Antonio Banderas: Picasso & Málaga

Ich bin Romantiker

Wenn der große Antonio Banderas ab heute auf National Geographic den noch größeren Pablo Picasso spielt, teilen die beiden Weltstars nicht mehr nur ihre Geburtsstadt Málaga, sondern die absolute Hingabe fürs eigene Schaffen. Freitagsmedien hat den leicht ergrauten Hollywood-Star bei der Premiere in seiner alten Heimat getroffen. Ein Interview über die TV-Serie Genius: Picasso!, dessen Verhältnis zu Frauen und warum Banderas einige davon manchmal im Tagtraum trifft.

Von Jan Freitag

freitagsmedien: Antonio Banderas, Sie sind nach Pablo Picasso der berühmteste Sohn Málagas. Gibt es darüber hinaus noch Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und ihm?

Antonio Banderas: [lacht laut] Nein!

Nicht einen?

Ich atme, ich schlafe, ich esse – das war’s.

Haben Sie denn wenigstens einen Picasso zuhause?

Ja, aber nur eine kleine Malerei, kein Gemälde. Dafür müsste ich wohl noch viel, viel mehr solcher Serien drehen.

Wie haben Sie darin dann die persönliche Verbindung zu Picasso hergestellt, um ihn glaubhaft zu spielen?

Ach, das war gar nicht so schwer. Wenn ich als Kind auf dem Weg zur Schule an seinem Geburtshaus vorbeigegangen bin, sagte meine Mutter [flüstert verschwörerisch]: hier wurde Picasso geboren. Jeden Tag. Hin- und Rückweg. Als Kind kam ich also gar nicht drum herum, mich ständig zu fragen, wer dieser Mann war, von dem Mama so ehrfürchtig spricht. Seinerzeit war er der einzige, der es aus unserer Stadt in die weite Welt geschafft hat. Unter derselben Sonne wie er gelebt zu leben, war fast einschüchternd.

Zu einschüchternd, um ihn auch zu mögen?

Wie für alle Málagenions war er mein Held, dem konnte sich niemand entziehen. Aber um ihn wirklich zu mögen, war für mich noch wichtiger, dass er ein Gegner Francos und der Faschisten war.

Könnten Sie seine Kunst denn auch schätzen, wenn es anders gewesen wäre?

Oh, schwierige Frage [überlegt lang]. Vermutlich schon. Ich bewundere ja auch die Kunst von Salvador Dali, der Franco gegenüber zumindest furchtbar gleichgültig war. Dennoch fällt es mir schwer, den Künstler vom Menschen zu trennen. Auch Picasso hatte ja bekanntlich dunkle Seiten, das Verhältnis zu Frauen etwa. Aber das versuche ich so wenig wie möglich zu bewerten; wer seine Figur beim Spielen ständig verteidigen muss, kriegt sie nicht lebendig. Umso wichtiger war es mir, sie in langen Diskussionen zu verstehen.

Diskussionen mit wem?

Dem Regisseur zum Beispiel oder Picassos Tochter Maya. Sie hat mir zum Beispiel in mehreren Gesprächen versichert, was für ein fantastischer Vater er war oder wie innig er seine Heimatstadt, die er mit zehn verlassen hatte, im Herzen trug. Solche Anker haben mir nicht nur die Komplexität dieser Figur erklärt, sondern erneut gezeigt, dass man alle Seiten eines Charakters beleuchten muss, um ihn zu begreifen. Sonst wird er hohl und kommt niemandem nah.

Wird Genius: Picasso! Durch diese Anker zu einer Serie über seine Kunst, seine Person oder seine Epoche?

Sie kennen die Antwort!

Über alles, sicher. Aber mit welcher Gewichtung?

Mit keiner, wirklich! Er führte zu allem, was ihn umgab, intensive Beziehungen – zur Kunst ebenso wie zu Familie, Freunden, der Politik. Dass Paris während seines Aufenthalts dort von den Nazis besetzt war, hat ihn Tag und Nacht umtrieben, aber nie daran gehindert, weiter zu malen, zu lieben, zu sein. Leben und Kunst waren für ihn identisch, er hat da nicht getrennt.

Gilt das auch für Sie?

Oh Gott, wenn ich ja sage, klingt das, als würde ich mich mit ihm vergleichen. Das käme mir nie in den Sinn! Aber gut: ich trenne wahrscheinlich etwas mehr als er. Wobei ich ihn an einer Stelle des Films sagen lasse, seine Kunst sei ihm wichtiger als die Familie. Das kann ich zwar durchaus verstehen, es gilt aber nicht mal annähernd für mich. Auch ich liebe meine Arbeit, bereue es aber bis heute zutiefst, ihretwegen meiner Tochter so wenig beim Aufwachsen beigewohnt zu haben. Picasso hat am Ende ja auch einen hohen Preis für seine Fokussierung auf die Kunst gezahlt. Der einzige Freund, den er am Ende hatte, war sein Friseur.

Als Picasso 1973 starb, waren Sie selbst Teenager. Welche Erinnerung haben sie daran?

Eine seltsame. Franco war noch am Leben, aber nicht mehr so mächtig. An den Universitäten herrschte Unruhe, der Rest des Landes war jedoch ruhig. Alles schien fein zu sein, auch wenn nichts fein war. was Picasso betrifft: Als gleich nach Francos Tod viele Künstler nach Spanien und auch Málaga zurückgekehrt sind, wurde mir bewusst, wie sehr ich es mir gewünscht hätte, dass auch er aus Frankreich kommt und die Strandpromenade entlang spaziert. Warum ist dieser Fucker Franco bloß zwei Jahre nach Picasso gestorben und nicht zwei davor?!

Immerhin kehrt er jetzt ja im Film zurück.

Ja, wir holen es in Genius: Picasso! gewissermaßen nach. Das sehe ich als eine Art emotionales Geschenk von Ken Biller an mich. Und an Málaga. Manche behaupten ja, Picasso habe die Stadt nicht richtig geliebt. Aber das stimmt nicht. Seine Tochter hat mir dazu eine Geschichte erzählt. Als er schon sehr alt war und nach dem Mittagsschlaf versonnen aufs Mehr vor der französischen Küste sah, fragte sie ihn: Papa, bist du in Málaga? Und er sagte: Ja, in Málaga. Ich musste dabei an meinen Vater denken. Weil er Alzheimer hatte, konnte er sich im Alter kaum an die letzten fünf Minuten erinnern, aber ganz genau an seine Kindheit. Vielleicht hoffe ich nur, dass es Picasso ähnlich ging, aber es ist ein schöner Wunsch. Ich bin Romantiker. Und der liebt diese Serie.

Vor der hatten Sie schon länger geplant, irgendwann Picasso zu verkörpern. Was hat Sie an diesem Projekt überzeugt?

Dass mir glaubhaft versichert wurde, es sein kein übliches Biopic, sondern das Porträt jener 33 Tage, in denen er Guernica gemalt hat, wie es dazu kam und was es aus ihm gemacht hat. Denn das Gemälde kam im Augenblick großer Lebenskrisen, in denen ihm auch infolge emotionaler Zerrüttung das Malen schwer fiel. Dorthin musste mich fühlen, das war sehr intensiv.

Fiel es ihnen da am Ende eines Drehtags schwer, von Pablo Picasso in Antonio Banderas zurückzukehren?

Es wurde jedenfalls von Mal zu Mal schwerer. Als ich ihn am Ende der Serie kurz vorm Tod gespielt habe, um halb drei morgens in der Maske, nach Stunden gebeugter Haltung vom Set ins Hotel, wo ich noch ein wenig an der Rolle arbeiten musste und nach der Dusche ins Bett gehen, nur um nach viel zu wenig Schlaf wieder fünf Stunden in der Maske zu sitzen – da hab ich mich in der Tat wie ein steinalter Mann gefühlt.

Ist ein paar Monate nach Drehschluss etwas von Picasso in Ihnen verblieben?

Nicht nur ein bisschen! Erst vor ein paar Tagen hatte ich imaginären Streit mit Françoise Gilot, der Mutter seiner zwei jüngsten Kinder, in ihrer Budapester Wohnung. Seine Freundin Dora Maar nahm mich erst kürzlich nochmals mit in ihr Fotostudio. Ich tauche immer wieder ab in solche Filmszenen. Nichts in meiner Laufbahn war mir je so nah wie Genius: Picasso! und nichts hat mich je so vollständig eingenommen – vom Makeup bis zur kleinsten Geste.

Aber mussten Sie dafür nicht das Genie vergessen, um den Menschen zu spielen?

Absolut. Als Normalsterblicher kann man sich dem Genie nur übers Menschliche annähern; wer es umgekehrt versucht, ist pausenlos in Gefahr, es zu übertreiben, zu überdramatisieren. Außerdem ist das Geniale an ihm bekannt genug.

Sein selbstsüchtiger Umgang mit Frauen allerdings auch. Was halten Sie angesichts der #MeToo-Debatte von seiner notorischen Untreue?

Daran ist für mich wichtig, dass er offenbar keine Frau je gegen deren Willen zu irgendetwas gezwungen hat. Emotional war er zwar oft grausam, aber nie unaufrichtig. Das ewige Kind in ihm wollte Frauen nicht sammeln, sondern keine davon verlieren. Und man darf nicht vergessen: Picasso war wie ein Planet mit enormer Anziehungskraft, um das alle Welt kreisen wollte – egal ob Frauen oder Männer, Kunstsinnige oder Kunstbanausen.

Was glauben Sie – wäre seine Anziehungskraft heute die gleiche um eine ähnliche Karriere zu starten?

Mit seinem Genie und seiner Fertigkeit hätte er jedenfalls noch ganz andere Ebenen der Kunst erobert, Film zum Beispiel.

Mit Ihnen in der Hauptrolle…

Unter Pablo Picassos Regie zu spielen – was für eine unfassbare Idee!

Weitere Interviews und Texte zu Genius: Picasso! auf DWDL
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