2 Bier – 1 Platte

marthe-schnipoSchnipo Schranke & Sido

Ein von Youtube indiziertes Video, jede Menge Fäkalsprache, kollektive Verwirrung bis ausschweifende Begeisterungsstürme bei Publikum und Feuilleton – so könnte man Schnipo Schrankes Debüt Satt von 2015 ungefähr zusammenfassen. Jetzt ist das zweite Album des Duos aus St. Pauli erschienen: Rare. Mehr Synthies, mehr Drums, die unverhohlene Sprache, wie man sie kennt. „Wir sind Haschproleten, da hilft kein Haten und kein Beten“ – Okay! Wir wollen bei Kaffee und (jugendfreien) Zigaretten auch über was ganz anderes reden. Zum Beispiel über die Lieblingsplatten der Schnipos Daniela Reis und Fritzi Ernst.

Fritzi Ernst: Scheisseey!

Daniela Reis: Das ist überhaupt nicht unser Thema. Über unsere Lieblingsmusik reden wir eigentlich gar nicht.

Bester Interview-Start ever!

Warum nicht?

Fritzi: Wir vermeiden das immer gerne, weil wir es irgendwie ein bisschen unangenehm und zu persönlich finden, was wir so für Platten hören.

Marthe: Okay, dann fangen wir vielleicht mal anders an. Gab es eine Band oder eine Platte, die euch bei dem Weg von der Klassik zur Popmusik begleitet hat?

Fritzi: Also wir haben natürlich früher auch schon Popmusik gehört und nicht nur Klassik. Es gab da jetzt nicht DIE Band, die uns inspiriert hat selber Musik zu machen. Außer Sido…

Sido, das super-intelligente Drogenopfer, das den deutschen Gangster Rap chartkompatibel gemacht hat.

Daniela: Genau, Sido war schon so ein Auslöser. Die Art, wie er getextet hat und seine Themenwahl haben uns total entsprochen. Wir hatten einen total guten Zugang seinen Sachen. Wir haben den schon sehr gefeiert. Wir haben ja auch gar nicht von Anfang an gesungen, sondern erst mal gerappt.

Ihr klingt jetzt nicht wirklich wie Sido.

Fritzi: Ja, das ist bei uns nun wirklich etwas komplett anderes geworden. Aber manchmal braucht man irgendwie einen Anstoß, um selber Bock zu kriegen was zu starten. Das muss ja mit dem, was man am Ende macht, gar nichts zu tun haben.

Daniela: Wir sind dadurch auf die Idee gekommen eigene Texte zu machen. Wir haben davor ja nur instrumental Musik gemacht und plötzlich war da die Textoption in unserem Kopf. Es ist ja auch so: Wenn man etwas hört, das einem selbst und der Laune gerade entspricht, dann kommt man ja auch immer schnell auf Ideen, wie man das selber anders oder besser machen könnte. Deshalb kann es so eine Offenbarung sein neue Künstler oder Bands zu entdecken. Ich habe auch erst vor zwei Jahren The Cure entdeckt.

Fritzi: Ich glaube deshalb reden wir so ungern über unsere Lieblingsbands. Wenn wir etwas finden, das wir total mögen, ist das meistens schon uralt und dann marthe-sidoist es eher peinlich zu sagen: hab ich grad entdeckt, voll geil!

Daniela: Nee, das finde ich eigentlich nicht. Ich finde es wird peinlich, wenn ich jetzt meinen Lieblingssong verrate und die Leute dann aus dem Text eins-zu-eins auf mein Seelenleben schließen können. Das ist ja rudimentärste Tiefenpsychologie. Ich will nicht, dass die Leute merken, an welchen Stellen ich mich selbst gemeint fühle oder was bei mir im Kopf so abgeht.

Auch nicht die schönen Dinge?

Daniela: Gerade die positiven Sachen sind mir peinlich! Ich will nicht, dass die Leute wissen, was mich beglückt. Das ist für mich total schräg. Das nicht zu verraten ist halt meine Art der Maske.

Da sind wir wieder bei Sido.

Er hat übrigens beim Bundesvision Song Contest 2005 erstmals seine Maske abgenommen.

Daniela: Jaja, genau! Die Leute sagen halt immer, dass wir total offen sind und sie das schätzen. Und klar, wir sind in vielen Bereichen furchtbar offen. Aber das sind die Dinge, in denen wir nicht angreifbar sind und deshalb können wir darüber so offen reden. Über die Dinge, die uns zu persönlich sind, reden wir aber nicht. Bisher ist das nicht so ins Gewicht gefallen, weil es ja fast immer um dieses Fäkalding ging. Aber irgendwann werden die Leute wohl merken, dass wir auch total die Fassade haben, so wie jeder andere auch.

Welches Sido-Album ist das beste?

Daniela: Das erste! Das ist immer so billig, weil alle das sagen, aber es ist wirklich so. Das hat einfach so wahnsinnig viel Charme finde ich. Und ich musste bei keinem der folgenden Alben so viel lachen wie bei dem. Das ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt.

Sidos Debut Maske erschien 2004 und erreichte Goldstatus. Wegen der Glorifizierung von Drogen im Song Endlich Wochenende landete das Album schnell auf dem Index.2005 erschien dann Maske X. Endlich Wochenende verschwand von der Tracklist, statt dessen schafften es der Arschficksong und G mein Weg aufs Album.

Habt ihr denn beim Hören auch darüber nachgedacht, was man hätte besser machen können?

Daniela: Nee, das ist nämlich das Lustige, wenn man so ein ganz charmantes Album macht, wo alles noch so ein bisschen unbeholfen ist. Dann denkt man das irgendwie nicht.

Fritzi: Das macht dann nichts. Gerade beim ersten Album geht es ja auch immer darum, seine eigene Welt vorzustellen. Und da ist ja erst einmal gar nichts falsch. Alles was danach kommt wird dann daran gemessen.

Daniela: Ich finde auf jeden Fall auch die Beats auf der ersten Platte am konsequentesten. Das sind schon abgefahrene Sounds, einfach wahnsinnig kreativ.

Auf euerm neuen Album habt ihr keine Features. Warum nicht?

Fritzi: Das kam einfach nicht zu Stande. Es gibt schon Leute, auf die wir da mal Bock hätten, aber das muss sich ja irgendwie auch ergeben und Sinn machen. Sonst ist es halt einfach nur konstruiert.

Auf wen hättet ihr denn Bock?

Daniela: Sido! Ja! Ich hab neulich überlegt, ob wir ihn bei der dritten Platte einfach mal fragen. Ich fände das schon super nice, wenn er dann einfach eine Strophe rappen würde. Bei Features ist das ja so: Entweder man macht das mit Leuten, mit denen man schon echt gut befreundet ist, oder es muss einfach richtig schocken, weil das jemand richtig geiles ist. So wie Sido. Mit dem im Studio zu sein wäre schon wie Kindergeburtstag für uns.

Fritzi: Man würde doch bestimmt gar nicht mit dem reden. Man würde dem den Song schicken und dann macht der das da drauf.

Daniela: Stimmt, aber egal! Bei so geilen Leuten wie Sidooder Robert Smith würde ich auch drauf scheissen und was konstruieren. Der Künstler muss einfach dufte sein, vor allem auch persönlich.

Marthe1Ist Sido also ein dufter Typ?

Daniela: Das weiß ich nicht, da kann ich mir kein Urteil bilden. Aber das, was man in der Öffentlichkeit sieht finde ich dufte. Ich finde, der macht das voll cool. Also für mich ist er immer eine Inspiration.

Auch in Bezug auf seinen Umgang mit Kritik?

Daniela: Auch, ja klar! Aber das ist ja diese ganze Hip Hop-Attitüde. Das geht uns total rein. Wir versuchen aber auch, uns Kritik nicht so sehr reinzuziehen. Am Anfang, als wir noch nichts hatten, aber schon wussten, dass wir eine berühmte Band sein wollen, da haben wir uns immer vorgebetet, dass wir keine Zweifel haben dürfen. Das war unser Masterplan: Einfach nicht zweifeln und daran glauben, dass das was wir machen, das Allergrößte ist.

Das allergrößte zweite Album Rare ist im Januar bei Buback erschienen. Im März sind Schnipo Schranke auf Tour und geben am 18. März ihr Heimspiel im Übel & Gefährlich. Tickets und Infos gibt’s hier.

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