Matusseks Storch & Picassos Genie

Die Gebrauchtwoche

16. – 22. April

Das Ende diverser Epochen zählt mittlerweile fast zum Alltag der Medien – schließlich steht die alte, auf Papier gedruckte, geldwerte Presse insgesamt zur Disposition. Print? Totgeweiht! Tageszeitung? Totgeweiht! Journalismus? Totgeweiht! Da überrascht es dann gar nicht mehr so sehr, wenn ein Magazin aus der bislang letzten Boomphase des Metiers abschmiert: Die Neon. Nach der Dotcom-Blase als Begleitheft philanthropischer Dotcomblasen-Bläser gegründet, verbuchte es während der Lehman-Pleite Rekordauflagen, die sich seit der Staatenkrise auf mittlerweile 60.000 Hefte geviertelt haben. Nun also wandert der einstige Trendsetter ins Internet ab und hinterlässt die nächste Alterskohorte ohne sinnstiftendes Druckerzeugnis.

Das ist allein deshalb schon bedeutsam, da investigativer Publizismus beharrlich auf zermanschtem Holz zu lesen ist. Davon zeugen nicht zuletzt die Pulitzer-Preise für New York Times oder Washington Post. Ihre Arbeit hat sowohl den Missbrauchsfall von Harvey Weinstein aufgedeckt und damit die #MeToo-Debatte entfacht, als auch die Einmischung Russlands in den Präsidentschaftswahlkampf der USA entlarvt – was den Sieg von Donald Trump bis heute juristisch anfechtbar machen könnte. Kein Wunder, dass er sich mit Glückwünschen für seine Lieblingsgegner bislang zurückhielt. Sind ja bekanntlich alles bloß Fake Media…

Für die hält Österreichs amtierende Regierungspartei FPÖ bekanntlich auch den öffentlich-rechtlichen Sender ORF. Zurzeit kritisiert sie etwa Einseitigkeit in der Berichterstattung über den Wahlsieg des, hüstel, lupenreinen Demokraten Viktor Orbán in Ungarn und fordert wie so oft die ersatzlose Streichung voreingenommener Korrespondenten. Qualitätsoffensive durch Personalkürzung – das widerspricht schon ein wenig jenem „gesunden Menschenverstand“, zu dem der parlamentarische AfD-Rottweiler Beatrix von Storch den einst irgendwie journalistisch tätigen Geistesbruder Matthias Matussek auf ihrem Haus- und Hetzkanal interviewt hat.

Die Frischwoche

16. – 22. April

Ist es nun unsererseits populistisch, vom verbalen Brechdurchfall wenigstens latent antisemitischer Rechtspopulisten auf Artes Themenabend zu Israels 70. Geburtstag am Dienstag überzuleiten? Vielleicht. Aber egal! In Mein gelobtes Land werden fünf Stunden lang alle Seiten des Zionismus beleuchtet – von der Staatsgründung über den Mossad und Tel Aviv bis hin zu Ben Gurions Vermächtnis“ um 0.35 Uhr. Passenderweise zeigt der Kulturkanal tags drauf Der Staat gegen Fritz Bauer um einen Staatsanwalt, der im durchfallbraunen Nachkriegsdeutschland den Skandal unbehelligter SS-Größen aufdeckte und dafür von ganz oben bekämpft wurde.

Dummerweise läuft das beeindruckende Porträt mit Burghart Klaußner als Frankfurter Staatsanwalt parallel zu Bayern Münchnes Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid – eine Gebührengeldvergeudung, die die ARD gottlob zum letzten Mal dazu nötigt, als Mittwochsfilm nur eine Wiederholung zu zeigen (Ein Atem). Niemals verschieben würde das Erste seinerseits die Freitagsschnulze. Nicht mal dann, wenn zugleich der Deutsche Filmpreis 2018 verliehen wird, was dann eben erst um 22 Uhr als Aufzeichnung läuft, weil vorher noch irgendein Mumpitz namens Billy Kuckuck beendet sein muss.

Tags drauf läuft dann vorab ein Biopic auf Arte, mit dem das ZDF Mario Adorf am 2. Mai um 20.15 Uhr einen Herzenswunsch erfüllt. Der 87-Jährige spielt (endlich!) Karl Marx, zumindest den alten. Den betagten Pablo Picasso hingegen spielt kein Geringerer als Antonio Banderas. Nach dem weltweit erfolgreichen Zehnteiler Genius: Einstein! porträtiert National Geographic ab Dienstag zeitgleich in 171 Ländern den wohl berühmtesten Maler in einer opulenten Dramaserie: Genius: Picasso! Mindestens ebenso opulent, aber weitaus fiktiver ist die dritte Staffel des Renaissance-Blockbuster Borgia, den Sky ab Sonntag erstmals in deutscher Sprache zeigt.

Auf irgendwie ganz andere Art und Weise wuchtig ist indes ein Doku-Dreiteiler, den ZDFinfo am Abend zuvor ab 20.15 Uhr am Stück zeigt: Rockerkrieg – die verstörende Milieustudie aus dem Reich der organisierten Kriminalität. Zur Entspannung taugen da am besten die Wiederholungen der Woche. Heute etwa um 20.15 Uhr in Schwarzweiß auf Arte: Ein Platz an der Sonne, das sechsfach oscarprämierte Melodram von 1951 mit Montgomery Clift als Glücksritter, den die Ehe mit der reichen Erbin Angela (Elizabeth Taylor) vorwärts bringen soll. Kurz darauf (23.10 Uhr, MDR; auch am Sonntag, 23.35 Uhr, SWR) dechiffriert Benedict Cumberbatch in The Imitation Game von 2014 die berühmte Dechiffriermaschine der Nazis namens Enigma. Gruselig wird es Dienstag (20.15) auf Tele5, wo sich Nicole Kidman und ihre Kinder im Bann von The Others befinden, die ein altes Landhaus besetzen, gefolgt von Quentin Tarantinos Regiedebüt Reservoir Dogs von 1991. Und der Tatort-Tipp: Die Feigheit des Löwen (Donnerstag, 20.15, WDR) zum Thema Flüchtlinge, sorgsam bearbeitet vom ARD-Empathie-Beauftragen Wotan Wilke Möhring alias Kommissar Falk.

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