Fraktus II, Friedrich Sunlight, Ian Fisher
Posted: December 16, 2016 | Author: Jan Freitag | Filed under: 5 freitagsmusik |Leave a comment
Fraktus II
Es gibt Bands, die erreichen ihren Zenit bereits mit der Gründung, bemühen sich allenfalls noch eine Weile, ihn nicht zu schnell zu überschreiten und steuern dann unvermeidbar darauf zu, genau daran zu scheitern. Fraktus zum Beispiel war ein herausragendes Projekt des Hamburger Off-Art-Trios Studio Braun, das mit der Fähigkeit, alle Grenzen des guten Geschmacks künstlerisch anspruchsvoll zu übertreten, für viel Freude sorgt. Etwa mit der Idee, eine Fake-Band der Achtziger für einen Film wiederzuvereinen und mit einem echten Sound zu versehen, der absolut discotauglich ist. Schon auf dem zweiten Album, das immer noch sehr hörbar war, begann das Ganze daran zu scheitern, dass die Mockumentary hinter der Platte verschwand. Und jetzt?
Bringt Jacques Palminger alias Bernd Wand ohne Schamoni/Strunk (Schubert/Bage) ein eigenes Fake-Werk heraus, nennt es Optische Täuschung und ist damit auch dank Unterstützer wie Erobique oder der Krautrock-Legende Faust musikalisch recht unterhaltsam. Aber eben auch ein bisschen egal. Denn unabhängig davon, ob man das herumirrende Electrogefiepse mit chaotischer, aber lustiger Halbstruktur nun inhaltlich mag, beraubt die Loslösung vom Ursprungskontext auch Fraktus II aller Relevanz. Denn was Palminger am Sequencer kann, können andere schon lange. Optische Täuschung ist daher nett, aber eher was für Fans statt Connaisseure. Für die Zenit-Unterschreitung bedarf es also dringend was anderes: einen neuen Film. Wir warten!
Fraktus II – Optische Täuschung (Klangbad)
Friedrich Sunlight
Seit dem Tod des unvergesslichen, unvergleichlichen Manfred Krug scheint die Sonne ein bisschen fahler, glänzt die Liebe etwas matter, ist alles irgendwie viel trüber. Zumindest auf Deutsch besingt auf lange Sicht wohl keiner mehr so unbeschwert lässig und dabei gehaltvoll subversiv unser aller Gefühlshaushalt wie der sperrige Superstar zweier Systeme. Nicht mal Friedrich Sunlight. Aber sie geben sich immerhin große Mühe. Auf ihrem gleichnamigen Debütalbum zelebriert das junge Quintett aus Augsburg eine chansoneske Geschmeidigkeit, die mit wehendem Seidenschal im offenen Cabrio durchs Land fährt und dabei allen Schwermut fortsingt.
Wie im Musikfilm alter Schule umschmeicheln Bass, Gitarre, Drums und Klavier mit ständigem Badabababa im Hintergrund Kenji Kitahamas fernöstlich akzentuierte Stimme, deren Androgynität so cheezy ist, dass man die Schwere allen Diskurspops ringsum kurz mal vergisst. Zum Krug-Erbe fehlt zwar der subversive Subtext, in dem Manne einst sein Date am 1. Mai auf dem Marx-Engels-Platz suchte, statt für die internationale Solidarität zu kämpfen; musikalisch jedoch ist Friedrich Sunlight so fein austariert, dass wir darauf gerne kurz verzichten. Alles andere ist bloß Schlager. Und Manfred Krug ist tot. Es lebe Friedrich Sunlight!
Friedrich Sunlight – Friedrich Sunlight (Tapete)
Ian Fisher
Einen Koffer in Berlin zu haben ist für Musiker aus aller Welt kaum noch der Rede wert. Wie gefühlt zwei Drittel aller Songwriter hat auch Ian Fisher in dieser noch immer unvergleichlich coolen Metropole ja länger Halt gemacht. Mit zwei Unterschieden: der amerikanische Globetrotter ist darin heimisch geworden. Und er schlägt sich, was dort locker möglich ist, nicht auf Englisch durch, sondern hat der Stadt eine hinreißend kratzige Hymne in deutscher Sprache geschrieben. Sie heißt Koffer, betitelt auch sein hinreißend kratziges Album und enthält sich jeder Versuchung seifiger Lobhudelei auf „sexy Armut“ oder ähnlichen Bullshit.
Nirgends ist dieses Bündel straßenmusikalisch inspirierter Folksongs von poppigem Country bis orchestraler Americana mit einem Schuss Rock anbiedernd. Fishers Reise ist ja längst nicht zu Ende, er bleibt ein Vagabund. „Ich will kein Ami sein / ich will kein Deutscher sein“, kräht der exzellente Gitarrist begleitet von Kontrabass und Drums im Titelsong, „ich will gar nix sein / außer was ich bin“. Das passe in einen Koffer, der halt gerade in Berlin steht. Zufalls. Kosmopolitische Reduktion aufs Wesentliche – Ian Fishers macht daraus Lagerfeuerbandmusik mit Tiefgang und Schwung.
Ian Fisher – Koffer (Popup Records)