, aus dem gewiss nicht nur Träume sind, der aber vergleichsweise harmlos für Weltfluchten sorgt, die ihm selber eher fremd sind. „Sie haben Drogen in unser Haus gebracht“, schnauzt der Vater des Mädchens seinen Nachbarn an, bei dem sie sich das Gras ersatzweise besorgt hat. „Das sind keine Drogen“, entgegnet der gut situierte Bestager von nebenan lachend, „das ist Gras“. Aus deutscher Herstellung käme hier ein aufklärender Dialog, bei HBO beginnt der Abspann.

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