Malena Zavala, The Rhymes, Fiona Apple
Posted: April 17, 2020 | Author: Jan Freitag | Filed under: 5 freitagsmusik |Leave a comment
Malena Zavala
Culture Clash ist ein Kampfbegriff, der die tendenzielle Unvereinbarkeit verschiedener Kulturkreise aus kulturpessimistischer Perspektive beschreibt. Bei zwei wie denen aus Argentinien und UK könnte der Zusammenprall da schon wegen der kriegerischen Vergangenheit um die Falkland-Inseln also kaum größer sein. Ach wie gut, dass es den Pop gibt, mit seiner enormen Saugfähigkeit samt der Eigenart, Differenzen gleichsam unsichtbar und präsentabel zu machen – schön vereint in Malena Zavala, der argentinischen Tochter italienischer Eltern aus dem ziemlich englischen Hertfordshire.
Ihr zweites Album La Yarará ist ein Mashup beider Biografien, und nein – sie vermischt darin weder Tango noch Britpop. Das Geheimnis dieser cremig gerührten Emulsion aus Südamerika und Nordeuropa ist, dass die Bestandteile eher atmosphärischer als formalistischer Natur sind. Klar, Malena Zavala singt abwechselnd Englisch und Spanisch. Aber die Einflüsse scheinen oftmals eher afrikanischer, karibischer, mittelwestlicher Natur zu sein. Das Auftaktstück What if I klingt daher ein bisschen, als habe sich Madonna mit Sade zum Früchtetee in der Cumbia-Disco verabredet.
Malena Zavala – La Yarará (Yucatan)
The Rhymes
Ob es am Mangel lateinamerikanischer Einflüsse liegt, dass ausgerechnet die winterdunkelheitsgeplagten Menschen in Schweden eine Art Britpopgen im Chromosomensatz haben? Tatsache ist: seit Abba den Pop einst endgültig zum Milliardenbiz machten, scheint er ohne skandinavischen Einfluss kaum vorstellbar – zumindest, solange er sich sein heimisches Ideom verkneift, mit dem selbst Abba anfangs nur lokalen Erfolg hatten. The Rhymes heißen demnach nicht nur so, sie singen auch auf Englisch, und das in einer Weise, die wie so vieles dort spielend britischen Ursprungs sein könnte. Sie kommen aber nun mal aus Uppsala.
Umso weniger muss man acht One-Two-Three-Four-Überwältigungsharmonien für die Neuerfindung des Gitarrenrocks halten. Dank der ergreifend zerriebenen Stimme des politisch aktiven Sängers Tomas Karlsson, der sich lange als Stadtrat für die Rechte seiner LGBTQ-Community einsetzte, durchweht das selbstbetitelte Debütalbum allerdings eine Androgynität, die sich auch im flamboyanten Bühnenoutfit jenseits genretypischer Breitbeinigkeiten widerspiegelt. Zusammen mit dem Stagedivepowerpop sorgt das für eine Indifferenz, in der selbst die saftigen Gute-Laune-Liebes-Lyrics nicht weiter stören.
The Rhymes – The Rhymes (The Rhymes REC.)
Hyle der Woche
Fiona Apple
Was, die gibt`s noch? Wer als Musiker*in so was zu hören kriegt, ist im besten Fall schon sehr lange im Geschäft, im schlechteren schon zu lange. Im Fall Fiona Apples kommt erschwerend die Frage hinzu: war die New Yorkerin nicht schon relativ bald nach ihrem Debüt als Teenager vor 25 Jahren leicht außer Mode? Mitte der Neunziger war ihr verschrobener Avantgardepop ja eher was für Feinschmecker als Schweinebratenfans, fiel aber in den Epochenbruch feministischer Infiltration des Rock’n’Roll, der im härten Segement von Riot Grrls betrieben wurde, im filigraneren von Heather Nova, Anni di Franco, eben Fiona Apple. Wer sich das neue Album anhört, merkt jedoch schnell: Es ist keinesfalls von gestern, im Gegenteil. Fetch The Bolt Cutters (Sony) klingt im Aufwind reaktionärer Populisten nach einem Sturm retrofuturistischer Selbstermächtigung, die nichts mehr braucht als den dekonstruktistisch jazzigen, hinreißend organischen Theaterpop von Kämpferinnen wie dieser.