Schulmädchenpornos & Brutalstmobbing

Die Gebrauchtwoche

27. März – 2. April

Achtung, Breaking News! Unser Planet ist seit Montag nicht mehr der Gleiche – und das liegt mal nicht am nächsten Irrsinn des US-Präsidenten, dessen Namen wir wie den von Lord Voldemort von nun an nicht mehr aussprechen wollen: Annemarie Carpendale geb. Warnkross hatte wahrscheinlich erstmals, seit sie keine Windeln mehr trägt, vor der Kamera ein Bekleidungsstück an, bei dem man ihr auf Augenhöhe nicht in den Schritt blicken konnte (auf Bauchhöhe natürlich schon). Ob ihr da wohl ein Personal Trainer mal klargemacht hat, dass selbst besonders offenherzige Moderatorinnen wie diese auch im Plastikkanal Pro7 nicht ge-, besser: entkleidet sein müssen wie das Personal japanischer Schulmädchenpornos? Wer weiß…

Was wir wissen: Auch nach vorigem Mittwoch war Annemarie Carpendale geb. Warncross mit oder ohne altersgerechte Klamotten fast überall in Fernsehland zu sehen, um Boulevardmüll à la taff zu verkaufen. Dabei hatte die Werbung doch landauf landab wochenlang auf giftgrünen Plakaten gedroht, wenn an dem Tag das terrestrische Fernsehsignal DVB-T durch die modernisierte Version T2 ersetzt werde, blieben bundesweit die Bildschirme schwarz. War gar nicht so, das Leben ging einfach weiter. Allerdings würde man sich gelegentliche Sendepausen durchaus wünschen, angesichts einer privaten Programmoffensive der besonderen Art.

RTL nämlich legt allen Ernstes sein einst maßgebliches Comedy-Format Samstag Nacht neu auf. Dicht gefolgt von – kein Scherz! – Ein Schloss am Wörthersee, für das Roy Black vermutlich exhumiert oder geklont wird. Und dann ist auch noch Harry Wijnvoords Der Preis ist heiß zurück in der kommerziellen Lostrommel. Bis zur Rückkehr vom Hütchenspieler Salvatore ist der frühere Marktführer also offenbar nur noch einen Eventdreiteiler-Flop entfernt. Womit wir bei Sat1 wären, die auch schon bessere Zeiten erlebt haben. Aber eben ebenfalls weit schlimmere.

Die Frischwoche

3. – 9. April

Irgendwo dazwischen befindet sich am Dienstag (20.15 Uhr) das neueste Melodram des Melodramensenders namens Nackt. Für Begriffsstutzige mit Das Netz vergisst nie untertitelt, handelt es vom Teenager Lara, der ein Nacktbild für ihren Freund vom Handy gehackt und veröffentlicht wird. Die Folge: Brutalstmögliches Mobbing, das der Hacker nur für ein Lösegeld zu beenden vorgibt, was natürlich nicht passiert, woraufhin eine Eskalationsspirale einsetzt, die Laras Familie weit an den Abgrund zerrt.

Wie so oft, wenn die Jugend zum TV-Thema wird, strotzt all das Sat1-typisch vor Klischees von lässig verwahrlosten Nerds bis in zur poppig kühlen Cyberkriminalitätspolizei. Dass der Film dennoch überzeugt, liegt an Felicitas Woll als trotzig verzweifelte Mutter, die sich glaubhaft in den Kampf um Rehabilitation verbeißt. Anders als im Club der roten Bänder schafft Regisseur Jan Martin Scharf also keine starken Kinder, sondern starke Frauen im Kampf mit dem System. Doch während letztere seit jeher zur Leitwährung des Mediums zählen, wagt die ARD was Ungewöhnliches: ihr Mittwochsfilm macht eine Frau zur Hauptfigur, die schwach ist und dennoch alles andere als sympathisch.

Mit dieser Lilly Borchert, grandios gespielt von Maria Dragus, arbeitet Tod einer Kadettin den wahren Fall der Jenny Böken auf, die vor neun Jahren aus ungeklärter Ursache über Bord des Segelschulschiffs Gorch Fock ging. Raymond und Hannah Ley machen aus der realen Tragödie jedoch kein fiktionales Rührstück, sondern eine sehenswerte Sozialstudie über den Korpsgeist auf engstem Raum, ohne die Beteiligten wohlfeil vorzuführen. Spannender ist da nur noch die Wirklichkeit.

Heute zum Beispiel (22.30 Uhr, ARD) Mielkes Maulwurf bei der NSA um den Stasi-Spion Jens Karney, den die USA bald nach der Wende zu 38 Jahren Haft verurteilt haben. Stefan Aust zeichnet den Weg des Agenten nach. Dazu passt der Achtteiler War Games, mit dem ZDFinfo am Freitag ab 18.45 Uhr sechs Stunden am Stück den Kalten Krieg porträtiert. Bereits Dienstag widmet sich Arte den ganzen Abend der Weltgesundheit und schildert zum Auftakt die WHO Im Griff der Lobbyisten, durch den globale Medizinversorgung zusehends in der Hand nur eines Menschen liegt: Bill Gates.

In einer Hand liegt langsam auch das Thema Show im Zweiten. Ab heute,19.30 Uhr, moderiert die Allzweckwaffe Steven Gätjen auch noch ein Antiquitäten-Quiz namens Clever abgestaubt, das man eher im Nachmittagsprogramm des ZDF als auf dem poppig geplanten Ableger Neo erwartet hätte. Na wenigstens ist die Übertragung des Echo zu Vox gewandert, wo der unsäglichste Musikpreis Freitag (20.15 Uhr) als Konserve zu sehen ist, weshalb man – wenn schon Plastiksound gewünscht wird – um 21.50 Uhr besser zu Arte wechseln sollte, wo Pump up the Jam an die Heroes of Eurodance erinnert.

Filmisch erinnernswert sind folgende Wiederholungen der Woche: In schwarzweiß Pforten der Nacht (Montag, 21.45 Uhr, Arte), eine düstere Liebesgeschichte aus dem Paris der Nachkriegstage von 1946 mit Yves Montant als zurückgekehrter Partisane. Nicht nur farbiger, sondern auch fröhlicher ist Elliot, das Schmunzelmonster (Montag, 20.15 Uhr, Disney), der 1977 durch den Mix von Comic und Realität Kinogeschichte geschrieben hat. Und der Tatort-Tipp: Das goldene Band (Mittwoch, 22 Uhr, SWR), die fesselnde, aber schwer erträgliche, Fortsetzung von Wegwerfmädchen mit Charlotte Lindholm im Menschhandel-Taumel.

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