2 Bier – 1 Platte

Disarstar & Pink Floyd

Disarstar, „das ist Rap der nach Gewichten klingt“, wie er selber sagt. Tatsächlich erregt der Rapper, 1994 als Gerrit Falius in Hamburg geboren, seit seinem Debüt Kontraste vor zwei Jahren viel Aufmerksamkeit – genau wegen dieser deutlichen Worte und den klaren politischen Statements. Im Gespräch bei Bier und Tee erzählt er, warum HipHop trotzdem nicht immer politisch sein muss und seine Lieblingsplatte so gar nichts mit Rap zu tun hat.

Von Marthe Ruddat

freitagsmedien: Was inspiriert dich?

Disarstar: Ähm… na das ist ja immer so eine Frage…

Immer? Schon genervt davon?

Nee, überhaupt nicht! Ich schlage mich ja viel mit Rapmedien rum und ohne da jetzt bösen Hate verbreiten zu wollen, sind die inhaltlich ja manchmal schon ein bisschen flach. Und die Frage ist ja eher deeper. Naja, also eigentlich inspiriert mich mein Leben. Das klingt halt immer so plakativ, deshalb habe ich gerade ein bisschen überlegt. Aber eigentlich würde ich sagen, alles was mir wiederfährt inspiriert mich. Starke Gefühle, Wut, Traurigkeit, Enttäuschung, das sind so Sachen, die mich dazu anregen, etwas zu schreiben.

Inspiriert dich denn manchmal auch die Musik anderer Künstler?

Musik, die ich selber konsumiere, die ich feiern kann, die finde ich meist so gut, dass sie mich eher einschüchtert und dadurch nicht wirklich inspirierend ist. Deshalb höre ich auch in Albumentstehungsprozessen eher wenig Musik und konzentriere mich auf meine eigene.

Wenn ich dich jetzt nach einer Lieblingsplatte frage, fällt dir spontan trotzdem eine ein?

Ja, auf jeden Fall. Die Wish You Were Here von Pink Floyd.

Wish You Were Here erschien 1975. Die Originalplatte umfasst nur fünf Songs, die nahtlos ineinander übergehen. Das Album ist mittlerweile in der original Quadrophonie-Version erschienen. Quadrophonie ist einfach gesagt ein Vorläufer von Dolby Surround und verleiht den Songs einen dementsprechend tieferen Sound.

Damit hätten jetzt wohl die wenigsten gerechnet. Warum diese Platte?

Mein Vater hat früher immer viel Pink Floyd gehört, überhaupt hat er immer viel Musik gehört. Ich glaube er ist aber auf Pink Floyd nie so abgegangen wie ich. Mich hat das Album einfach komplett weggeflasht. Es ist irgendwie so die einzige Platte, die mir auch nach dem 150.000 Mal nicht langweilig wird, feiere ich immer wieder, macht mir immer wieder Spaß.

Pink Floyd ist eher ungewöhnliche Musik für Kinder und Jugendliche.

Ja, als ich sie das erste Mal gehört habe war ich 11 oder 12. Da konnte ich auch tatsächlich noch nicht so viel damit anfangen wie heute. Aber das hat sich dann von Jahr zu Jahr gesteigert. Anstatt dass es mir langweilig wurde, hatte ich eher das Gefühl, dass ich es von Jahr zu Jahr besser finde. Und heute habe ich die Platte immer im Auto.

Und obwohl dich Pink Floyd seit deiner Kindheit begleitet hast du dich entschieden Hip Hop zu machen. Warum?

Das ist eigentlich dem Umstand geschuldet, dass ich nicht singen kann. Obwohl das meinen Eltern tendenziell schon wichtig war, ist es auch nie dazu gekommen, dass ich ein Instrument gelernt habe. Und wenn man unter diesen Bedingungen Bock hat sich ein Medium zu suchen, dann nimmt man halt das Format, was am naheliegendsten ist. Und das war bei mir halt Rap. Wer weiß, was in ein paar Jahren noch kommt.

Du selber legst sehr viel Wert auf die Inhalte deiner Texte. Sind sie Dir deshalb auch bei der Musik, die Du hörst, wichtig?

Ich glaube, das ist davon abhängig, wie man Musik konsumiert. Ich zum Beispiel hasse es, nebenbei Musik zu hören. Ich höre sie zwar beim Sport oder Autofahren, da folge ich aber Automatismen und mache so gesehen nicht zwei Dinge gleichzeitig. Ich könnte manche Dinge nicht gleichzeitig machen, Lernen und Musik hören zum Beispiel. Und ich glaube, wenn man nur bewusst Musik hört, dann sind einem die Inhalte zwingend wichtig. Wenn ich nämlich genau hinhöre und dann kommt da nix, dann macht mir das auch keinen Spaß. Es gibt natürlich so Ausnahmen wie Kendrick Lamar. Den kann man gut auch nebenbei laufen lassen, und trotzdem ist da richtig was, wenn man genau hinhört. Aber das ist auch einfach die Königsklasse finde ich.

Das könnte man auch über Pink Floyd sagen oder?

Auf jeden Fall! Aber Pink Floyd würde ich trotzdem nicht nebenbei hören. Bei denen sind auch die Instrumente schon extrem wichtig, da hab ich immer richtig Bock drauf. Bei der Wish You Were Here ist es auch so, dass ich mich eher auf bestimmte Passagen oder ein Gitarrensolo freue, als dass ich mich total auf die Vocals konzentriere. Und das ist eben so ein bisschen die Ausnahme, weil mir das halt eigentlich immer sehr wichtig ist.

Welche Songs auf der Platte gefallen Dir in der Hinsicht besonders?

Also ich finde den Titelsong Wish You Were Here derbe gut. Und Have a Cigar. Ich meine, auf dem Album sind ja nur fünf Songs drauf und zwei davon haben nur vier Textzeilen und sind trotzdem zehn Minuten lang. Das ist einfach extrem musikalische Musik. Ich kann auch einfach das ganze Album durchhören, ich feiere echt alles.

 

Pink Floyd – Wish You Were Here

 

So, so you think you can tell

Heaven from Hell

Blue skies from pain.

Can you tell a green field

From a cold steel rail?

A smile from a veil?

Do you think you can tell?

 

Did they get you to trade

Your heroes for ghosts?

Hot ashes for trees?

Hot air for a cool breeze?

Cold comfort for change?

And did you exchange

A walk on part in the war

For a lead role in a cage?

 

How I wish, how I wish you were here.

We’re just two lost souls

Swimming in a fish bowl

Year after year

Running over the same old ground.

What have we found

The same old fears.

Wish you were here.

 

Du sagst, dir sind die Texte wichtig. Wie kritisch bist du diesbezüglich gegenüber der Künster*innen, mit denen du dir die Bühne teilst?

Im letzten Jahr stand Disarstar besonders in der linken Szene in der Kritik, weil er unter anderem mit MC Intifada und PTK ein Konzert in Berlin spielte.

Ich weiß auf welches Thema Du hinaus möchtest und gehe da gerne drauf ein. Ich sehe mich selbst als einen Menschen, der in linken Kreisen verkehrt und sich trotzdem eine differenzierte Meinung bildet. So ist das auch bei dem Konflikt zwischen Israel und Palästina. Ich stehe da total in der Mitte. Es werden einfach auf beiden Seiten Fehler gemacht, und ich bin deshalb ganz einfach pro Frieden und wünsche mir eine Lösungsstrategie, mit der beide Seiten zufrieden sind. Weil ich mich aber nicht auf einer Seite positioniere bin ich halt für die einen ein Antideutscher und für die anderen ein Antisemit. Ich bin in meiner Haltung und in meinem Standing aber so klar, dass mir egal ist, wer vor oder nach mir auf der Bühne steht. Ich würde auch auf einem Rechtsrock-Festival auftreten, wenn man mich fragen würde. Klar! Das ist doch Infiltration hoch zehn! Ich würde halt trotzdem genau das sagen, was ich immer sage: Rassismus ist Scheiße, Sexismus ist Scheiße, Homophobie ist Scheiße, die AfD ist Scheiße. Im besten Fall gäbe es dann nach meinem Auftritt so einen Tumult, dass die Konzerte abgebrochen werden würden und die ganzen wirklichen Rechtsrocker nicht mehr auftreten könnten. Das wäre ja praktische, antifaschistische Arbeit und ein voller Erfolg!

Wie passt es dazu, dass Du dich in der Vergangenheit recht eindeutig zur NATO und zu Netanjahu geäußert hast?

2015 rappte Disarstar in einem seiner OneTakeClips: Tod der NATO und Tod Netanjahu.

Das passt schon dazu. Wenn ich merke, dass das Feuilleton oder irgendwelche Juppi-Hippster anfangen mich gut zu finden, obwohl ich das gar nicht will, dann mache ich halt mal so Sachen, die die Leute irritieren, mit denen sie sich nicht anfreunden können. Auch um einfach mein Standing als Künstler nicht zu verlieren. Manchmal denke ich mir am nächsten Tag auch schon, dass ich mir das hätte sparen können. So etwas ist aber natürlich auch ein künstlerisches Stilmittel. Musik ist ein Stück weit auch expressionistische Kunst und ein bisschen überspitzt und überzeichnet. Oder sagen wir intensiviert. Natürlich mache ich mir damit auch Feinde, aber das finde ich voll okay. Wenn man etwas sagt, wo sich die Leute dann ungläubig an den Kopf fassen, dann ist das für mich auch eine Art Befreiungsschlag. In diesem Fall dann auf Kosten Netanjahus, das hätte aber auch jeder andere Staatschef einer kapitalistischen Demokratie sein können.

Muss Musik politisch sein?

Nein. Inhaltsstarke Musik muss nicht immer politisch sein. Es gibt ja auch inhaltsstarke und lyrisch starke Musik, die nicht politisch ist.

Nochmal zurück zu Pink Floyd. Die Band ist über Jahrzehnte hinweg bekannt und relevant geblieben. Sind sie in Sachen Konstanz damit Vorbilder für dich?

Auf jeden Fall. Ich glaube der Erfolg gründet auch darauf, dass ihre Musik extrem fortschrittlich und trotzdem zugänglich war und ist. Das ist zwar keine Mucke für jedermann, aber sie zeichnen extrem große Bilder, die trotzdem nachvollziehbar sind. Das finde ich extrem beeindruckend und ein bisschen Vorbild-mäßig, aber eigentlich habe ich keine Vorbilder, weil ich niemandem nacheifern möchte. Ich wünsche mir manchmal auch deepe Musik für jedermann zu machen, aber eben ohne nachzueifern. Ich mache das was ich mache, andere machen, was sie machen.

Ein Cover oder Sample wäre also keine Möglichkeit für dich?

Ich habe da wirklich schon oft und lange drüber nachgedacht, was man machen könnte und wie man es machen könnte. Vielleicht ein Mixtape, auf dem man viel samplet, vielleicht Hooks übernimmt und umbaut. Vielleicht würde sich das mal anbieten, Disarstar meets Pink Floyd oder so. Ich würde auch nicht denken, dass ich das irgendwie übertreffe oder bessere Songs mache. Ich hätte einfach nur voll Bock da künstlerisch etwas damit zu machen. Vielleicht würde ich es auch nie veröffentlichen, vielleicht kommt es auch nie dazu. Mal sehen, ich denke auf jeden Fall darüber nach.

Mit seinem neuen Album – x – = + ist Disarstar ab 24. April auf Deutschlandtour. Am 9. Mai spielt er im Uebel & Gefährlich. Tickets und weitere Infos gibt es auf www.disarstar.de


2 Comments on “2 Bier – 1 Platte”

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