Martin Brambach: 1 Honecker & 4 Hitlers

Täter als Menschen zeigen

Martin Brambach hat sich zu einem der Stars des deutschen Films entwickelt. Warum, das zeigte er zuletzt am Einheitsfeiertag als Titelfigur der halbrealen Wende-Groteske Willkommen bei den Honeckers (zu sehen noch in der ARD-Medieathek). Ein Gespräch über Witzfiguren in der Tyrannei,  seine Jugend unterm Staatsratsvorsitzenden und wie er mal mit drei Adolf Hitlers im Raum saß.

Von Jan Freitag

Herr Brambach, als man Sie gefragt hat, den fast achtzigjährigen Erich Honecker zu spielen – was ist Ihnen da als Erstes durch den Kopf geschossen?

Martin Brambach: Na welche älteren Kollegen haben denn da bitteschön abgesagt…

Und als Zweites?

Habe ich mich sehr gefreut über diese Aufgabe. Schon weil es so ungewöhnlich ist, eine solch bekannte Figur der Zeitgeschichte in ihrer Ambivalenz, also abseits all der Bilder zu spielen, die man von ihr im Kopf hat. Das war nicht nur wegen des Altersunterschiedes spannend.

Also gar nicht so sehr maskenbildnerisch?

Nee, die kriegen ja mittlerweile fast alles hin. Einen alten Mann dramaturgisch glaubhaft zu machen, den dazu auch noch jeder genau zu kennen glaubt – das ist herausfordernd.

Zumal er Sie selbst die ganze Jugend hindurch als Staats- und Parteichef begleitet hat.

Ich bin 1984 als Siebzehnjähriger in den Westen gekommen, aber bis dahin gab es seit ich denken konnte in der Tat nur Erich Honecker da oben.

Was war denn da ihr persönliches Bild von ihm?

Na ja, als er Mitte der Siebziger Staatsratsvorsitzender wurde, hieß es zunächst mal, jetzt gehe es wirtschaftlich aufwärts, und als ich so mit zehn Jahren kurz darauf bei den Jugendweltfestspielen in Berlin war, dachten Kinder wie wir halt schon, alles sei gut. Nachdem ich begonnen habe, mir eine eigene Meinung zu bilden, wurde er allerdings zügig zur Witzfigur, die man nicht richtig ernst nehmen kann.

Wenngleich eine mit teils tödlicher Wirkung…

Und trotzdem war es für die Beschäftigung mit der Rolle wichtig, ihn als jemanden darzustellen, der an das, was er getan, auch wirklich geglaubt hat. Dieser Dachdecker war ja aus tiefster Überzeugung Antifaschist. Das macht Schießbefehl, Umerziehungslager, den Mauerbau nicht besser, aber plausibler. Umso mehr ist bei mir hängengeblieben, dass in Wandlitz nach der Wende eine Pornosammlung gefunden wurde. Da verbietet er den Leuten unter Androhung des Todes, den dekadenten Westen zu sehen, und deckt sich zuhause mit allem daraus ein? Was für eine Pervertierung seiner eigenen Ideale…

Ist die Interpretation Ihres Film-Honeckers also auch persönlich geprägt?

Absolut, gerade die Worthülsen in dieser Stimmlage – das klingt mir noch im Ohr nach und fließt ins Spiel mit ein. Aber natürlich auch das Uneinsichtige, Starrköpfige am Täter Honecker, der Anfang der Neunziger in einem ARD-Interview zum Schießbefehl meinte, niemand sei zur Flucht gezwungen worden. Dennoch wollte ich ihn mit meiner Darstellung nicht denunzieren.

Wird der Film nach 60 eher ulkigen Minuten, in denen der Reporter seine Reise nach Chile vorbereitet, auch deshalb plötzlich so ernst, als Ihr Erich Honecker auftaucht?

Genau. Wir wollten halt keine Karikatur kreieren, sondern den Menschen, der auf der Zielgerade seines Lebens ebenso betrogen wird, wie er zuvor viele andere betrogen hat. Das macht die Komödie am Ende zur Tragödie.

Besteht dabei nicht die Gefahr, dass beim Publikum Mitleid mit diesem gebrochenen alten Mann übrigbleibt?

Die Frage, ob man solche Täter als Menschen zeigen muss, kam ja schon bei Bruno Ganz als Adolf Hitler im Führerbunker auf. Meine Antwort: Man muss! Es waren ja welche. Wenn mir gelingt, Erich Honecker in dieser Ambivalenz darzustellen, sehe ich das demnach als Kompliment. Andererseits geht es auch um einen Reporter, der für sein Ziel alle ethischen Prinzipien über Bord wirft. Mein Mitleid für die Honeckers hält sich zwar in Grenzen, aber da treffen doch zwei sehr fragwürdige Figuren aufeinander.

Können Sie sich an diesen real existierenden Medienscoop erinnern?

Nein. Und ich habe zuerst auch gar nicht geglaubt, dass die Story wahr ist. Dann hab ich aber sogar den Journalisten von damals getroffen. Irre Geschichte! Ich muss allerdings zu meiner Entschuldigung sagen, bis Ende der Neunzigerjahre in Österreich gelebt zu haben; da war es wohl weniger ein Thema, was ein deutsches Magazin abdruckt. Die Wende ist seltsamerweise ein bisschen an mir vorbeigegangen.

Vielleicht auch, weil Sie von der ganzen Sache DDR die Schnauze voll hatten?

Ich wollte die Phrasenhaftigkeit des Systems damals schon möglichst weit hinter mir lassen. Schließlich hat nicht nur Honecker so geredet, als ginge es selbst beim Altpapiersammeln um die Weltrevolution, sondern jeder Staatsbürgerkundelehrer, FDJ-Funktionär oder Volkspolizist. Mit dem heutigen Abstand jedoch finde ich all dies schon wieder spannend.

Wenn man Sie mit kaum 50 einen Mann spielt, der 30 Jahre älter ist – sind den Möglichkeiten als Schauspieler jetzt eigentlich überhaupt noch Grenzen gesetzt?

Nein, keine mehr (lacht laut). So ein Greis ist körperlich wie inhaltlich eine Riesenherausforderung, die aber auch ungemein Spaß macht. Ein echtes Geschenk. Da bleibt mir glaube ich keine Figur der Zeitgeschichte mehr verschlossen.

Gibt es eine, die Sie sich förmlich wünschen?

Ach, da gibt’s so viele, besonders von den widersprüchlichen. Für Deutsche ist es sicherlich am schwierigsten, Faschisten so zu spielen, dass auch Empathie mit ihnen möglich ist. Deshalb ist das – trotz der Masse an Schauspielern, die es bereits versucht haben – nur in den seltensten Fällen geglückt, Adolf Hitler glaubhaft zu machen. Tobias Moretti war mal in Speer und Er ganz toll darin.

Entfacht es da nicht umso mehr Ihren Ehrgeiz, es selber mal zu versuchen?

Ach nee. Aber immerhin hatte ich mal ein Casting, damals bei diesem Film über Rommel, auf dem seinerzeit noch der Heiner Lauterbach saß. Bei dem Termin waren vier Hitlers in Kostüm und Maske – alle völlig verschieden und ich dabei. Ich hatte also meinen Auftritt.

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