Elsners Tod & Elstners Talk

Die Gebrauchtwoche

22. – 28. April

Schauspieler kommen, Schauspieler gehen, der Lauf des Lebens macht auch vor Film & Fernsehen nicht Halt. Dennoch wirkte die mediale Nekrologie beim Durchsickern von Hannelore Elsners Tod vorigen Dienstag weniger routiniert als üblich. Der Tagesschau war das gar die Spitzenmeldung wert – so wichtig ist Deutschlands letzte Diva trotz aller Durststrecken dank ihres furiosen Spätwerks. Da zudem Martin Böttcher, dem wir Soundtracks wie Winnetou verdanken, und Ken Kercheval, der es als Cliff Barnes ewig mit J.R. zu tun hatte, gestorben sind, war die Woche ein weiterer Beleg fürs Verglühen eines Lagerfeuers, das in der eigenen Asche als Endlosschleife im Nachmittagsprogramm läuft.

Aber gut, immerhin hat es dafür viele Jahre länger gelodert als The Big Bang Theory, die sich relativ schnell nur noch selbst reproduziert hat. Von daher ist es eine gute Nachricht, dass die grotesk beliebte Endlos-Sitcom im Mai mit Folge 279 endet. Doch keine Sorge: Pro7 wird auch weiter ganze Tage mit TBBT-Wiederholungen zubringen. Also das tun, was RTL seit 1996 mit Cobra 11 macht. „Sage und schreibe 7.200 Fahrzeuge“, halluziniert der Sender in einer Pressemeldung, „fanden in der Kult-Serie bereits ein furioses Ende.“ Und weil der Klimawandel bekanntlich nur ein laues Lüftchen im nächsten Supersommer ist, fordert RTL „Fans dazu auf, es ihren Serienhelden gleich zu tun und ihr Gefährt – egal ob Auto, Mofa, Fahrrad, Bobbycar oder Einrad – in den ultimativen Heldentod in einer Cobra 11-Episode zu schicken“.

Wie angenehm muss das Leben sein, wenn man ihm wie RTL weder Ethik noch Moral zugrunde legt. Anders als Arte zum Beispiel, die ihre bedeutsame Doku Gottes missbrauchte Dienerinnen aus der Mediathek nimmt, weil darin die Persönlichkeitsrechte eines mutmaßlich vergewaltigenden Priesters verletzt werden. So moralisch, so ethisch handeln am Ende nur Sender, die – sagen wir – dem europäischen Gedanken derart große Bedeutung beimessen, dass sie ihm gleich 24 Stunden am Stück widmen.

Die Frischwoche

29. April – 5. Mai

Als Steigerung von 24h Berlin und 24h Jerusalem reist der Kulturkanal Samstag ab 6 Uhr nun durch den ganzen Kontinent und beleuchtet mit 45 Drehteams Menschen in 26 Ländern. 24h Europe betreibt also einerseits gigantischen Aufwand für ein recht kleines Publikum. Andererseits ist das die richtige Antwort aufs Zerbröseln europäischer Ideale. Zumindest ein Teil davon. Der andere heißt Eden und fiktionalisiert das Megathema Migration ab Donnerstag an gleicher Stelle sechs Folgen lang aus multiperspektivischer Sicht aller Beteiligten von Flüchtlingen über Politik, Wirtschaft, Justiz bis hin zu Helfern und Schleppern.

Dramaturgisch ist Dominik Molls Drama nach dem Buch von Constantin Lieb etwas bieder geraten; inhaltlich aber könnte es rechts für Empathie sorgen und links für Pragmatismus sorgen, also journalistisches Unterhaltungsfernsehen im besten Sinne sein. Das gelingt dank einer Prise Sarkasmus auch dem ARD-Mittwochsfilm Big Manni. Mit Hans-Jochen Wagner in der Titelrolle macht Niki Stein aus dem realexistierenden Fall Manfred Schmiders, der Staat und Kundschaft in den Neunzigern mit realnichtexistierenden Horizontalbohrern um Milliarden Mark betrogen hat – eine Wirtschaftsgroteske, die schon deshalb wahrhaftig ist, weil Handlung, Orte, Personen bis hin zum Firmennamen FlowTex unverfälscht bleiben.

Ein Attribut, das auch Deutschlands beliebtestem Frauenversteher anhaftet, aber langsam mal totgeritten sein dürfte, wenn Guido Maria Kretschmer ab heute auf Vox die nächste Lifestyleschulung namens Guidos Masterclass moderiert. Den Überflussstolz, der darin wieder gepredigt werden dürfte, nimmt Arte tags drauf in seiner Doku Die Erdzerstörer ins Visier, wo 200 Jahre Industriekapitalismus beleuchtet werden oder wie Andreas Scheuer sagen würde: 200 Jahre Fortschritt, Kreativität und Anreize. Wem so viel Moral lästig ist, kann sich Freitag ja mit der neuen ARD-Reihe Reiterhof Wildenstein um irgendwas mit Intrigen und Liebe sedieren. Oder zeitgleich Al Bundys früherer Dumpfbacke Christina Applegate dabei zusehen, wie sie in der pechschwarzen Netflix-Komödie Dead to Me zehn Folgen den Tod ihres Mannes verarbeitet. Oder Frank Elstner, wie er mit Jan Böhmermann im neuen Youtube-Talk Wetten, das war’s…? über altes und neues Fernsehen diskutiert.

Alternativen bieten wie immer die Wiederholungen der Woche, zum Beispiel Bryan Singers Halbwelt-Dekonstruktion Die üblichen Verdächtigen (Samstag, 22.05 Uhr, Servus), mit der 1995 ein gewisser Kevin Spacey weltberühmt wurde. Das war die Hauptfigur im Untergang (Sonntag, 20.15 Uhr, Arte) zwar schon vor 2004. Durch Oliver Hirschbiegels Führerbunker-Revue bekam sie jedoch ein menschliches Antlitz. Gleich im Anschluss um 22.45 Uhr zeigt Arte das Biopic Fritz Lang, den Heino Ferch als Forscher seiner eigenen Abgründe in Schwarzweiß verkörpert. Und aus gegebenem Anlass wiederholt der WDR am Dienstag (22 Uhr) den Tatort: Alptraum, in dem Hannelore Elsner 1997 zum zweiten und letzten Mal die Hamburger Kommissarin Lea Sommer spielte.

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