Fakten-Finder & Matula-Recycling

Die Gebrauchtwoche

3. – 9. April

Der digitale Krieg gegen Fake News nimmt langsam Fahrt auf. Während die Bundeswehr ihre Cyber-Brigade derzeit um mehrere Tausend Soldaten aufstockt, ringen seriöse Medien hingebungsvoll um Deutungshoheit über die gewaltigen Datenströme im Netz. Mit seinem Wahrheitskommando BR-Verifikation etwa machte der Bayerische Rundfunk erst im März den Anfang, dicht gefolgt von der öffentlich-rechtlichen Task Force #ZDFcheck17. Nun zieht die „Tagesschau“ mit ihrem Informationsknotenpunkt Fakten-Finder ebenfalls gegen Falschmeldungen zu Felde. Das ist absolut löblich und staatsvertragskonform dazu. Dem Gros der avisierten Empfänger von Fake News ist die Realität zwar längst herzlich egal; aber was kann man dem Irrsinn besseres entgegensetzen als Vernunft. Immer und immer und immer wieder.

Sonst droht uns allen bald ein multimediales Disneyland, in dem vor allem Breaking News wie diese von Belang sind: Die Yacht Rosetta III, vermeldete das Ferienportal sonnenklar.TV vor einer Woche ganz aufgeregt, „sticht heute leider ohne Naddel in See“. Die „Reisereporterin“ Abd El Farrag nämlich, bekannt aus… äh… also: bekannt, „verletzte sich gestern so schwer am Fuß, dass sie von ihrem Arzt striktes Reiseverbot erhielt“. Dabei sollte die, äh… also… sollte: Naddel doch „fünf Tage aus dem beliebten [und bei sonnenklar.tv gewiss nicht umkämpften oder tyrannisch regierten] Urlaubsziel in Ägypten in Live-Schalten und Magazin-Beiträgen“ berichten.

Wollen wir hoffen, dass das eine Fake News ist, der der Fakten-Finder schnell auf den den Grund geht. Ebenso lügenverdächtig: Den Tatort aus Münster sahen Sonntag vor einer Woche angeblich mehr als 14,5 Millionen Zuschauer, der beste Wert seit gut 20 Jahren. Und das, obwohl die Altherren Boerne und Thiel seit mindestens 20 ihrer 31 Ulkfälle gebrauchte Kalauer reproduzieren. Kann eine Spitzenquote von nahezu 40 Prozent da wirklich wahr sein? Als vernunftbegabter Realist müsste man sagen: Never! Als desillusionierter Pragmatiker hingegen: Klaro! Wenn das ZDF sogar Matula aus der Grube gräbt, ist schließlich fast alles denkbar…

Die Frischwoche

10. – 6. April

Richtig gehört: Josef Matula, buchstäblich der Sidekick wechselnder Anwälte im Fall für zwei, wird Freitag um 21.15 Uhr für vorerst zwei Fälle für einen aus der Rente geholt. Weil ihm der neue Job als Kaufhausdetektiv zu öde ist, verdingt er sich diesmal ohne Jurist zur Seite als Privatschnüffler im alten und kriegt es gleich mit dem Mord in einer Seniorenresidenz an der Nordsee zu tun, wo er einmal verhaftet wird, zweimal Leichen findet, dreimal Prügel bezieht und einen Mordversuch überlebt. Alles wie bis zu seinem Abschied vor knapp vier Jahren also. Und am Ende kriegt Matula den Bösen. War so, bleibt so, Teil 3 von dann 303 dürfte längst in Planung sein.

Nur unwesentlich seltener wurde wohl Kästners Das doppelte Lottchen verfilmt. Dennoch ist die neue ARD-Adaption der uralten Geschichte zweier Zwillinge, die nach Jahren der Trennung zueinander finden, diesmal besonders charmant geraten. Das liegt vor allem an den Eltern: Florian Stetter und Alwara Höfels spielen Papa und Mama von Lotte und Luise, die ihre Töchter nach der der Scheidung unter sich aufteilen, zeitgenössisch und lässig wie selten zuvor. Wenn der Ostersonntag um 14.05 Uhr verregnet ist, darf man sich als Familie da ruhig vor die Glotze hängen.

Erst zum zweiten Mal verfilmt, das aber in kürzester Zeit, wurden Die Dasslers, spätestens seit dem RTL-Biopic Duell der Brüder vor einem Jahr bekannt als blutsverwandte Rivalen, die mit Puma und Adidas zwei der drei größten Sportbekleidungshersteller gegründet haben. Während sich der Auftakt des ARD-Zweiteilers am Freitag) bis auf die Darsteller kaum vom privaten Vorgänger unterscheidet, erzählt Folge 2 am Samstag auch die Zeit nach der Fußball-WM 1954, darf also auch die Schattenseiten von Kommerzialisierung bis Schmiergeld beleuchten – und das sehr öffentlich-rechtlich mit Darstellern (Christian Friedel, Hanno Kofler), die eher der Authentizität als dem Werbewert dienen.

Irgendwo dazwischen steht Anna Schudt. Karfreitag verkörpert sie im RTL-Film Ein Schnupfen hätte auch gereicht Gaby Köster, die auf dem Gipfel ihrer Comedykarriere einen Schlaganfall erlitt und nun zurückkehrt ins Ulkbiz. Und noch ein überraschendes Privat-Format: In The Story of my Life interviewt Desirée Nosbusch dienstags um 20.15 Uhr Prominente, die zuvor alt geschminkt werden. Klingt oberflächlich, ist aber mit Boris und Lilly Becker zum Einstieg überaus tiefgründig. Zumindest das teilt die Reihe mit den besseren Fiktionen der Woche: Ab Mittwoch auf Sky ist der belgische Provinzkrimi The Break abrufbar, der zehn Teile lang atmosphärisch sehr dicht den Mord an einem Fußballer in den Ardennen aufklärt. Parallel dazu porträtiert die deutsch-italienische Coming-of-Age-Koproduktion Land der Wunder auf Arte zwei Teenager in der Toscana, bevor Rosalie Thomass zwei Tage später an gleicher Stelle als Eine unerhörte Frau um ihr krebskrankes Kind kämpft.

Dokumentarisch ratsam wäre Kein Gott, kein Kaiser noch Tribun (Dienstag, 22.10 Uhr, Arte), eine kleiner Abriss der Anarchie. Ein wenig anarchistisch ist auch die schwarzweiße Wiederholung der Woche: In Jacques Beckers Ausbrecherfilm Das Loch spielte sich der reale Knastflüchtling Jean Keraudy (Montag, 20.15 Uhr, Arte) 1960 nämlich selbst. In Farbe empfehlenswert, sofern man nicht Til Schweiger nochmals bei seiner Tatort-Ankunft als Nick Tschiller in Hamburg vor vier Jahren (Montag, 20.15 Uhr, RBB) beiwohnen will: Bambi, das Disney-Werk der Disney-Werke beim Disney-Channel (Freitag, 20.15 Uhr) von 1942.

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