Vorstandsfrauen & Vorstadtweiber

Die Gebrauchtwoche

29. Januar – 4. Februar

Proporzregeln sind der Tod aller Gerechtigkeit, jeder Kreativität, von Kunst und Kultur insgesamt. Das macht den Deutschen Fernsehpreis verglichen mit dem aus Bayern oder der Grimme-Jury so himmelschreiend. Niemals zum Beispiel hätten eine Vox-Kochshow, eine RTL-Tanzshow oder eine Sat1-Lukeshow gewonnen. Niemals hätte der ausnahmslos brillante Vierteiler Das Verschwinden in weniger Kategorien gesiegt als die Sky-Serie Babylon Berlin, der bei angemessener Berücksichtigung des Verhältnisses von Investment und Output zudem weniger Pokale zustünden als den Low-Budget-Sensationen Hindafing oder jerks.

Und Der große RTL II Politiker-Check wäre in der Kategorie Information nicht mal nominiert worden, weil sie für ARD-Journalisten wie Hajo Seppelt reserviert bliebe, dessen Enthüllung zur russischen Doping-Affäre (trotz eines bemitleidend inkompetenten Interviews mit seinem Sportkollegen Matthias Opdenhövel am Sonntag) erneut gezeigt hat, wie weltbewegend seriöses Handwerk sein kann. Wo Proporz allerdings mehr denn je vonnöten ist: beim Kampf um Gleichberechtigung. Der Spiegel hat hier Die Zeit als Medium mit den meisten Frauen in Führungspositionen abgelöst, wobei 37 Prozent eher lachhaft sind, aber gut – immer noch besser als der Focus, bei dem Männer mit Einfluss nach Erhebungen von ProQuote noch mehr unter sich (90,9%) sind als voriges Jahr (77,1%). Besser auch als Bild, deren allererste Chefredakteurin zurzeit wieder durch einen Kerl ersetzt wird.

Das aber ist alles nicht so schlimm wie im Land der PiS. Jener Partei, die Frauen für Gebärmaschinen hält und Polen nicht nur darum Richtung Faschismus treibt. Das hindert den Vize-Präsident des EU-Parlaments, Ryszard Czarnecki, freilich nicht daran, die Arte-Doku Polen vor der Zerreißprobe als „Nazipropaganda“ zu beschimpfen und die porträtierte Oppositionspolitikerin Róza Thun als „Szmalcownik“, wie man NS-Kollaborateure bis heute nennt. Immerhin: das Parlament in Straßburg wird ihn dafür des Amtes entheben. Ohne Proporzquoten übrigens, sondern einfach, weil sich sein demokratischer Teil darüber einig ist.

Die Frischwoche

5. – 11. Februar

Was dagegen das eherne ARD-Prinzip, jedes noch so vorhersehbare Bayern-Spiel bei Gelegenheit live zu übertragen, mit Demokratie zu tun hat? Weniger als Münchens Tyrannei mit sportlichem Wettkampf. Deshalb ist es mehr als erstaunlich, dass beide Partien, die das Erste Dienstag und Mittwoch vom Viertelfinale im DFB-Pokal zeigt, ohne den Abo-Meister stattfinden. Da drängt sich die nächste Frage zum Thema Leibesübung auf: Was, bitteschön, haben die Olympischen Spiele mit Sport zu tun? Darüber dürften allein ARZDF ab Donnerstag Auskunft geben; der Lizenzgeber Eurosport hat leider zu viel damit zu tun, sein sündhaft teures Premiumprodukt zu feiern, um über Doping und so Zeugs zu berichten.

Vor der Eröffnungsfeier am Freitag, zur interessanten Fernsehzeit um 12 Uhr, gibt es aber noch mehr Positives von der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz zu berichten. Die dritte Staffel der glamourösen, intriganten, bitterbösen Vorstadtweiber etwa, dienstags nach den „Tagesthemen“. Schlicht zu gut, um nicht aus Österreich zu kommen. Intrigen, Glamour, Bitterboshaftigkeit aus den USA gibt‘s zwei Tage später in seiner Urform: Dann startet auf Netflix das Remake vom Denver-Clan, auch wenn es 37 Jahre nach dem Original in Atlanta spielt und (vorerst) ohne Alexis auskommt. Dafür gibt es ein Feuerwerk des Bling Bling, das mit dem staubigen Elitarismus von einst nur noch die Personen gemein hat.

Kurz nach der Dynasty-Premiere 1981 hatte übrigens eine andere TV-Legende das Licht des Flachbildschirms erblickt: David Letterman. Freitag interviewt er bei seiner Rückkehr zum Streamingdienst nun George Clooney, was in jeder einzelnen Sekunde unterhaltsamer zu werden verspricht als Der namenlose Tag nach dem Roman von Friedrich Ani. Im ZDF-Drama um Devid Striesow als Vater, der erst den Suizid seiner Tochter und dann deren Mutter verkraften muss, zeigt Volker Schlöndorff nämlich, dass seine Art introvertierter Regieführung doch besser ins Autorenkino der Siebziger gepasst hat.

Vor den Wiederholungen der Woche noch ein nur scheinbar lokalkultureller Tipp: In Die Höhle von Eppendorf porträtiert der NDR Dienstag um Mitternacht das Onkel Pö, einen Live-Club, der ab 1970 einen Hauch Weltkultur durchs Land wehen ließ, bevor er Mitte der Achtziger geschlossen wurde. Heute beherbergt das Gebäude im Herzen Hamburgs ein Kettenrestaurant. Vier Jahre vor der Öffnung des Pö hatte der schwedische Regisseur Ingmar Bergman eine bis dahin eher unbekannte Schauspielerin für sich entdeckt: Liv Ullmann. Nach ihrem ersten gemeinsam Film Persona (Mittwoch, 23.05 Uhr, Arte) aber, konnten die zwei kaum noch voneinander lassen. In Farbe zurück auf dem Flatscreen des Kulturkanals: Der Vorleser (Montag, 20.15 Uhr), die sehenswerte Verfilmung von Bernhard Schlinks Bestseller mit dem blutjungen David Kross als Titelfigur und Kate Winslet als KZ-Wächterin, die ihr 2008 den Oscar einbrachte.

Den hätte John Malkovitch als John Malkovitch in Being John Malkovitch ebenso verdient. Aber auch ohne die Trophäe zählt Spike Jonzes Husarenritt durchs Unterbewusstsein des Schauspielers von 1999 (Dienstag, 0.15 Uhr, Nitro) zum Kreativsten der Filmhistorie. Zum Besten der Krimigeschichte zählt natürlich Horst Schimanski. In Unter Brüdern ermittelte er 1990 (Montag, 22.15 Uhr, RBB) im Tatort erstmals mit DDR-Kollegen.

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