Silvies Sexismus & Wirtschaftswunderfrauen

Die Gebrauchtwoche

26. November – 2. Dezember

Fortsetzungen sind momentan noch nicht mal mehr bloß wachsender Teil fiktionaler Unterhaltung, sie entwickeln sich zu ihrer Quintessenz. Das Kino traut sich ja gar nichts anderes mehr als erfolgreiches Massenentertainment zu rererereproduzieren. Und auch im Fernsehen wird gnadenlos ausgewalzt, was – nein, nicht Klasse, aber Masse garantiert.Das muss nun keinesfalls schlecht sein. Wenn Sky demnächst gemeinsam mit der ARD Babylon Berlin fortsetzt, ist schließlich Großes zu erwarten.

Dafür sorgt allein schon die Besetzungsliste der 3. Staffel. Peter Kurth und Matthias Brandt sind zwar aus der Serie gestorben worden. Ende 2019 werden sie aber durch spektakuläre Neuzugänge ersetzt: Ronald Zehrfeld, Meret Becker und Hanno Koffler, Martin Wuttke, Saskia Rosendahl oder Peter Jordan. Womit die A-Klasse der Besetzungsspitze nahezu vollumfänglich beteiligt wäre. Wenn das Erste allerdings jetzt parallel dazu ankündigt, „Charité“ fortzusetzen, täuscht auch der exquisite Cast nicht darüber hinweg, wie quotenbesoffen die ARD hier sündhaft teuer billigen Durchschnitt verstetigt.

Dabei hat der NDR deutlich gemacht, mit wie wenig Aufwand wie viel zu erreichen ist. Vor 46 Jahren wurde Dinner for One erstausgestrahlt und läuft seither Silvester für Silvester für Silvester, längst auch in anderen Dritten Programmen. Wenig Aufwand, viel Ertrag und zwar so groß, dass die deutsch-britische Koproduktion nun endlich auch in England läuft. Das Campbelltown Picture House, eines der ältesten Kinos der Welt, zeigt Freddie Frintons Klassiker und auch die BBC bereits Interesse.

Derweil zeigt RTL, wie man mit richtig wenig Aufwand richtig viel Nichts produziert: die never ending Daily Soap Unter uns wird Mittwoch 6000 Folgen alt. Wie man mit richtig viel Sexismus richtig wenig Haltung zeigt, beweist der gleiche Kanal, wenn er dem Unterwäschemodel Silvie Meis wenige später zur besten Sendezeit ein paar Stunden Reklame schenkt. Im Finale von Sylvies Dessous Models reduziert Heidi Klum für Arme ihre anorektischen Pinup-Girls allerdings nicht durch sprachliche Erniedrigungen auf Alphamännergelüste, sondern durch Zurschaustellung von noch mehr Haut als Germany’s Next Top Model. Wenn Frauen Frauen verachten und das dann auch noch als emanzipiert bezeichnen…

Die Frischwoche

3. – 9. Dezember

Wie befreiend ist dagegen das öffentlich-rechtliche Prinzip, Frauen von früher zu glorifizieren. Am Mittwoch porträtiert die – nebenbei geschlechtervariable – Regisseurin Francis Meletzky die – von Katharina Wackernagel gespielte – Verlegerin Aenne Burda. Und natürlich ist Die Wirtschaftswunderfrau ein retrospektiver Wunschtraum vorauseilender Emanzipation der Nachkriegszeit, als Frauen noch männliche Besitztümer waren. Trotzdem hat der Zweiteiler in drei Stunden mehr Moral als Silvie & Heidi in ihrer gesamten PR-Existenz. Mit der kann man übrigens auch spielen.

Jim Carrey zum Beispiel leidet bis auf ein mehrjähriges Intermezzo ernster Rollen bis heute schwer unterm Image als Grimassenschneider vom Dienst. Ab heute lässt ihn Sky zehn Folgen lang sein eigenes Dasein als Kinderfernsehstar aufarbeiten, der sich von seinem Alter Ego Mr. Pickles befreit. Unter Michel Gondrys Regieschafft Kidding jedoch mehr als den Befreiungsschlag aus einer Schublade. Esist raffinierte Tragikomik für alle Generationen.

Weniger raffiniert, aber immerhin gut besetzt, sind die zwei neuen Krimi-Reihen der Woche. Auf Sat1 geht die viel zu unbekannte Sandra Borgmann als Julia Durant auf Serienkillerjagd, was durch den Episodentitel Jung, blond, tot nicht origineller wird. Die ARD dagegen lässt donnerstags mal wieder im Ausland ermitteln, diesmal mit Roenald Wiesnekker und Gabriela Maria Schmeide als deutsch-tschechisches Polizistenduo im Prag-Krimi. Eieiei. Dabei können ARZDF so viel mehr, wenngleich meist zur lächerlichen Sendezeit.

Am Sonntag läuft im Ersten Eric Friedlers nächste Nischenerkundung namens It must schwing. Das Trüffelschwein des Sachfernsehens stellt darin (23.35 Uhr) die deutschen Gründer des legendären Jazz-Labels Blue Note vor.Montag zuvor läuft um fünf nach zwölf im Zweiten Johannes Lists vorzügliche Sportdoku Tackling Life übers schwule Rugby-Team Berlin Bruisers. Und Freitag setzt der NDR zeitgleich den Anarcho-Talk Geschichte eines Abends mit Lars Eidinger als Gastgeber fort. Das absolute Highlight ist aber die deutsche Netflix-Serie „Dogs of Berlin“. Unter der Regie von Christian Alvart spielt Fahri Yardim darin einen Berliner Cop im Mafia-Milieu, und das ist genau ein Jahr nach Dark erneut ein Niveau, wie es sich das lineare Fernsehen viel zu selten traut.

Dort sind selbst Erstausstrahlungen wie Das Geheimnis der Blumeninsel zum 25. Pilcher-Geburtstag im ZDF Wiederholungen der Woche. Deshalb gibt es von denen diesmal auch nur Katja Riemann als Die Apothekerin anno 1997 nach dem Roman von Ingrid Noll (Montag, 22.45 Uhr, BR). Und natürlich den Tatort, bei dem man am Klassiker Reifeprüfung mit Nastassja Kinski als Lolita von 1977 (Freitag, 22 Uhr, NDR) natürlich nicht vorbeikommt.

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