ARD-Arschkriecherei & Amazon-Beats

Die Gebrauchtwoche

5. – 11. November

Es dürfte zwar jeder einzelnen Faser selbst halbherziger Fußballfans widersprechen, aber vorige Woche am Fernseher haben sich viele davon zwei lausige Pokalpartien gewünscht, und siehe da – der Wunsch wurde erfüllt. Am Dienstag gab es ein erbärmlich unattraktives 2:0 der Schongang-Bayern beim Viertligisten Rödingdingsbums. Am Mittwoch dann ein erbärmlich stimmungsarmes 2:0 der Retorten-Leipziger beim Hopp-Gadget Hoffenheim. Beides garniert mit debilem Gefälligkeitsjournalismus aller ARD-Mitarbeiter von Gerd Gottlob bis Gerhard Delling, die es schafften, selbst das halbleere Stadion eines Getränkedosenmilliardärs nicht darauf zurückzuführen, dass sich außer den Jubelpersern der Sportschau niemand Neutrales für Live-Spiele seelenloser Plastikclubs und übermächtiger Serienmeister interessiert.

Ist es also ein betriebswirtschaftlich grundiertes Geben und Nehmen jenseits aller sportlichen Belange oder schlicht öffentlich-rechtliche Arschkriecherei, die der monarchistisch herrschende FC Bayern dann auch noch mit dem Abschied in die neoliberale Super League bestraft, wie vorige Woche von den Sendern der eigenen Geschäftspartner veröffentlicht wurde? Man kann es am Ende so wenig belegen wie den Antisemitismus-Vorwurf, mit dem ausgerechnet der ismen-unanfälligste Moderator des deutschen Fernsehens gerade zu kämpfen.

Aber gut, wer regelmäßig derart klare Kante wie Jan Böhmermann und – ja, für Clicks, aber eben auch für die Sache – bereit ist, sich in jeden noch so wilden Shitstorm zu stellen, kriegt halt naturgemäß neben Wind auch Scheiße ins Gesicht, sieht aber selbst derart angeschmiert glaubhafter aus als ein Julian Reichelt, der sich den Negativ-Preis Goldene Kartoffel vom Verein Neue deutsche Medienmacher immerhin persönlich abholte. Oder als ein US-Präsident, der Hass sät und scheinheilig die Folgen beklagt, wenn sie über Umwege zu rechtsextremistischen Massakern an Juden führen.

Die Frischwoche

5. – 11. November

Passenderweise gibt es dazu heute Abend auf dem ARD-Dokumentarfilmplatz zur Nacht den Antisemitismus-Report 2018 um 22.45 Uhr, dicht gefolgt von der Reportagereihe Geheimnisvolle Orte, die sich um halb zwölf der rekonstruierten Synagoge an der Oranienburger Straße in Berlin beschäftigt. Der eigentliche Höhepunkt des Fernsehabends ereignet sich allerdings zur Primetime. Dann zeigt das ZDF die Ouvertüre des Zweiteilers Der Mordanschlag, namentlich den am damaligen Treuhand-Chef vor 27 Jahren. Hier allerdings heißt Detlev Karsten Rohwedder Hans-Georg Dahlmann – und auch sonst nimmt sich Regisseur Miguel Alexandre einige Freiheiten bei der Fiktionalisierung des Attentats von 1991.

Nach dem Drehbuch von André Georgi erfindet er Terroristen, Polizisten und Bürokraten, die den Thriller aber dennoch zu einem verblüffend wahrhaftigen Schauspiel um politische Gewalt und den Zweifel, der durch ihn überall genährt wird, macht. Nicht nur dank Ulrich Tukur als Opfer und Petra Schmidt-Schaller als Täterin ein sehenswertes Stück Zeitgeschichte. Nach dem heute-journal folgt auf gleichem Kanal dann Jean-Christophe Grangés Vierteiler Die purpurnen Flüsse nach dem gleichnamigen Kinofilm aus dem Jahr 2000, mit ein wenig zu viel Ritualmord, aber großer Spannung und Bildgewalt. Und der NDR zeigt um 23.15 Uhr eine Erstausstrahlung der stilleren Art: Im dänischen Drama Der Charmeur muss der iranische Flüchtling Esmail um 23.15 Uhr für eine Aufenthaltsgenehmigung heiraten – was angesichts der ungewohnt selbstbewussten Frauen schwerer ist als gedacht.

Zwei Tage später (22.55 Uhr) setzt der NDR dann übrigens noch seine Debütfilm-Reihe Nordlichter mit Coming-of-Age-Gruselgeschichte Wo kein Schatten fällt, eine Art Hexen-Sabbat auf Norddeutsch. Hochaktuellen Enthüllungsjournalismus auf Arte-Art gibt es dagegen Dienstag zur besten Sendezeit: Passend zu den Kongress- und Senatswahlen in den USA läuft dort die vierteilige Halbzeitanalyse Mission Wahrheit – Die New York Times und Donald Trump von der preisgekrönten Filmemacherin Liz Garbus. Ebenfalls dystopisch, aber wenigstens fiktional ist die französische SciFi-Serie Ad Vitamin am Donnerstag auf gleichem Kulturkanal. In Doppelfolgen geht es darin sechs Teile lang um eine konfektionierte Zukunft, in der sich die Menschen dem Altern durch Suizid entziehen – bis dagegen revoltiert wird.

Höchst gegenwärtig, darin aber zugleich nostalgisch und futuristisch ist die deutsche Amazon-Serie Beat, in der Regisseur Marco Kreuzpaintner den Nachwuchsschauspieler Jannis Niewöhner in eine radikal verschwitzte Kriminalgeschichte im Berliner Techno-Milieuwirft. Bisschen mehr Club-Kultur à la Café Belgica wäre zwar besser gewesen als bisschen viel Ritual-Morde wie in Saw, aber das ist schon echt modernes Fernsehen mit Anschluss an alle Generatioinen. Dagegen ist die erste Wiederholung der Woche fast schon bieder, aber doch ungeheuer intensiv. In Dominik Grafs halbfiktionaler Ménage-à-Trois Die geliebten Schwestern (Dienstag, 22.10 Uhr WDR) von 2013 steht Florian Stetters Friedrich Schiller zwischen Charlotte (Henriette Confurius) und Caroline (Hannah Herzsprung), also schwer unter Liebesmühen. Noch schöner ist es allerdings, dass die ARD ab morgen um 22.45 Uhr Grafs grandiose Milieustudie Im Angesicht der Verbrechens aus der Kiste holt.

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