Wilson Gonzalez Ochsenknecht: Sohn & Kampf

Der Boulevard-Flüchtling

Komischer Name, exzentrische Eltern, wenig Talent? Wilson Gonzalez Ochsenknecht hat ein gehöriges Imageproblem. Dennoch schafft es der Schauspielersohnschauspieler längst in seriöse Filme wie das amerikanische Schwulendrama Stonewall oder den aktuellen Tatort. Erstaunliche Begegnung mit dem Opfer einer Branche, die ihn gleichermaßen groß und klein gemacht hat.

Von Jan Freitag

freitagsmedien: Wilson Gonzalez Ochsenknecht, was genau machen Sie eigentlich beruflich?

Wilson Gonzales Ochsenknecht: (lacht) Ich bin Schauspieler und Musiker, wobei – das ist ja eher so ein Hobby-Ding. Ich bin Schauspieler, mit Leib und Seele, obwohl ich da eher reingewachsen bin, als es von der Pieke auf gelernt zu haben.

Gar keine Ausbildung?

Mit 17 bin ich auf eine Filmschule gegangen, wo ich Schauspiel, Improvisation, Regie, Stand-up, Kamera, Beleuchtung, also alles ein bisschen gelernt hab. Eigentlich ist mir allerdings da erst wirklich bewusst geworden, wie wichtig es für mich ist, am Set zu sein. Ich wusste, dass es für ehemalige Kinderdarsteller ein harter Kampf ist, sich als Erwachsener durchzusetzen. Mir war klar, dass es kein einfacher Weg wird, aber Film hat schon damals alles bedeutet. Ich hab mich mit allem befasst, was damit zu tun hat, sogar Filmgeschichte. Bis heute schaue ich nach Feierabend zwei bis drei Filme am Tag und zwar alles von Hitchcock über Fassbinder und Herzog bis zu modernen Sachen.

Ist das cineastisches Interesse oder Fortbildung?

Beides, schon seit ich denken kann. Mich interessiert bei jedem Film immer auch die Entstehungsgeschichte; deshalb lese ich parallel Biografien der Beteiligten. Ich fress‘ das förmlich in mich rein und sauge die Fähigkeiten meiner Kollegen auf, ohne sie zu klauen. Gary Oldman zum Beispiel achtet darauf, in jedem Film einen anderen Akzent zu haben. Das hat mich dazu animiert, jedem meiner Charaktere eine Eigenheit zu geben und sei es eine Handhaltung.

Was wäre denn die Eigenheit Ihrer Figur in Level X?

Ihre Gier nach Aufmerksamkeit, die sich in ruckartigen Bewegungen und dem Zwang, ständig „Hey“ und „Yo“ zu brüllen, ausdrückt. Das musste ich mir als jemand ohne Internet-Präsenz erst aneignen, auch wenn mir das oft ziemlich seltsam vorkam.

Sie haben keinen eigenen Youtube-Channel?

Um Gottes willen, nein!

Der würde doch super laufen, Sie passen doch bestens in die Zielgruppe…

Nee, mit 27 bin ich dafür doch schon zu alt. Und inhaltlich interessiert sich von der Zielgruppe bestimmt kaum jemand für das, was mich interessiert. Ich krieg schon mit, was im Netz läuft, schaue mir aber lieber einen „Tatort“ an, als stundenlang zu surfen. Und wer 16, 17 ist, will von mir ganz sicher nichts über alte Filme sehen, sondern Schminktipps, wie meine kleine Schwester, Tutorials über Videospiele. Oder eben Pranks wie in diesem „Tatort“, was allerdings auch nichts anderes ist als Versteckte Kamera, nur dass die jetzt ein Smartphone ist und englisch benannt wird, weil alle immer schwer auf international machen.

Das klingt alles ziemlich analog; sind Sie überhaupt ein digital native?

Schon. Ich habe ein gutes Verhältnis zum Internet, zumal es mir meine Fernbeziehung nach Amerika enorm erleichtert und die Nähe zu meiner Familie und meinem Publikum. Wenn ich heutzutage in die 4. Klasse ginge, wo alle nix als ihr Smartphone im Kopf hätten, wäre mein Zugang zum Internet wohl ein anderer, so wie es zu meiner Zeit eben Tamagochi oder Star Wars war, was alle in den Bann gezogen hat. Aber so käme ich ganz gut ohne Internet klar.

So weit wie der Dezernatsleiter Schnabel, der fragt, ob nicht jemand das Internet wieder abschalten könne, würden Sie also nicht gehen?

Die Uhr lässt sich nicht zurückdrehen. Und es herrscht darin ja auch ein ständiger Kampf darum, die richtige Balance zu finden, Grenzen zu setzen, einen verantwortungsvollen Weg zu finden. Nehmen Sie die Musik; als ich angefangen hab, mich dafür zu interessieren, wurde sie überall illegal runtergeladen. Jetzt bezahlen die meisten ihre Downloads und parallel dazu fangen viele wieder an, sich Vinyl zu kaufen. Ich selbst ersetze grad nach und nach alte CDs durch Schallplatten. Daran sieht man: nach einer Phase der Anarchie reguliert sich auch das Internet. Sogar das Dark Web, in dem die Hälfte aller Aktivitäten kriminell ist, bietet Menschen in Diktaturen die Chance, miteinander zu kommunizieren.

Ist das Bild, das der Tatort vom Internet zeichnet, da nicht viel zu negativ? Seine Nutzer sind ja praktisch ausnahmslos durchgeknallte Egomanen oder konsumgeile Gören…

Das ist halt die Krimi-Story, aber gar nicht mal übertrieben. Denn ganz ehrlich: diese Pranks haben auch in er Realität manchmal drastische Konsequenzen. Es gibt sicher auch sehr lustige Streiche, aber die erfordern Feingefühl und Intelligenz, sonst kann man die Opfer echt schwer traumatisieren.

Apropos Trauma: Zu Beginn Ihrer Karriere war der Name Ochsenknecht unter tatkräftiger Hilfe des Vaters sicher ein großes Einfallstor in die Filmbranche. Ist er jetzt eher Hürde oder immer noch hilfreich?

Ach, beides. Mir war nach Wilde Kerle schnell klar, dass es als Erwachsener gewiss nicht einfacher wird, künstlerisch ernst genommen zu werden. Dieses Bewusstsein hat mir von Beginn an geholfen, Höhen und Tiefen richtig einzuordnen. Ich heiße halt nicht Müller. Mittlerweile kriege ich aber viel positives Feedback, gerade für etwas wie Tatort oder einen Punk-Film an der Seite von Tom Schilling.

Ihre erste Hauptrolle als Erwachsener.

Wobei mir Hauptrollen gar nicht so wichtig sind, weil danach ja irgendwann auch nichts mehr kommt. Deshalb kann ich gern noch ein paar Jahre auf den ganz großen Kinofilm warten, alles andere wäre auch arrogant.

Was bringt so eine Rolle als Junger Wilder auf dem Weg dorthin?

Weiß nicht. Einen zehn Jahre jüngeren im Tatort zu spielen ist schon was, aber eigentlich ist meine Rolle ja eher klein. Von daher ist es einfach erst mal ein Charakter mehr auf einem langen Weg vom Kinderstar zum reifen Schauspieler.

Durften Sie überhaupt je richtig Kind sein?

Voll sogar, meine Kindheit war super. Oft natürlich im Campingbus am Set, aber auch das war super. Und zuhause habe ich sowieso immer auf der Straße gespielt, bis ich mit 19 nach Berlin gezogen bin. Der Film hat mir nicht meine Kindheit geraubt, keine Sorte.

Hat er Sie denn frühzeitig erwachsener gemacht?

Das schon eher. Ich habe mich unter Erwachsenen vermutlich viel jünger wohl gefühlt als Gleichaltrige, das prägt. Außerdem hatte ich einfach coole Eltern. Hab ich immer noch.

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