Drab City, Jules Ahoi, Sammy Brue

Drab City

Wenn ein Album von der ersten Sekunde an Kopfschmerzen bereitet, ab der zehnten ergänzt um bohrendes Zahnweh, was bis zur 87. in gesamtkörperliches Unwohlsein mündet, das auch der Beginn des zweiten Stücks bestenfalls mildert, wo befinden wir uns dann – auf Ibizia Ende Juli? Am Tor des Schlagerpurgatoriums? In Tom Waits’ Panic Room? Falsch, beim Plattendebüt von Drab City. Und es zeigt, selbst höllisches Leid kann himmlisch gut klingen.

Die beiden Berliner*innen Asia und Chris zeigen sich nämlich als Konfrontationstherapeutinnen musikalischer Schmerztherapien. Ihr wattierter Mix aus Dreampop, Psychobeat und dissonantem Krautwave verklebt zwar flugs den Kopf, befreit ihn aber sogleich mit einem Lösemittel aus irritierenden Gitarrensoli, Lofi-Punk und Asias bekifften Brigitte-Bardot-Gedächtnis-Gesang. Good Songs for Bad People – ein Fiebertraum zum Wohlfühlen.

Drab City – Good Songs for Bad People (Bella Union)

Jules Ahoi

Das Problem leicht larmoyanter weißer Singer/Songwriter allein mit ihren Lagerfeuergitarren auf Barhockern in riesigen Hallen ist ja bekanntlich, dass sie leicht larmoyante weiße Singer/Songwriter allein mit ihren Lagerfeuergitarren auf Barhockern in riesigen Hallen sind, also auf fremdschamheischende Art und Weise massenhaft bei sich. Dass der Niedersachse Jules Ahoi mal nicht aus UK kommt, ab und an Autotunes in seinen Folkpop rührt und auf Fotos schon mal mit Baseballschläger posiert, macht das nicht unbedingt besser. Dass er dabei klingt wie der Missing Link zwischen Passenger und Jamie T schon eher.

Sein neues Album Dear ____ ist nämlich zum Glück ein bisschen wuchtiger als die zwei vorherigen, ohne dabei schon im Orchestralen von Mumford & Sons zu landen. Er ist also immer noch sehr weiß, trotz Begleitband sehr allein, also sehr sehr bei sich. Und die 15 Songs über Liebe, Isolation, Andersartigkeit und so Sachen bemühen zwar ein Instrumentarium von Drums bis Piano und lassen die Gitarren schon mal elektrisch scheppern; sie sind aber doch überwiegend von einer androgynen Innerlichkeit, die seine Emotionen aufrichtig mitfühlen lässt.

Jules Ahoi – Dear ____ (Moon Blvd. Records)

Sammy Brue

All das gilt gewissermaßen auch für Sammy Brue, wenngleich mit völlig anderen Mitteln. Dem Folk nur noch am Rande artverwandt, macht der Singer/Songwriter aus dem Hipsterhotspot Portland eher Punk mit einer gehörigen Beimengung Country und Western, was in den lauteren Momenten fabelhaft nach Bands wie Giant Sand klingt. Besonders in den (eher wenigen) leiseren aber klingt es nach gar nichts Spezifischem außer seiner ulkigen Ausstrahlung. Mit Nerd-Brille, Beck-Aura und Westcoast-Slang ist sein zweites Album vor allem echt weird.

Weird im Sinne von unkonventionell und überraschend, nicht im Sinne von unzugänglich oder durcheinander. In seiner verstiegenen Klangfarbe zu singen – schön zerkratzt, aber durchaus vielschichtig – schimmert auf Crash Test Kids zwar permanent ein Anflug von Satire mit. Uptempo-Stücke wie Teenage Mayhem oder der fantastisch skurrile Bombast-Pop Skatepark Doomsday Blues allerdings sind dann doch instrumentell zu virtuos, um nur als verspielter Blödsinn durchzugehen. Da kann noch was draus werden, Sammy Brue.

Sammy Brue – Crash Test Kid (New West Records)

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