Grandaddy, Chicano Batman, Findlay

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Es war einmal Anfang der Neunziger, da wurde der alternative Rock härter und zugleich weicher. Zum wüsten Grunge stinkwütender Punk-Epigonen jener Jahre gesellte sich Mitte der Dekade ein Powerpop, in dem (gern kalifornische) Jungs zu gefälligen Fuzz-Gitarren eher hauchten als brüllten und überhaupt nie wütend wirkten oder gar stanken. Eine dieser Bands hieß Grandaddy. Ihr Indiesound war roh, aber nie rotzig. Es klang nach Garage, die aber recht aufgeräumt wirkte. Nach ein paar Eigenproduktionen kam 1997 das Debüt. Drei weitere Platten machten die – klaro – Kalifornier nicht berühmt, aber bekannt. Es war ein kleines, sehr beschauliches, durchaus schönes Postpunk-Phänomen. Und dann war es weg.

Elf Jahre lang, um genau zu sein. Denn jetzt hat Jason Lytle seine Kumpels von einst wieder ins Studio gebeten und der Gegenwart somit ein sehr liebenswertes Comeback beschert. Denn gemeinsam mit den Gründungsmitgliedern Aaron Burtch am Schlagzeug und Bassist Kevin Garcia, schafft Last Place eine wunderbar heruntergeregelte Aura altgedienter Indie-Musiker, die sich selbst nicht ernster nehmen als nötig, aber auch nicht leichter. Das Ergebnis klingt zwar manchmal wie eine Mischung aus Jean-Michel Jarre und Smokie, dabei aber so hinreißend beachbeseelt mit Lytles gelangweilt-schnodderigen Eels-Stimme, dass man die Platte einfach so durchhören kann, ohne sich je mies zu fühlen dabei.

Grandaddy – Last Place (Sony)

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Die Stimme ist es auch, von der man bei Chicano Batman ergriffen und nicht mehr losgelassen wird. Die Stimme, aber auch sonst so einiges, was sich um Bardo Martinez’ entspanntes Schmuseorgan webt wie ein durchlässiges Gespinst aus Seifenblasen, Wattebällchen und Millionen himmelschreiend lässiger Harmonien im Bigband-Kammerpop-Soulsound. Auf ihrem dritten Album, dem ersten auf ATO Records, mäandern die vier (schon wieder) Kalifornier mit hörbar und spürbar hispanischen Wurzeln so luftig leicht zwischen Siebzigerjahre-Filmmusik, Neunzigerjahre-Slackerindierock, Zehnerjahre-Retroswingpop hin und her, dass man selbst auf groben Kies niedersinkt wie im Moosbett.

Dass Chicano Batman dazu auch noch wie Barpianisten auf Kreuzfahrtschiffen der Disaster-Movie-Ära eleganten Einheitslook mit Rüschenhemd über mauvefarbenen Anzug tragen, ist dabei zwar vor allem Gepose, passt aber zur Atmssphäre wie geslappte Gitarren auf Funk. Garniert mit Hammondorgel und Querflöten wird all dies dem hinreißenden Plattentitel Freedom is Free mehr als gerecht. Meistens klingt das wie eine Supergroup aus Cake, Elvez und Barry White mit einer Prise Fun Lovin’ Criminals, die schlicht und einfach glücklich macht. Mehr davon, und vier Jahre Trump nebst Gleichgesinnter könnten nicht besser, aber erträglich werden.

Chicano Batman – Freedom is Free (ATO Records)

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Ein Dilemma weiblicher Selbstermächtigung im Pop besteht darin, dass Frauen die Mechanik männlicher Dominanz oft kopieren statt umwälzen, gar zerstören. Auch Riot Grrrls fiel es nie leicht, das rechte Maß zwischen Assimilation und Umsturz zu finden, weshalb sie mal dicht am Mainstream waren, mal schlicht unerträglich. Natalie Findlay hat ein Maß gefunden, keins davon zu sein und alternativem Rock dennoch kräftig den Marsch zu blasen. Auf ihrem furiosen Debütalbum reiht die Britin alles, wonach ihr der Sinn steht, so dicht aneinander, dass es Referenzen regnet, ohne den radikalen Eigensinn zu verwässern.

Zum Auftakt klingt Electric Bones nach M.I.A., Waste My Time sodann wie Katie Perry, während Le Tigre durch Junk Food hetzen oder L7 durch Junk Food. Im Einzelnen eine Werkschau des musikalischen Femizismus, gerät das Gesamtwerk so zu einer Art Elektrogaragenpunktrashpop, der sich mit fröhlicher Aggressivität aus dem Schwitzkasten maskuliner Studiobeherrschung löst. Nun ist Forgotten Pleasures noch keineswegs die Rückgewinnung des Paradieses; ein sattgrünes Rasenstück inmitten der Brache zeitgenössischen Crossovers ist es aber allemal.

Findley – Forgotten Pleasures (BMG)

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