Weltspiegel & Fox News

Die Gebrauchtwoche

9. – 15. September

Nachdem die Medienerde kürzlich kurz ein klein wenig zu wackeln begann, weil das Erste die Live-Übertragung eines Spiels der Handballbundesliga Sekunden vor Schluss angeblich aus Versehen abgewürgt hatte, sorgt das letzte wirklich wichtige Lagerfeuer des massenkompatiblen Fernsehens nun für ein richtig gewaltiges Beben: Wie DWDL berichtet, plant die ARD parallel zum Ende der Lindenstraße, auch den anschließenden Weltspiegel ins Nachmittagsprogramm zu verlegen. Und zwar, so heißt es aus München, um vor der Tagesschau – genau: Sport zu zeigen.

In der dunklen Jahreszeit heißt das also: noch mehr Ski und Rodel auf noch mehr Sendeplätzen. In der helleren Jahreszeit: noch mehr Fußball mitsamt Option, öfter mal ein Handballspiel versehentlich abwürgen zu können. Um diesen Aberwitz zu ertragen, zitieren wir an dieser Stelle kurz aus einer ZDF-Mitteilung zum Thema öffentlich-rechtliche Digitalstrategie: „Der Fernsehrat leitet für das Änderungskonzept der Telemedienangebote des ZDF das nach dem Rundfunkstaatsvertrag vorgesehene Genehmigungsverfahren (Drei-Stufen-Test) ein.“

Puh…

Verglichen mit dieser Art Beamtendeutsch im Unterhaltungssektor ist sogar das völlig sinnlose Herrenmagazin mit dem bemüht ulkigen Titel Joko Winterscheidts Druckerzeugnis, kurz – Achtung, Prust: JWD, das G+J zum Jahresende einstellt, funkensprühender. Oder wahlweise die ehemals richtungsweisende Programmzeitschrift TV Spielfilm, deren hervorstechendstes Merkmal es die meisten der 27 Jahre am Markt war, laszive Frauen ohne tieferen Inhaltsbezug mit Nimm-mich-Blick überm fotoshopgeglättetem Dekolletee aufs Cover zu setzen. Als die Funke Mediengruppe das frühere Premiumprodukt der Verlagsgruppe Milchstraße unlängst vom Zwischennutzer Burda gekauft hatte, war klar, dass es Konsequenzen für die Redaktion in Hamburg haben würde.

Jetzt aber sickert durch, dass gut 50 Festangestellten gekündigt wurde, was –analog zur Ankündigung von Mathias Döpfner, im Zuge der KKR-Übernahme nun doch massenhaft Stellen abzubauen – wiederum viel übers TV-Segment aussagt. Derzeit setzt das Flaggschiff der linearen Programminformation alle zwei Wochen nämlich ganze 677.000 Hefte ab. Klingt verglichen mit Tageszeitungen gewaltig, ist aber nur ein Viertel des Allzeithochs vor 20 Jahren. Im verglühenden Lagerfeuer Glotze geht also auch den Programmis langsam der Sauerstoff aus.

Die Frischwoche

16. – 22. September

Jenen Couchtisch-Utensilien also, auf denen ältere Zuschauer noch immer erfahren, dass der beliebteste realfiktionale Mediziner Deutschlands ab heute im Ersten eine neue Sendung hat. Sie heißt Hirschhausen im Hospiz, und begleitet den netten Eckart um 20.15 Uhr ins Sterbehaus, was wirklich ergreifend ist, aber auch ziemlich altbacken. Nominell gilt das zwar auch für den Mittwochsfilm Hanne; da die Titelfigur einer Sekretärin, die Stunden nach ihrer Pensionierung ein Krebsdiagnose erhält, von Iris Berben gespielt und das vermeintlich letzte Wochenende vor der Gewissheit von Dominik Graf inszeniert wird, ist Hanne indes absolut umwerfend – geschlagen nur von einer Reihe herausragender Serien.

Abgesehen von Jodie Whittaker als erster Doctor Who nach 54 Jahren, ab morgen um 20.15 Uhr auf One, oder dem spanischen Achtteiler El Hierro um eine ermittelnde Richterin auf der gleichnamigen Kanaren-Insel (Donnerstag, 20.15 Uhr, Arte), sind das aber wie so oft Streaming-Produkte. Staffel 2 von Matt Groenings Fantasy-Groteske Disenchantment zum Beispiel, die am Freitag bei Netflix zeitgleich zur beeindrucken Anthology-Serie Criminal startet, in der Ermittler-Teams aus Deutschland, Spanien, England und Frankreich kammerspielartige Verhörsituationen in identischer Kulisse simulieren – zum Auftakt mit dem grandiosen Peter Kurth als Verdächtiger eines deutsch-deutschen Mordfalls unter der Regie von Thomas Hirschbiegel.

Morgen dann setzt Sky den Neo-Western Tin Star mit Tim Roth als Kleinstadtsheriff fort und tags zuvor die Unternehmer-Saga Succession, während parallel dazu ein echtes Highlight startet: The Loudest Voice. Russell Crowe spielt darin sieben Teil lang den Fox-News-Chef Roger Ailes mit einer rechtspopulistischen Wucht, die bei aller guten Unterhaltung auch Angst macht. Was im Gladiator steckt, wusste man allerdings schon, als er für die erste Wiederholung der Woche 2002 fast den Oscar gewonnen hatte: A Beautiful Mind (Sonntag, 20.15 Uhr, Arte). An gleicher Stelle heute Abend noch immer sehenswert: Die Sieger, ein Frühwerk von Dominik Graf um Herbert Knaup als SEK-Polizist, der einem angeblich toten Phantom nachjagt. Und der Tatort-Tipp ist diesmal ein Polizeiruf von 1991, in dem Schimanskis Partner Thanner (Eberhard Feik) Sonntag (22.45 Uhr, 3sat) von Duisburg nach  Berlin wechselt.

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