Siinai, Sequoyah Tiger, Jonas Alaska

Siinai

Der ganz hohe Norden erstart die meiste Zeit des Jahres im Anmut einer Kälte, die so trocken ist, so beharrlich und streng, dass sie Einfluss auf praktisch alles nimmt, was Menschen dort tun. Man muss sich nur mal einen Großteil isländischer Musik anhören, um die karstige Aura zu verstehen, der sie entspringt. Auch in Finnland gebiert das raue Klima seltsame Soundmuster, von denen Dark Metal besonders eindrucksvoll ist. Ein anderes klingt wie Siinai. Das Quartett aus Helsinki macht instrumentelle Sinfonien von epischer Breite, und ihr neues Album Sykli klingt nicht ohne Grund wie die Quintessenz der beiden Bands, aus denen die Mitglieder stammen: Zebra and Snake und Jonsuu 1685, Synthiewave und Krautrock, nur noch sehr viel flächiger.

Nachdem Siinai bereits zwei Konzeptalben zum Thema Olympische Spiele in Leni-Riefenstahl-Ästhetik und einer hypnotischen Reise durch die Gänge eines fiktiven Supermarktes kreiert hatte, erkunden Sykli nun vorgeblich den Zyklus des Lebens. Und es wirkt dabei ein bisschen, wie Godfrey Reggios berühmte Parabel vom Wechselspiel zwischen Mensch und Natur in Koyaanisqatsi. Fünf dicht gewobene Ambient-Teppiche begeben sich auf die Reise durch unser Innerstes und landen dabei im Geräuschstaubsauger des finnischen Winters. Das Ergebnis ist eine oft fiebrige, meist geruhsame, stets ergreifende Synthie-Epik mit analogen Mitteln, der man sich unmöglich entziehen kann. Der perfekte Soundtrack zur kalten Jahreszeit.

Siinai – Sykli (Svart)

Sequoyah Tiger

Kennt irgendjemand noch die Goombay Dance Band? Das karibisch angehauchte Poporchester aus Hamburg blies Anfang der Achtziger eine schwül warme Urlaubsbrise durchs Traumschiff-Land. Verglichen damit war Easy Listening hart wie Heavy Metal. Warum das an dieser Stelle der Rede wert ist? Weil es ausgeschlossen sein sollte, die Verantwortlichen von Sun of Jamaica zur Referenzgröße einer Tonträger-Empfehlung zu machen. Eigentlich. Denn Sequoyah Tiger mögen nach dem westdeutschen Wohlfühlsound klingen, wenn Steeldrum und Marimba durchs Debütalbum von Leila Gharib aus Verona hallen; und dann schwingen auch noch ihre Landsleute Oliver Onions mit, die einst den Haudrauf-Quatsch von Bud Spencer vertont haben.

Aber natürlich ist da noch viel, viel mehr am fluffig verspielten, großkotzig minimalistischen Parabolabandit, das all dies auf hochinteressante Art und Weise kontrastiert. Ein zappeliger Teppich aus Breakbeats und Kinderzimmerpercussion zum Beispiel, der sich über den vollsynthetischen LoFi-Pop legt wie ein Drumpad auf Speed. Und weil Leila Gharibs verhuschter nachhalllender Gesang einer weiblichen Version von Beck gleicht, wirken die zehn Stücke trotz der fiesen Alleinunterhalteraura oft seltsam ergreifend. Schlechter Geschmack kann so unterhaltsam sein.

Sequoyah Tiger – Parabolabandit (Morr Music)

Jonas Alaska

Ach, wenn Angst doch immer so optimistisch klingen würde wie bei Jonas Alaska, dann hätten wir vielleicht ein paar Sorgen weniger, die der wachsende Freihandel mit diesem Gefühl erzeugt. Auf seinem dritten Album, so haben findige Hörer herausgefunden, enthält jeder der zehn Songs mindestens einmal das Wort “Fear”, was durchaus mit dem depressiven Tonfall zu tun hat, dessen sich der Norweger für sein Singer/Songwriting bedient, das er nicht nur selbst produziert, sondern auch nahezu alleine einspielt. Und ein Stück wie All Coming Down Today verströmt dann auch musikalisch schon mal Trübsinn. Aber ansonsten? Ist Fear Is A Deamon weit weniger verängstigt als der leicht depressive Titel nahelegt. Im Gegenteil.

Jonas Alaska mag die ein oder andere Geige wimmern lassen. Und das Klavier sorgt derart getupft ebenso wenig für Frohsinn wie die Mundharmonika ganz am Ende. Darüber hinaus aber sind seine dahingehauchten Kurzbeschreibungen der Schwierigkeit, unfallfrei durch dieses Arschloch namens Alltag zu kommen, vielfach von schlichtem Glanz mit Hang zum trotzigen Scheißegal. Kiss Me In The Backseat zum Beispiel erinnert eher an eine Powerpop-Therapie als den die nostalgische Wehmut des Textes. Und wenn das vielschichtige Diamond In The Shadow David Bowie seine Referenz erweist, sprüht der getragene Folkpop fast schon Funken. Ein fantastisches Album für den Übergang zwischen Sommer und Winter, bei dem das Herz festen Halt sucht. Hier wird es fündig.

Jonas Alaska – Fear Is A Deamon (Braveheart Records)

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