Douglas Dare, Kaiser Chiefs, Ultimate Painting

indexDouglas Dare

Die Frage, ob es irgendwie homosexuell konotierte Musik gibt, ob ein Sound also schon deshalb queer klingen kann, weil er von queeren Künstlern verabreicht wird, bietet reichlich Stoff für die volle Breitseite ideologischer Kämpfe auf einem zutiefst privaten Schlachtfeld: Der Liebe. Dennoch bleibt natürlich besonders im Pop die Frage erlaubt, was ihn zu dem macht, wie er sich äußert. Der von Douglas Dare zum Beispiel sprühte ja schon auf seinem gefeierten Debütalbum Whelm vor süffigem Pathos, dass wild spekuliert wurde, woher der junge Singer/Songwriter diese Melodramatik bezieht. Während der Produktion des Nachfolgers nun hat er sich offiziell geoutet, und es fällt selbst aufgeklärten Gemütern schwer, sich ein kurzes Aha zu verkneifen.

Denn Aforger, ein Wortspiel des englischen Wortes für Fälscher (a forger) spielt in jeder Hinsicht mit Klischees von dem, was man als moderner Geist ja besser nicht queere Musik nennt. Inhaltlich ist sie hyperemotional, oft fast theatralisch, textlich verarbeitet sie das falsche Leben im Falschen des Londoners, das nun ein richtiges wurde, aber dadurch nicht unbedingt leichter. Am Ende ist es aber völlig egal, mit wem sich Douglas Dare paart und mit wem nicht – die Platte ist von so hinreißender Tragik, gepaart mit seinem Gespür für den passenden Piano-Einsatz ohne schwülstig zu wirken, dass man einmal mehr sagen darf: Scheißegal, ob er schwul klingt, solange er gut klingt. Und das tut er.

Douglas Dare – Aforger (Erased Tapes)

indexKaiser Chiefs

Bei den Kaiser Chiefs ist man sich da manchmal nicht ganz so sicher, ob sie so gut sind wie sie klingen, und das hat nun wirklich mal überhaupt nichts mit irgendeiner Art von Orientierung wohin auch immer zu tun. Mit ihren ersten zwei, wahre Fans würden sagen: vier bis sechs Platten in zehn Jahren hat das Quintett aus Leeds seinen anfang oft wüsten, aber stets eleganten Garagensound zu einem Clubrock von erhabener Größe geformt. Dank Ricky Wilsons glamourösem Charisma klang selbst der üppigste Choral irgendwie nach britischem Understatement, also feiner als Boygroups, die sich derselben Tricks bedienen. Das ist auch auf Stay Together gar nicht so anders.

Trotzdem nimmt es auf dem siebten Studioalbum doch ein bisschen Überhand mit der digitalen Aufblähung des analogen Grundgerüstes. Viele der elf Tracks nehmen sich in ihrer orchestralen Leichtigkeit ernster als nötig. Die große Discopose wirkt aufgesetzt, wenn das an sich gelungene Good Clean Fun durch karibisch stilisierten Off-Beat angedickt wird. Und wenn How Do You Do It To Me im Anschluss ein wenig in den Achtzigern badet, hätten ihm etwas weniger Tears for Fears gewiss gut getan. Es steckt stets eine Spur zu viel von allem im gewohnt versierten Songwriting. Das macht Stay Together nicht zu einer schlechten Platte. Es macht die anderen im Vergleich nur besser. Eigentlich alle sechs.

Kaiser Chiefs – Stay Together (Long Branch Records)

ultimate-painting-duskUltimate Painting

Nein, früher war nicht alles besser – nicht die Manieren, nicht das Wetter, nicht der Respekt vor irgendwem. Im Gegenteil. Es wurde mehr gehasst, geschwiegen, geprügelt, gesoffen und so geraucht, dass sich der Dunst verbleiten Benzins, ungefilterter Schlote und offener Kohleöfen zum toxischen Nebel verdichtete. Nur eins war früher wirklich besser: die Musik. Und um das anschwellende Gebrüll der Generation Techno gleich mal auszubremsen: Damals wie jetzt kam gewiss viel Müll aus den Boxen. Nur ist er nun dank kinderleichter Herstellung in der Überzahl, millionenfach. Da wirkt es angenehm ausgleichend, wenn der Sound von früher in die Gegenwart transponiert wird, ohne ihn aus der Grube zu zerren oder schlimmer noch – zu kopieren.

Ultimate Painting betreiben daher keine Leichenfledderei, wenn sie den Beat der Sixties wiederbeleben. Das Duo aus London unterzieht die Vergangenheit mit der Kraft eigensinniger Stimmen eher einer Modernisierung, die alt und neu auf wunderbare Weise versöhnt. Dank windschiefer Alternativeriffs zur psychedelischen Orgel kreieren Jack Cooper und James Hoare auf ihrem dritten Album ein durchweg intensives, gelegentlich fast fiebriges Konzentrat sanierter Nostalgie, das sich weder anbiedert noch distanziert.

Ultimate Painting – Dusk (Trouble In Mind Records)

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