Kommissar Pascha: Migra-Krimi & Mundart

Türken vor Grünwald

Mit Kommissar Pascha erfindet die ARD am Donnerstag einen Ermittler mit Migrationshintergrund (Foto: Hendrik Heiden/Degeto) und macht auch sonst nicht alles gut, aber vieles erfrischend anders als im deutschen Krimi-Einerlei üblich.

Von Jan Freitag

Die Erzählung der global gesehen erfolgreichsten Krimireihe deutscher Herkunft ging gefühlt 250 von 281 Fällen ungefähr so: Im noblen Münchner Vorort Grünwald starb irgendwer mit viel Geld eines gewaltsamen Todes, gern per Messer oder Gift. Kurz darauf dann entstiegen Derrick & Harry ihrem Auto der Marke BMW, klingelten an einem Gebäude der Bauart Residenz, trafen dort distinguierte Damen im Pelzmantel, meist Ruth Maria Kubitschek, verhafteten am Ende deren standesbewussten Mann, gern Wolfgang Kieling, und verließen die Upper Class sodann zurück ins biedere Bürgertum. Doch so fremd sich Ober- und Mittelschicht bei Derrick auch waren, so hermetisch die eine von der anderen abgeschlossen war – eins hatten beide 24 Serienjahre gemeinsam: Villenbesitzer namens Güzeloglu gab‘s im TV-München nirgends, Polizisten namens Demirbilek schon gar nicht. Und selbst Tatverdächtige hießen niemals Furat oder Gül.

Wie sich die Zeiten ändern.

Im Grünwald der fernsehkriminalistischen Gegenwart sind die Herrensitze von damals bei aller Pracht längst weniger protzig verziert als kubistisch schlicht, während ihre Bewohner zwar wie gewohnt Unternehmer sind. Ihren Reichtum allerdings haben sie gar nicht zwingend  über Generationen mit Maschinenbauteilen erwirtschaftet, sondern durchaus mal aus eigener Kraft mit Dönerfleisch. Genau damit nämlich hat es Süleyman Güzeloglu in die Oberen Zehntausend gebracht, wo er es sich ein bisschen deutscher sogar als seine eingeborenen Nachbarn stilvoll gut gehen lässt. Bis ihm Zeki Demirbilek alias Kommissar Pascha in die Quere kommt, ein lässig-cooler Grantler mit ortsüblichem Idiom, wie sie wohl nur in der Schickimicki-Hauptstadt glaubhaft ist.

Am gewohnt mörderischen Donnerstagabend im Ersten leitet er eine „Migra“ genannte Abteilung der örtlichen Polizei, die im fremdländisch geprägten Milieu ermittelt. Deutsche Kollegen sind dabei eher beiläufige Sidekicks von latent rassistischer Inkompetenz, Landsleute seiner Ahnen hingegen zum Niederknien cool wie Zekis Assistentin Jale Cengiz, popmodern kernig schön verkörpert von der hinreißenden Almila Bagriacik. Auch wenn der Auftaktfall sogleich mal mit Ehrenmord, Jungefernhäutschen, arrangierter Ehe  und einer Leiche zu tun hat, der das arabische Wort für „Teufel“ mit Heftzwecken in die Brust gestanzt wurde, ist das gesamt Setting kosmopolitisch, ohne in Zuwanderungsfolklore abzudriften.

Das liegt vor allem an Tim Seyfi. Der bayerische Schauspieler, 1971 als Timur Seyfettin Ölmez im Herzen der Türkei geboren, füllt seine Titelfigur mit einer Authentizität, die er in ansehnlichen Episodenrollen mit Migrationshintergrund von Polizeiruf bis Tatort kultiviert hat. Nach dem Roman von Su Turhan inszeniert Regisseur Sascha Bigler seinen Helden als Mitglied zweier Kulturkreise, die sich nah sind und doch so fern, also nur eines coolen Grenzgängers wie den hier benötigen, um ein wenig besser miteinander klarzukommen. Gewiss, manchmal wirkt dessen vorbildlich assimilierter Eigensinn leicht konstruiert, wenn Zeki seinen Frust über die (vielen) Frauen in seinem Leben mit Raki und Obstler ertränkt oder mit akkurat gefalteten Taschentüchern im Schrank deutschen Ordnungssinn zeigt, bevor er jedem Leichenfund ein Gebet zu Allah hinterherschickt. Trotzdem ist der Wille aller Beteiligten spürbar, multikulturelle Differenz nicht bloß auszustellen, sondern durchzufühlen.

Das unterscheidet „Kommissar Pascha“ angenehm vom gängigen Bild des vermeintlichen Ausländers im inländischen Film. Jahrzehntelang hatte es nur drei Typen geduldet: Kriminelle, Armutsopfer, Islamisten – nicht selten in Personalunion. Neuere Serien wie Dimitrios Schulze mit Adam Bousdoukos als griechischer Anwalt am Mannheimer Brennpunkt oder Fahri Yardim als durch und durch norddeutschen Kommissar an Til Schweigers Hamburger Tatort-Seite zeigen allerdings, dass sich sogar das klischeeanfällige Fernsehen von seinen Stereotypen entfernt.

All die Damen in Zeki Demirbileks emotional eher unübersichtlichen Leben müssen natürlich dennoch bildschön sein, ein Bombengürtel kommt selbstredend auch noch vor und Christian Paschmanns arabeske Blasmusik im Hintergrund geht nach einer Weile doch auf den Geist. Davon abgesehen aber macht die Pilotfolge durchaus Lust auf die Fortsetzung am Donnerstag drauf. Am Anfang steht wieder ein türkisches Mordopfer. Es ist allerdings in bayerischem Bier ertrunken. Prosit!

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One Comment on “Kommissar Pascha: Migra-Krimi & Mundart”

  1. lv201080 says:

    “Kruzifix”
    “Es heißt Kruzitürken”

    Naja, an dem Humor muss man noch feilen…


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