Oliver Kalkofe: SchleFaZ & Wixx-Akten

Aus Scheißfilmen Partys

Schon Anfang der Neunziger hat sich Oliver Kalkofe (Foto: kalkofe.de) im brachialen Frühstyxradio einen Namen als Unterhaltungsberserker gemacht, der auch in Sendungen wie Kalkofes Mattscheibe tüchtig austeilt. Jetzt wiederholt Netflix nicht nur seine WiXXer-Parodien, sondern plant eine Fortsetzung der Reihe. Ein Gespräch über Scheinheiligkeit im Fernsehhumor, lieblosen Mist und wie viel Wut noch in ihm steckt.

Von Jan Freitag

freitagsmedien: Oliver Kalkofe, Sie haben nach der Schule eine Ausbildung zum Fremdsprachenkorrespondenten gemacht…

Oliver Kalkofe: Und Wirtschaftsdolmetscher. Ich wusste einfach nicht was ich sonst machen sollte, aber als ich fertig war, wusste ich sehr genau, dass ich das nicht machen wollte.

Wie ist 30 Jahre später Ihr Englisch?

Wenn ich es in der Praxis anwenden muss, fange ich wie alle erstmal an zu stammeln, komme aber zumindest so gut durch, dass ich mir alle Serien im Original ansehen kann.

Dann machen wir einen kleinen Vokabeltest: Was heißt scheinheilig oder heuchlerisch auf Englisch?

Das ist leicht: Hypocritical.

Ist das womöglich ein netteres Wort für Ihre Art Fernsehen, mit dem Sie seit fast 25 Jahren das Fernsehen anderer beurteilen und nicht selten verurteilen?

Im Vergleich zu heuchlerisch schon. Meine Art, übers Fernsehen zu urteilen, ist jedoch eine Art Recycling: Ich nehme was Überflüssiges und erzeuge daraus etwas Verwertbares, mache also aus einem Scheißfilm ‘ne Party. Wenn ich jetzt selber jeden Mist mitmachen würde, wäre das sicher scheinheilig. Aber obwohl auch bei mir Fehltritte dabei waren, habe ich 90 Prozent aller Angebote abgelehnt und Sendungen gemacht, von denen ich überzeugt war. Deswegen trifft überkritisch es besser. Aber man kann ja auch an schlechten Dingen Freude empfinden.

Heißt das, eigentlich mögen Sie all die Sendungen, über die Sie sich oft in scharfem Tonfall erheben?

Man darf sehr wohl schätzen, was man kritisiert. Für die Haltung wird man hierzulande generell gern missverstanden. Ich liebe Fernsehen und bin großer Fan von guter Unterhaltung. Das Belehrungsfernsehen der Siebziger war zwar furchtbar, noch viel weniger möchte aber allerdings verarscht werden. Und genau das tut lieblos gemachter Müll von heute, der mir leidenschaftslos vor die Füße gerotzt wird.

Hingabe reicht Ihnen als Gütemerkmal?

Nein, aber wenn ich bei SchleFaZ bin.

SchleFaZ?

Die Schlechtesten Filme aller Zeiten. Wenn ich da merke, etwas wurde zwar schlecht, aber aus Überzeugung gemacht, weiß ich das durchaus wertzuschätzen. Beim Trash meiner Kindheit wie King Kong gegen Godzilla, mit dem ich die August-Reihe eröffne, spürt man das Herzblut der Macher. Die wollten einen guten Film machen, hatten aber nicht die Möglichkeiten dafür. Ich mag alles, das liebevoll verhunzt wurde wie das meiste von Ed Wood.

Das kann man von der Volksmusik nicht behaupten.

Zu Beginn von Kalkofes Mattscheibe war das völlig zu recht das Hauptobjekt meines Spottes. Aber selbst das hat sich zum Schlimmeren verändert. Und wenn ich mir das Marionettentheater heute ansehe, war das verglichen mit Scripted Reality fast warmherzig. Damals war mieses Programm oft scheinheilig, heute ist einfach nur zynisch. Aus meiner Sicht war Fernsehen früher ein Fluchtpunkt, heute ist es eher Fluchtursache.

Wenn man heute 1000 Leute befragt, mit wie viel Herzblut oder Zynismus Ihre WiXXer-Filme gemacht sind, würde sich das Urteil vermutlich die Waage halten…

Was heißt die Waage: Mattscheibe oder SchleFaZ finden ganz sicher mehr Menschen furchtbar als toll. Aber als Kritiker ist man stets Teil des Kritisierten, sonst fehlt die Eignung zur Kritik. Das legt die Messlatte an mich zwar hoch, aber selbst Meisterwerke werden von Teilen des Publikums geliebt und von anderen verflucht. Mein Ziel ist es, den gewünschten Ausschnitt der Zuschauer zu bedienen. Alle stellt man eh nie zufrieden.

Das klingt jetzt, als sei Ihr Humor eine Art Dienstleistung am Kunden?

Natürlich ist jeder Unterhalter auch Dienstleister. Sonst könnte ich mich auch in Garten stellen und mir selber Witze erzählen. Der Unterschied zu meinem Ansatz besteht darin, dass es mir nicht um Masse geht – sonst hätten wir nicht so etwas Altmodisches wie Edgar-Wallace-Filme persifliert, die Jüngere kaum kennen. Mit dem WiXXer haben wir uns daher nie auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt, aber zugegeben: Weil damals zu viele reingeredet haben, um genau den zu finden, bin ich im Nachhinein mit dem ersten Teil eher unzufrieden. Da war die Angst vorm kommerziellen Misserfolg schon spürbar. Mir ist wichtig, einen Humor zu finden, über den auch ich lachen kann.

Gelingt Ihnen das immer?

Na ja, man lacht über die eigenen Witze schon deshalb irgendwann nicht mehr, weil man sie ja schon kennt. Hinzu kommt, dass ich meine Pointen im Nachhinein oft verbesserungswürdig finde. Aber die grundsätzliche Richtung entspringt schon meinem eigenen Humor. Witze, die ich nicht mag, könnte ich gar nicht erzählen, das wird unglaubwürdig.

Finden Sie die Wixxer-Filme oder auch das Frühstyxradio, mit dem Sie Anfang der 90er Jahre Ihre Laufbahn begonnen haben, heute noch witzig?

Also den zweiten Teil vom Wixxer auf jeden Fall. Und weil Netflix dieses Universum einem jüngeren Publikum zugänglich macht, werden wir es als WiXX-Akten in Form einer Mini-Serie weiterentwickeln.

Ließe sich auch das Frühstyxradio fortsetzen?

Dafür hören die Menschen längst zu wenig Radio. Außerdem wäre das, was damals als unflätig galt im Vergleich zum heutigen Tonfall völlig harmlos. Damals sind Jugendliche freiwillig sonntags um neun aufgestanden, um uns gemeinsam mit ihren Eltern zu hören. So gesehen hat das Frühstyxradio wie auch die WiXXer-Filme Generationen vereint. Und zwar ohne – das ist mir witzig – bloß Randgruppen-Klischees auszuwalzen. Die Bully-Komödien, so unterhaltsam die auch sind, haben ihre Witze zu einem großen Teil über Schwule gemacht.

Wenn man sich jetzt mal Ihre eigenen Generationen betrachtet – was steckt vom jungen Radio-Berserker noch im reifen Fernseh-Veteranen?

Eine Menge. Natürlich werde ich älter, das merk ich vor allem körperlich. Aber wenn ich mir neue Staffeln von Mattscheibe oder SchleFaZ ansehe, bin ich weder sprachlich noch inhaltlich grundsätzlich softer geworden. Auch bei mir stellt sich eine gewisse Altersmilde ein, aber es ist immer noch genügend Wut und Leidenschaft in mir, um ordentlich raufzuhauen.

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