Verrückte Onkel & deutsche Barbaren
Posted: October 19, 2020 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |2 Comments
Die Gebrauchtwoche
12. – 18. Oktober
Vermeintliche Fake News können ganz schön gut recherchiert sein. Savannah Guthrie, promovierte Juristin in Diensten von NBC, wies Donald Trump beim Distanzduell gegen Joe Biden am Donnerstag nicht nur jede seiner Lügen nach, sie hatte dafür auch stets die passenden Dokumente parat, um den Kernsatz ihrer Moderation zu unterfüttern: „Sie sind der Präsident, und nicht irgendein verrückter Onkel, der jeden Schwachsinn retweeten kann.“ Das ist er natürlich doch und könnte damit sogar die Wahl gewinnen. Trotzdem lieferte Guthries Dialektik einen Beleg dafür, wie wichtig seriöse Medien in Zeiten des Wahnsinns sind.
Das haben zum Glück auch die Menschen in Deutschland begriffen und danken es besonders dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit gestiegenem Vertrauen von aktuell 80 Prozent, während immerhin zwei Drittel einer Umfrage den Medien generell Verlässlichkeit attestieren. Wenn Mark Zuckerberg wie angekündigt ernst macht und Antisemitismus nach jahrelanger Bigotterie endlich verbannt, könnten selbst Internet-Portale demnächst einen Glaubwürdigkeitsvorschuss erhalten.
Dass Facebook und zwischendurch auch Twitter einen tendenziös (un)recherchierten Text der konservativen New York Post über Joe Bidens angeblichen Amtsmissbrauch zugunsten seines Sohnes Hunter in der Ukraine blockiert haben, mag Donald Trump zwar schrecklich finden; nüchtern betrachet, steht es für einen Sinneswandel profitorientierter Plattformen zugunsten des Journalismus. Dass dem auch bei Privatsendern mittlerweile Bedeutung beigemessen wird, belegte am Mittwoch übrigens der Bayerische Fernsehpreis an Thilo Mischkes Reportage Deutschee an der ISIS-Front. Vom Rest der Preisträger hingegen wollen wir – Stichwort Club der singenden Metzger lieber schweigen.
Die Frischwoche
12. – 18. Oktober
Und uns den Kandidaten der Verleihung 2021 zuwenden – von denen diese Woche abgesehen von der 3. (und besten) Staffel Babylon Berlin nichts dabei sein dürfte. Stattdessen glänzt das Streaming-Geschäft mit Serien wie I May Destroy You, einer zwölfteiligen Milieustudie der Generation Tinder, die Regisseurin Michaela Coel als Hauptfigur des eigenen Drehbuchs ab heute auf Sky dabei beobachtet, wie sie Opfer und Täter sexueller Gewalt zugleich werden kann. Brillant!
Gleiches gilt zwar nicht unbedingt für Barbaren. Weil Netflix den germanischen Aufstand gegen Rom vor 2000 Jahren ab Freitag allerdings historisch flexibel, aber dramaturgisch spannend inszeniert, ist die aufwändige Geschichtsserie zumindest sehr unterhaltsam – was in etwa auch für die Fortsetzung von The Alienist an gleicher Stelle gilt oder auch die 3. Staffel von Masked Singer, ab morgen auf ProSieben. Ganz im Gegenteil zum neuen Sonntagsimportkrimi im Zweiten McDonald und Dodds, der zu stereotyp ist, um näher darauf einzugehen.
Deshalb ein Tipp aus der Nische: in Totally Under Control nimmt Hulu ab Dienstag das Corona-Krisenmanagement der USA unter die Lupe und fördert furchtbares Versagen zu Tage. Was auf einer weit weniger fatalen Ebene auch für den Bau-Report Murks in Germany gilt, in dem ZDFinfo das Scheitern deutscher Großprojekte von Stuttgart 21 bis zum BER seziert. Die Wiederholungen der Woche dürfen dagegen diesmal so richtig albern werden – mit einem MDR-Abend am Samstag rund um Adriano Celentano. Erst Der gezähmte Widerspenstige, dann Gib dem Affen Zucker, beide aus den Achtzigern wie der Tatort-Tipp Zweierlei Blut (Dienstag, 23.40 Uhr, WDR) mit, klar, Schimanski.
2 Comments on “Verrückte Onkel & deutsche Barbaren”
Leave a Reply Cancel reply
This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.
Das B Wort darf man nicht mehr sagen!
Welches noch mal – Berlin, Biden, Bayerisch, Babylon, Barbaren?