Balbierte Thüringer & krasse Teens

Die Gebrauchtwoche

3. – 9. Februar

Nachdem das ZDF bereits die Übertragung der Goldenen Kamera beendet hatte, wendet sich die ARD nun vom Bambi ab – zu offensichtlich ist die künstlerische Irrelevanz beider Preise, zu offensichtlich auch der Werbecharakter beider Veranstaltungen. Und dann waren die Einschaltquoten auch noch Jahr für Jahr tiefer in den Keller gerauscht. Fehlt eigentlich nur noch das Ende der Live-Schalten zu jedem noch so unbedeutsamen PR-Kick des FC Bayern, dann wird das öffentlich-rechtliche Showfernsehen vielleicht irgendwann mal unabhängig.

Im heute-journal bringt Marietta Slomka den faschistisch intronisierten FDP-Mann Thomas Kemmerich mit einer Kanonade kluger Fragen in Erklärungsnot, der ARD-Brennpunkt muss wegen des DFB-Pokals trotz aller Dramatik leider mit neun, statt der üblichen 15 Minuten auskommen, Martin Schulz zeigt mit seiner achtmaligen Wiederholung der altbackenen Redewendung, irgendwer habe irgendwen über den Löffel balbiert, warum junge Menschen in Scharen Grüne statt Sozis wählen, Alice Weidel grinst eine Therapiesitzung bei Anne Will wie ein Honigkuchengoebbels und Dieter Nuhr setzt in geistiger Verwandtschaft Nazis mit Linken gleich, die er fast noch asozialer findet als Greta Thunberg – die Tage nach dem Dammbruch von Erfurt, der ja erstmal nur ein Tabubruch war, hallten auch in den Medien nachhaltig nach.

Und zwar so heftig, dass Dieter Nuhrs Populistenbuddies von Donald Trump, dessen fortgesetzter Betrug immer mehr zur Machtverfestigung führt, bis hin zu Boris Johnson, der kritische Medien wie die BBC dadurch aufs Korn nimmt, dass er die strafbare Unterschlagung der Rundfunkgebühr künftig entkriminalisieren will, ins Hintertreffen geraten.

Die Frischwoche

10. – 16. Februar

Aber gut, ist ja auch – Tättääh – bald Karneval. Weshalb die Öffentlich-Rechtlichen alle Nicht-Närrinnen und Narrhalesen bereits zwei Wochen vorm Rosenmontag permanent mit Kalauerkanonaden auf allen Kanälen quälen. Dabei gibt’s die besten Kalauer aus deutscher Herstellung bei (kauft nicht bei) Amazon Prime, das sich 2017 bekanntlich Pastewka unter den Nagel gerissen hat. Weil die ursprünglichste aller fakefiktionalen Fremdschamserien zuvor bereits zwölf Jahre bei Sat1 lief, ist es mit der aktuell zehnten Staffel, nun aber auch mal gut.

Freitag startet derweil der erste deutsche Netflix-Film. Wie nicht anders zu erwarten, zeigt Isi & Ossi der linearen Konkurrenz, wie man Jugendkultur auch ohne Peinlichkeit in gute Fiktion verwandelt. Oliver Kienles (Bad Banks) Geschichte einer Milliardärstochter (Lisa Vicari), die sich vom Jet Set genervt in die Unterschicht des Boxers (Dennis Mojen) begibt, ist nach eigenem Buch gleichermaßen humorvoll, empathisch und real – also das Gegenteil der US-Abenteuerserie Blood & Treasure, in der ein schöner Ex-Spion mit einer noch schöneren Meisterdiebin ab Freitag (20.15 Uhr, K1) im Indiana-Jones-Stil Schätze jagt. Zum Auftakt natürlich irgendwas mit Pyramiden.

Das ist unterhaltsam, bunt, aber so egal, dass die Überleitung zur Realität leicht fällt. Morgen zum Beispiel die Dokumentation Gulag, in der Arte ab 20.15 Uhr drei Teile am Stück das sowjetische Lagersystem 1917-1957 seziert. Oder Carsten Binsacks Kindesmissbrauchsanalyse Dunkelfeld, die Donnerstag auf Info zweierlei tut: einen Zivilisationsbruch aufzuzeigen, der erstens alle Teile der Gesellschaft betrifft, und all diese Teiel zweitens in ihrer Ein-Herz-für-Kinder Ignoranz vereinigt. Eine Ignoranz, die zur Wir-waren-aber-auch-Opfer-Mentalität passt, mit der gerade an die Bombardierung Dresdens vor genau 75 Jahren erinnert wird.

Als erste Wiederholung der Woche also eine Empfehlung zum Abgewöhnen: Roland Suso Richters Exkulpationsmelodram Dresden (20.15 Uhr, MDR), in dem Fee Woll kurz vorm Sommermärchen zwischen zwei Männern das Märchen erzählte: klar, waren echt scheiße, die Nazis, aber eigentlich, Ehrenwort, waren ja fast alle dagegen. Bei so viel geschichtsklitterndem Sulz empfiehlt sich Mittwoch (22.25 Uhr, 3sat) Francois Ozons zehn Jahre jüngeres Schwarzweißmeisterwerk Frantz mit Paula Beer als Kriegerwitwe des 1. Weltkriegs, die sich in einen französischen Erbfeind verliebt. Zwei Stunden zuvor entführt uns Bienzle und das Narrenspiel in die schwäbische Fassnacht von 1994, womit der Tatort den Karnevalskreis schließen darf.

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