Autorenausschluss & Fake-Pfarrer

Die Gebrauchtwoche

15. – 21. Januar

Fernsehpreise sind Geschmackssache. Aber dass die Autorin vom herausragenden Zweiteiler Brüder, der im Gegensatz zum Dilemma deutscher Fiktion durchs Drehbuch glänzt, nicht zum Deutschen Fernsehpreis eingeladen wurde, weil die Zahl der Sitzplätze – leider, leider – begrenzt sei, ist an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten. Auch wenn die Organisatoren Ende der Woche zurückgerudert haben und auch die Schreiber reinlassen, wollen wir an dieser Stelle auflisten, wer abseits von Regie, Redakteur, Stars und Produktion für Brüder verantwortlich war: Buch Kristin Derfler, Kamera Roland Stuprich, Ton Peter Tielker, Licht Christoph Pusch, Szenenbild Tim Pannen, Schnitt Marc Hofmeister und vier Dutzend Ungenannte, die allesamt absolut unerlässlich sind fürs Gelingen eines Films.

Absolut unerlässlich für den Bereich Information – nein, das war N24 nie und wird es schon deshalb auch in Zukunft nicht sein, weil die Springer AG ihre nachrichtliche Tochter am Donnerstag in Welt umbenannt hat. Ob Donald Trump dem Kranvergleichskanal unter diesem Titel demnächst mal die Ehre aller seriösen Medien erweist und einen der zehn Fake News Awards verleiht, die gerade an CNN, ABC, NYT gegangen sind, dürfte dadurch kaum gewachsen sein.

Wen es womöglich träfe, wenn man ihn unter seinem wilden Rauschebart noch erkennen könnte, wäre David Letterman. Nach langer Pause ist der Late-Nite-Gott auf den Bildschirm zurückgekehrt, und ganz ehrlich: My Next Guest Needs No Introduction ist nicht so großartig, weil dieser Gast ohne Vorstellungsbedarf Barack Obama heißt, sondern weil Letterman einfach der nonchalanteste Narzisst auf diesem Planeten ist. Und damit perfekt geeignet für die Vielfalt von Netflix, wo zugleich die fabelhafte Coming-of-Age-Serie The End of the F***ing World um zwei unfassbar bemerkenswerte Teenager seinen Anfang nahm, die auch was für Erwachsene ist.

Wie viele unabhängig vom Alter in den ersten paar Tagen eingeschaltet haben, bleibt dank unveröffentlichter Zugriffsdaten unbekannt. Für klassische Sender ein völlig unvorstellbarer Zustand. Bis zur vorigen Woche. Da nämlich fiel hierzulande wegen technischer Probleme die Quotenmessung aus – weshalb manch ein Redakteur auf Entzug seiner liebsten Droge vermutlich dem Wahnsinn nahe war. Besonders bei einem Sender wie RTL, dem die Quote nicht das Ego, sondern auch den Kontostand streichelt.

Die Frischwoche

22. – 28. Januar

Dort startet morgen um 20.15 Uhr der nächste Versuch, irgendwie ulkig die Massen zu erreichen. Quantitativ könnte Sankt Maik das schaffen. Qualitativ hingegen ist der Zehnteiler um den titelgebenden Gauner, der als Pfarrer verkleidet in einem sonderbar leichtgläubigen Dorf Unterschlupf findet, nur Durchschnitt. Und das trotz des Hauptdarstellers Daniel Donskoy, der echt frischen Wind ins Regelprogramm bläst. Ganz im Gegensatz zur US-Serie Gone, die 24 Stunden später abermals fiktional suggeriert, dass beim FBI nur Models und Kriminelle arbeiten. Da lobt man sich doch den skurrilen Realismus eines Josef Hader parallel im Ersten. Mit der famosen Brigitte Hobmeier macht er Die Notlüge um ein Ehepaar, das seine Trennung verschweigt, zu einer kurzweiligen Ausnahme im Komödienallerlei.

Dafür sorgte Bastian Pastewka sieben Staffeln lang unter eigenem Namen, bevor Sat1 die Lust am allerbesten verlor, was humoristisch in Deutschland drin ist. Freitag nun wandert die Serie zu Amazon und siehe da: sie ist noch besser geworden als zuvor! Bierernst kehrt Sharon Stone zurück. In der HBO-Serie Mosaic wird sie 25 Jahre nach Basic Instinct ab heute auf Sky zwar früh ermordet, geistert bei der Tätersuche aber weiter sehr ansehnlich durch eine Künstlerkolonie in den Rocky Mountains.

Was gibt’s noch? Dokumentarisches! Passend zur Debatte um die Verurteilung des greisen SS-Schergen Oskar Gröning zeigt die ARD heute (22.45 Uhr) Hitlers letzte Mordgehilfen, was zwar löblich ist, aber die Frage aufwirft, ob es nicht auch ein paar deutsche Nazis gab, die ihrem Führer beim Morden geholfen haben. Über einige der Opfer berichtet Arte am Dienstag zum Auftakt der Gedenkwoche an die Auschwitz-Befreiung am Dienstag ab 20.15 Uhr. Vor allem das Porträt Vier Schwestern ist da ungeheuer eindrücklich. Das gilt auch für eine Natur-Doku an gleicher Stelle (Montag, 20.15 Uhr): Magie der Moore, ein wunderbarer Langfilm über die Schönheit einer aussterbenden Landschaftsformation. Eher durch harten Realismus besticht da die NDR-Reportage Hudekamp (Dienstag, 0.00 Uhr), in der die Parallelgesellschaft im Plattenbau eines Lübecker Problemviertels skizziert wird.

Vor den Wiederholungen der Woche raten wir noch flugs vom RTL-Eventquatsch Big Bounce am Freitag um 20.15 Uhr ab, bei dem Menschen, Achtung: Trampolin springen. Hui. Dann doch lieber zwei Stunden danach bei der Senderschwester RTL2 Sin City gucken, die irrwitzige Comic-Adaption mit Bruce Willis als Cop in einer Film-Noir-Dystopie von 2006. In einer erst kürzlich vergangenen Gegenwart spielt Hans Weingartners Die fetten Jahre sind vorbei (Samstag, 21.40 Uhr, One) mit den 2004 blutjungen Julia Jentsch und Daniel Brühl als antikapitalistische Revoluzzer in der Klemme. Der Tatort-Tipp kommt mal wieder aus Hessen und läuft Mittwoch um 21 Uhr auch in dessen Rundfunk: Unter uns von 2007 mit dem unvergleichlichen Team Sänger/Dellwo.

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