Moon Bros, Dirty Projectors, Throbbing Gristle

Moon Bros.

Es gibt Gründe, kurz vor Weihnachten kein Album rauszubringen. Die wichtigsten: Das Publikum ist auch musikalisch in Feststimmung und legt in der Regel, zweitens, nur dann mal Schallplatten auf den Gabentisch, wenn es sich um Mainstreamsuperstars handelt. Für Moon Bros. gilt weder das eine noch das andere – und doch irgendwie beide zugleich. Denn das Lagerfeuerprojekt von Matthew Schneider mag zwar alternative sein, klingt in seiner warmen Westernhaftigkeit aber so massenkompatibel, dass es prima unter jeden Weihnachtsbaum Arizonas passt.

 

Mit vielschichtigem Folkpicking, gelegentlich hindurchwehender Steelguitar und einer Mundharmonika, die sich immer wieder wie ein Schwarm Vögel auf die Stromleitung darüber hockt, klingt der begleitete Solist aus Chicago genau, wie der Titel seiner neuen Platte: The Easy Way Is Hard Enough. Die verschrobene Leichtfüßigkeit seiner Arrangements wirkt zwar, als habe Neil Young ein bisschen am Soundtrack von Löwenzahn gefeilt; zugleich aber sind die sieben meist instrumentalen Stücke so virtuos und dabei gefühlvoll, dass sie auch unterm Christbaum funktionieren. So als alternative Alternative.

Moon Bros. – The Easy Way Is Hard Enough (Cargo)

Dirty Projectors

Und weil die Tage vor Weihnachten so arm an Neuveröffentlichungen sind, kann man ausnahmsweise mal ein Live-Album empfehlen. Wobei “Live” hier nicht im Sinne von “Konzertmitschnitt vor Publikum” zu verstehen ist. Denn im Rahmen der Domino Documents Sessions hat sich der Singer/Songwriter Dave Longstreth mit einer Reihe befreundeter Musiker*innen ins Manhattener Studio PowerStation gestellt und die Songs der letzten Tournee seines Hauptprojektes Dirty Projectors live-on-tape eingespielt.

Das Ergebnis ist ein akrobatischer Kopfstand mit Bodenhaftung. Sind karibisch angehauchte Funk- und Pop-Elemente sonst eher Teilaspekte des rockigen Sounds der Dirty Projectors, dreht sich das Verhältnis in Sing The Melody um. Schon das ulkig kratzende Right Now klingt mit viel Soul und etwas Kazoo zum Auftakt, als würde Pharrell Williams mit Ween den alten James Brown covern. Spätestens, wenn überm Motown-Gesang von That’s A Lifestyle plötzlich die Prince-Gedächtnis-Gitarre jault, sind wir allerdings zurück in Longstreths Independent – und gehen mit einem Lächeln ins neue Jahr.

Dirty Projectors – Sing The Melody (Domino)

Reissue der Woche

Throbbing Gristle

Damit dieses Lächeln nicht zu weihnachtlich wird, unterwandern wir jeden Anflug von Festtagslaune mal mit der Unterwanderung tradierter Hörgewohnheiten schlechthin: einer digital überarbeiteten Fassung dreier Spätwerke des dystopischen Antipopkollektivs Throbbing Gristle, für die sich Chris Carter, Peter Christopherson, Genesis P-Orridge und Cosey Fanni Tutti 23 Jahre nach dem Ende ihres legendären Projektes nochmals ins Studio begeben. Nun würden viele gewiss sagen, Part Two: The Endless Not, TG Now und A Souvenir of Camber Sands waren doch schon 2004 zu krank, um aufs Publikum losgelassen zu werden. Stimmt ja auch. Trotzdem sind solche Reissues (PIAS) die perfekte Antwort auf weihnachtliche Hirnsedierung und mindestens als Wachmacher schwer zu empfehlen.

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