Sharratt/Kom, Car Seat Headrest, Joan Wasser

Ariel Sharratt & Mathias Kom

Ti-Ming is not a city in China. Klingt abgeschmackt, passt aber aufs neue Album des urbanen Folkduos Ariel Sharratt & Mathias Kom, das mit Never Work den Soundtrack zum 1. Mai liefert. Ihr betörend unspektualärer Doppelstimmengesang aus der Tiefe eleganter Ödnis klingt rein musikalisch zwar viel zu lieblich für die revolutionäre Erhebung am Kampftag. Inhaltlich aber stammen die dadaistischen Texte aus den Ecken siutationistischer Persiflage: wunderbar aufrüherisch, ohne Wut zu schnauben.

Wenn die zwei New Yorker in Rise up Alexa die Computerstimme der Ausbeutungskrake Amazon zur Selbstbefreiung auffordern oder ihrem Blockwart Bezos in Two Jeffs lyrisch die Leviten lesen, rieselt Goldstaub aus jedem der zehn Stücke. Und weil die Künstler*innen dahinter beschwingt vor sich hin plappern, als wären sie The Moldy Peaches, kann man sich mit seinem Hass auf die Verhältnisse herrlich dazu in die Hängematte legen und dem Untergangs mit Bier in der Hand entgegendösen.

Ariel Sharratt & Mathias Kom – Never Work (BB*Island)

Car Seat Headrest

Will Toledos Leben als Songwriter ist auch, wenn es gelegentich so scheint, kein richtiges im falschen, sondern ein verzögertes im zeitgemäßen. Knapp ein Dutzend Platten lang ackert sich der Solokünstler aus dem Grungedorado Seattle abseits großer Bühnen als heimliche Wiedergeburt von Peter Gabriel ab und hat dafür Songs kreiert, die besonders in der Bandformation Car Seat Headrest klingen, als krieche dessen Avantgardepop in einer defekten Zeitmaschine vorwärts.

Auch auf der neuen Platte Making A Door Less Open gießt Peter Toledo ein Dressing aus Beck’schem Sprechgesang über kafkaesken Radiohead-Salat, das für HipHop zu desinteressiert ist und für Rock offenbar zu faul. Weil das Album aber in zwei Schritten erst analog, dann digital erstellt und sodann wild verrührt wurde, ist die ausgestellte Anteilnahmslosigkeit der maximalste Minimalpop dieser Zeit, scheinbar schüchtern, schillernd schön.

Car Seat Headrest – Making A Door Less Open (Matator)

Joan As Police Woman

Alles Attribute, die nicht nur auf Joan Wasser zutreffen, sondern förmlich für sie gemacht zu sein scheinen. Nahezu alles, was sie seit ihrem Debüt als Joan As Police Woman vor 15 Jahren macht, ist schließlich in aller Zurückhaltung schillernd schön. Und das gilt sogar dann, wenn die gelernte Violinistin aus Maine auf eigenem Label die Stücke anderer interpretiert wie zuletzt 2009, auch das ein kleines Meisterwerk. Wie jetzt Cover Two.

Dass sie nicht nur gut kopiert, sondern neu interpretiert, ohne den Wesenskern der Originale zu verleugnen, zeigt bereits der Opener Kiss. Als Cover vom Cover schimmert die flamboyante Version des seligen Prince zwar hindurch, gibt aber auch der Urversion von Tom Waits Raum und verbindet beides zu dekonstruktivem Postpop, der auch aus den Variationen von Blur über TalkTalk bis hin zu Outkast oder The Strokes spricht: Unverkennbares Rohmaterial, mit Frischwasser vermischt.

Joan As Police Woman – Cover Two (Sweet Police)

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