Ulmen/Yardim: Judo & Jerks
Posted: February 23, 2017 | Author: Jan Freitag | Filed under: 4 donnerstagsgespräch |1 Comment
Das ist absolut mein Humor
Fahri Yardım und Christian Ulmen (Foto: Kowalski/Maxdome) kennen sich schon seit ihrer Jugend in Hamburg. Seit ein paar Wochen sind sie gemeinsam in der ersten deutschen Video-on-Demand-Serie Jerks auf Maxdome über zwei Berliner im Kampf mit dem Alltag zu sehen. Nun läuft sie auch dienstags (23.15 Uhr) auf ProSieben. Ein Gespräch mit den Hauptdarstellern über zotige Witze, wahre Peinlichkeiten, gemeinsames Judo und Eierstöcke aus Stahl.
Interview: Jan Freitag
freitagsmedien: Herr Yardım, Herr Ulmen…
Fahri Yardım: Du bitte, immer Du. Unter Hamburgern.
Seid ihr auch privat befreundet?
Christian Ulmen: Ja.
Yardım: Und nicht erst seit Berlin, sondern Harburg. Das ist Ewigkeiten her.
Ulmen: Über 20 Jahre. Wir haben uns im Judo-Kursus kennengelernt.
Ulmen: Und waren zusammen beim Panda-Club vom WWF, das prägt. Trotzdem haben wir uns danach aus den Augen verloren, bis wir vor fünf Jahren „Wer’s glaubt, wird selig“ gedreht haben.
Und seit ihr jetzt so richtig dicke?
Yardım: Ich würde sagen, so dick wie Christians Bauchumfang, also ganz schön!
So dicke, dass ihr euch im Café intensiv über euer Liebesleben austauscht?
Ulmen: Wenn es sich ergibt, selbstverständlich.
Und geschieht das dann im Tonfall der Jerks, wo ihr da diverse Bezeichnungen der Vagina durchdekliniert, oder etwas dezenter?
Ulmen: Gespräche folgen ja selten einem Konzept, unter Freunden fallen die Worte einfach so aus einem raus. Außerdem situationsabhängig. Das Durchdeklinieren von Vagina ist dem Schrecken geschuldet, dass ich in einer Episode vom Masturbationskursus meiner Freundin erfahre, der mich in die Angst versetzt, ich könnte sie an so einen Selbstbefriedungsguru verlieren. Die Verhältnisse geben den Duktus vor, nicht der Bedarf, sich derbe auszudrücken. Weil sich die Serie an der Realität orientiert, könnte so ein Gespräch im Café also tatsächlich zwischen Fahri und mir stattfinden.
Yardım: Wir heißen in der Serie ja nicht umsonst, wie wir auch in echt heißen.
Steht deshalb gleich im Vorspann, Jerks basiere auf wahren Begebenheiten?
Ulmen: Viele Geschichten, die wir erleben, sind uns wirklich passiert, werden aber mit Geschichten des dänischen Originals vermengt. Es würde der Serie den Zauber nehmen, wenn ich verraten würde, welche der Szenen wir wirklich erlebt haben und welche nicht. Das rätseln darüber, ob Fahri diese oder jene Peinlichkeit echt widerfahren ist, macht ja Spaß. ,
Yardım: Wer uns ein bisschen besser kennt, weiß am Ende des Tages, dass wir im Umgang mit dem alltäglichen Leben ganz schöne Idioten sind.
Ulmen: Das Wort „Idiot“ trifft es nur halb: der englische Begriff „Jerk“ ist genauer, beschreibt nämlich sowohl den aktiven Idioten, also ein offensiv handelndes Arschloch als Persönlichkeitsstruktur. Aber gleichzeitig eben auch den eher defensiv handelnden Trottel, den die Umstände dazu machen, der unschuldig in Not geratene Idiot, der in irgendwas rein stolpert. Fahri ist öfter Typ 1, ich bin meistens Typ 2.
Yardım: Hört, hört!
Ulmen: Doch, doch! Wir beide wollen auf unserer Suche nach Harmonie immer alles richtig machen und scheitern genau daran. Das macht uns zu Trotteln. Weil wir aber nie daraus lernen, sind wir auch Ärsche, unterm Strich also Jerks. Das Bedürfnis, es allen recht machen zu wollen und dabei das genaue Gegenteil zu bewirken, ist dabei ein viel stärkeres Motiv als die vulgäre Wort- und Bildwahl.
Wer die ersten Teile sieht, könnte dennoch den Eindruck gewinnen, dass es genau darum geht bei den Jerks – um geschlechtsspezifische Zoten von Sex bis Fäkalien.
Ulmen: Ich rieche in der Frage einen gewissen Dünkel, Wer reflexartig „zotig!“ ruft, sobald sich den Themen Sexualität oder auch Stuhlgang peinlich-lustig genähert wird, der verkennt die Tiefenfähigkeit von Humor. Ich gehe noch weiter: der hat keinen Humor. Es geht ja vor allem um zwei Stadtneurotiker modernen Typs.
Yardım: Die Saftigkeit wird ja nicht ausgestellt, sie beschreibt Dinge wie Schamgefühle oder Selbstwahrnehmung. Wenn man wie Christian auf ein Geschäft aufpasst, aufs Klo muss, das allerdings grad repariert wird, und da steht ein Katzenklo, dann ist das für mich nicht zotig, sondern die Verarbeitung urmenschlicher Bedürfnisse. „Kacken“ ist da nur ein anderer Begriff für „Druck“, unter dem die Protagonisten permanent stehen.
Ulmen: Eine Zote wäre, wenn er ins Katzenklo macht, um seine Freundin reinzulegen oder weil er einen doofen Film von Adam Sandler nachspielen will. Wenn er sich jedoch aus einer realistischen Notlage befreien muss, und die einzige Abhilfe die Nutzung eines Katzenklos ist, dann ist das eine Tragödie, in der wir verschämt über die Not lachen, nicht über die Kackwurst.
Yardım: Und genau so ist das absolut mein Humor.
Könnte der auch im ZDF laufen oder ist es passgenau fürs Streaming gemacht?
Yardım: Als erste Video-on-Demand-Serie aus Deutschland ist sie genau da richtig, wo sie läuft. Fürs ZDF wäre vermutlich der Konfrontationsgrad zu hoch, die Zuspitzung nach oben und unten. (stockt) Warum ziehst du dich jetzt aus, Christian?
Ulmen: Um, ich ziehe mich um.
Yardım: Aber guck mal, im Brustbereich sieht er super aus, darunter wird’s schwierig. Geht ja vielen Männern so in dem Alter… Gut, ich will da aber auch nicht zu sehr zwischen linear und online, alt oder neu differenzieren. Wie das digitale hat das lineare Fernsehen Vor- und Nachteile. Ich persönlich liebe es, mich davon unterhalten zu lassen wie Gott es erschaffen hat – einfach einschalten und genießen, was andere zusammengestellt haben. Zugleich aber genieße ich die Entscheidungsfreiheit einer Video-Plattform.
Ulmen: Es ist ein typisches VoD-Format, das sich substanziell unterscheidet, unterscheiden muss vom klassischen Fernsehangebot. Man darf aber nicht vergessen, dass es auch bei ProSieben läuft. Später zwar und erst nachts, aber das hat eben mit der FSK und der Andersartigkeit zu tun.
Yardım: Dass es einen Sender gibt, der sich der Angst des Mediums so widersetzt wie dieser, finde ich fantastisch. Die haben Eierstöcke aus Stahl.
Habt ihr noch mehr solcher Projekte im Köcher, womöglich gemeinsam?
Yardım: Na ja, zunächst mal eine zweite Staffel, das wäre schon großartig.
Und vielleicht auch mal wieder was in eurer alten Heimat Hamburg?
Yardım: sehr gerne, ernsthaft.
Ulmen: Und das wird auch passieren! Ich bin da aufgewachsen und kenne jeden Stein, jeden Winkel, jedes Mauseloch.
Yardım: Im Kontrast zu Berlin ist Hamburg noch immer untererzählt. Das meiste entsteht im biederen Vorabendambiente. Das ist grad für Bewohner kaum zu ertragen. Ständig der Hafen im Hintergrund, vom Michel rüber zur Reeperbahn – ich kann‘s nicht mehr sehen. Dabei bietet die Stadt so viele Kontraste zwischen schönem Schein und dreckigem Milieu – das dürfte gerade im Schatten der Elbphilharmonie gern mehr gezeigt werden. Hamburg hat so viel Kultur von unten, wird aber am Bildschirm dauernd erzählt, als würde sie ein BWLer filmen.
Ulmen: Sehe ich genauso, als Filmmotiv hat die Stadt noch viel Luft nach oben.
Seid ihr denn noch richtige Hamburger oder schon assoziierte Berliner?
Ulmen: Ich hab hier von drei bis 20 und später noch ein paar Jahre gewohnt. Wenn ich herkomme, überkommt mich sofort ein Heimatgefühl. Andersrum habe ich nach ein paar Tagen sofort das Gefühl, wieder wegzuwollen, bevor ein Gefühl von Langeweile entsteht. Wobei es mich dann weniger nach Berlin als Potsdam zieht.
Yardım: Ich werde ja demnächst Vater. Und als ich das erfahren habe, überkam mich so ein seltsames Gefühl auf, das Kind wäre in Hamburg womöglich besser aufgehoben als in Berlin. Da spiegelt sich meine nostalgische Sehnsucht voll in der kleinen Maus, für die es doch unbedingt genauso schön sein darf, wie ich es erinnere.
So weit die Theorie. Und die Praxis?
Yardım: Hat ein großes Problem: Meine Freundin ist gebürtige Prenzlauer Bergerin und wird sicher alles daran setzen, dort zu bleiben.
Ulmen: Dann komm doch nach Potsdam, ihr könnt bei uns wohnen.
Yardım: Klingt nach einem Kompromiss Obwohl…
One Comment on “Ulmen/Yardim: Judo & Jerks”
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Eure show, is das beste was ich im Deutschen Fernsehe gesehen habe , ich glaube auch in ami land wäre das ein große hit its soooooooo good