Julia Koschitz: Schönheit & Bedeutung

Ich lass mich gern mal belehren

Julia Koschitz (Foto: diwafilm/BR) ist viel zu hübsch um variabel zu sein? Falsch! Die österreichische Schauspielerin schafft es am süßen Lächeln vorbei immer wieder, fiktive Figuren so wahrhaftig zu machen wie ihre Interpol-Agentin Juliette, die heute Abend im ARD-Drama Gift wirkungslosen Arzneimitteln nachspürt, mit denen Pharmakonzerne skrupellos Profit machen. Dass der Film so real wirkt, liegt aber auch an Daniel Harrich. Nach Oktoberfest-Attentat und Waffenhandel macht der Regisseur nun Medikamentenbetrug zu großer Fiktion. Ein Interview mit seiner Hauptdarstellerin über Enthüllungsfernsehen, Frauenrollen und was sie privat für etwas Großes opfern würde.

Von Jan Freitag

freitagsmedien: Frau Koschitz, mögen Sie eigentlich Happyends?

Julia Koschitz: Im Leben ja, unbedingt sogar (lacht).

Und im Film?

Im Film nur, wenn sie zur Geschichte passen und mir als Zuschauer nicht das Gefühl vermitteln, betrogen worden zu sein. Das Leben ist ja selten schwarz oder weiß. Deshalb finde ich die bittersüßen Schlüsse einer Geschichte meist ehrlicher; ganz unsentimentale Happyends im Dienste der Handlung können toll sein!

Ohne zu viel verraten zu wollen: Bei Gift ahnt man von der ersten Sekunde an, dass er nicht mal dieses unsentimentale Happyend bereithält.

Das wäre bei dem Thema auch schwierig. Aber das Positive am Ende dieses Films ist, dass es zum Nachdenken und hoffentlich auch zum Handeln anregt. Darum geht es dem Regisseur Daniel Harrich. Er weist mit seinem Film auf das Problem gefälschter, wirkungsloser, in manchen Fällen sogar tödlicher Medikamente hin und darauf, dass dieser Missstand veränderbar wäre.

Und das Medium Film ist dazu in der Lage, dies zu bewerkstelligen?

Die Frage stelle ich mir als Schauspielerin immer wieder. Können Filme was bewirken? Ich bin da nicht hoffnungslos. Bei mir als Konsumentin lösen Filme durchaus mal Lerneffekte aus. Ich lasse mich gerne in Frage stellen und auch mal belehren, wenn ich was Neues erfahre, eine andere Perspektive kennenlerne und die Geschichte gut erzählt ist. Ich glaube dass die Bereitschaft etwas zu lernen am größten ist, wenn man auch emotional berührt wird.

Hat es da bei Ihnen da gleich geklingelt, als Daniel Harrich überm Drehbuch stand, der große Aufklärer des deutschen Spielfilms?

(lacht) So konkret hatte ich ihn zwar vorher nicht im Kopf. Aber er war mir natürlich ein Begriff, schon weil Der blinde Fleck dazu beigetragen hat, den Fall des Oktoberfest-Attentats neu aufzurollen. Nach dem ersten Kennenlernen war mir aber klar, wie wichtig es ihm ist, mit seinen Filmen gesellschaftlich etwas zu bewegen. Das ist natürlich auch die Hoffnung bei Gift schon weil er Dinge thematisiert, die der Öffentlichkeit bislang unbekannt sind. Das Thema war für mich ausschlaggebend, mitzumachen. Dass meine Figur widersprüchlich ist, hat auch geholfen.

Aber im Umfeld gewissenlosen Geschäftemacher ist Ihre Juliette Pribeau neben der altruistischen Entwicklungshelferin Katrin doch die philanthropische Konstante des Guten?

Weil sie in ihrem Kampf für die gute Sache nicht korrumpierbar ist, stimmt. Aber dafür opfert sie gewissermaßen die Beziehung zur eigenen Tochter. Diese Konsequenz und Strenge im Privaten ist ein Widerspruch zu ihrer Selbstlosigkeit im Beruf.

Wobei der nur bei Frauen auch kritikwürdig erscheint, während Männern in gleicher Position die Vernachlässigung der Kindeserziehung in der Regel nicht mal vorgehalten wird.

Das würde wahrscheinlich nicht groß thematisiert werden, stimmt. Aber wie es Männern in derselben Situation erginge, ändert ja nichts daran, wie strittig das Verhalten von Juliette ist. Sie nimmt einen Job in Kauf, der sie die meiste Zeit über von ihrer Tochter trennt. Gerade weil es sich dabei um eine Frau handelt, fand ich das schauspielerisch interessant.

Haben Sie selbst Kinder?

Nein.

Wären Sie andernfalls bereit, Ihr Familienleben für etwas Größeres zu opfern?

Ich kann nicht von mir behaupten, dass ich in meinem Leben Größeres vollbringe, auch nicht, mich fürs Allgemeinwohl aufzuopfern. Trotzdem glaube ich, dass man auch im Kleinen Dinge bewegen kann und dafür bin ich bereit, mein Ego hintan zu stellen. Zumindest versuche ich es. Aber das Gefühl, viel Zeit und Energie in seinen Beruf zu investieren und damit ein Opfer auf der privaten Seite zu bringen, das kenne ich schon. Denn natürlich fehlt mir diese Zeit dann für meine Freunde und für mich. Ich verzichte manchmal auf Freizeit, weil ich meinen Beruf liebe.

Ist es da eine Art Ausgleich, wenn Sie zwischen extrem harten Stoffen wie Das Wunder von Kärnten und Der letzte schöne Tag immer mal was Leichtes spielen, etwa Doctor’s Diary oder Das Sacher?

Weniger ein Ausgleich, als eine Abwechslung – die ist mir wichtig. Ich versuche Filme zu machen, die ich mir im besten Fall selber anschauen würde, und da sind Komödien auf jeden Fall dabei. Sie mögen leicht daherkommen, sind in der Machart aber oftmals schwerer als so manches Drama. Das wichtigste für mich, für jeden Schauspieler…

Ist das Drehbuch.

Genau. Und meine bisherige Erfahrung war: Man kann aus einem schlechten Drehbuch keinen guten Film machen, aber aus einem guten Drehbuch einen schlechten Film. Die Qualität eines Buchs liegt aber nicht in der Härte des Stoffs. Man kann auch aus leichten Geschichten hilfreiche Erkenntnisse fürs Leben schöpfen. Ich muss nicht zwingend leiden, um was Neues zu lernen. Umso toller finde ich es, wie Daniel Harrich es immer wieder schafft, gesellschaftskritische Themen doch auch spannend zu erzählen. Ich verstehe jeden, der sich nach einem anstrengenden Tag abends vor allem gut unterhalten lassen will. Ich hoffe, dass wir diese Zuschauer auch kriegen.

Ist das nächste, was wir von Ihnen zu sehen kriegen, daher wieder leichterer, unproblematischerer Natur?

Was ins Kino kommt, definitiv: Happy Burnout, eine Tragikomödie. Danach Hanni und Nanni und auch im Fernsehen kommt als nächstes ein tragikomischer Stoff, Am Ruder, wo ich mich als Bankräubern ausprobieren durfte. In der Zwischenzeit drehe ich einen Krimi. Es fühlt sich grad schön bunt an bei mir.

Läuft gut aus bei Julia Koschitz…

Danke, ich kann nicht klagen.

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