Ärztethemen & Hausenhorror
Posted: October 26, 2020 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a comment
Die Gebrauchtwoche
19. – 25. Oktober
Nicht die dümmste Idee der Tagesthemen, ihre Freitagsausgabe live von der jugendaffin gereiften Punkband Die Ärzte anrocken zu lassen. Noch klügere Idee des Spiegel, mit Veronika Hackenbroch und Rafaela von Bredow zwei Frauen ins Interview mit der Virologin Sandra Ciesek zu schicken, um misogyne Fragen reflektierter klingen zu lassen. Weniger gute Idee von der Süddeutschen Zeitung, nach einer – zugegeben arg missratenen – Polemik gegen Igor Levit per Entschuldigung zurückzurudern. Geradezu schäbige Idee dagegen, wie ausgerechnet Ulf Poschardt darin einen Verrat am Qualitätsjournalismus erkennt.
Aber gut, Männer mit dunklem Porsche, grauem Haar und weißer Haut wie der Welt-Chef empfinden die Fähigkeit zur Selbstkritik nun mal als sozialistische Schwanzlosigkeit. Nicht nur darin ähnelt Poschardt also Donald Trump, der sich im letzten TV-Duell mit Joe Biden zwar vergleichsweise zahm zeigte, zuvor aber ein Interview mit der CBS-Moderatorin Lesley Stahl abgebrochen hatte, weil sie ihm doof, ergo: kritisch kam. Sollte er am Dienstag nächster Woche doch gewinnen, wird er diese Art Majestätsbeleidigung aber ohnehin verbieten lassen. Und damit auch Filme wie Borat Subsequent Moviefilm.
Überm Untertitel Delivery of Prodigious Bribe to American Regime for Make Benefit Once Glorious Nation of Kazakhstan schafft es Sasha Baron Cohen schließlich exklusiv auf (kauft nicht bei) Amazon Prime, Trumps Schießhund Rudy Giuliani als depperten Sexprotz zu entlarven. Ein anderer Streamingdienst macht derweil andere Schlagzeilen: Nach nur sechs Monaten macht die mobile Video-Plattform Quibi trotz milliardenschwerer Sponsoren mangels Kundschaft schon wieder dicht und hinterlässt, nein, keine Lücke.
Die Frischwoche
26. Oktober – 1. November
Keine zumindest, die der Portalbestand nicht füllen könnte. Ab heute zeigt Universal die Anwaltsserie Burdon of Truth, Freitag folgt der ulkige Superantiheldentrash Utopia bei Prime, zwei Tag später geht dort Nick Frosts Gruselcomedy Truth Seekers in Reihe und zwischendurch die 2. Staffel vom Mandalorian bei Disney+. Alles solide, alles seriös, alles aber nicht halb so laut angekündigt wie die Enttäuschung der Woche: Hausen.
Mit der ersten deutschen Horrorfilmserie will Netflix eigentlich das Genre aufmischen. Dafür hätte den Verantwortlichen des achtteiligen Plattenbau-Grusels allerdings jemand sagen müssen, dass die Dunkelheit gelegentlich der Helligkeit bedarf, um zu schockieren, und selbst Charly Hübner nicht jedes vergeigte Drehbuch adelt. Umso erstaunlicher ist es, wie sehenswert die alte ARD am Dienstag im digitalen Wald wildert. Exit heißt eine hochinteressante Dystopie über Avatare verstorbener Menschen und auch sonst alles, was die nähere Zukunft glaubhaft beängstigend macht.
Das ZDF beschreitet derweil ausgesprochen souverän bekanntes Terrain und zeigt ab Freitag den vierteiligen Nachkriegskrimithriller Shadowplay mit Nina Hoss im zerbombten Berlin von 1946, während Neo ab Donnerstag um 22.15 Uhr eine Late Night mit Ariane Alter startet, was unfreiwillig auf eine info-Doku am Sonntag verweist: 2000er – Jahrzehnt der Spaltung, in dem auch auch die frühere MTV-Moderatorin bekannt wurde und übrigens auch der Mordfall Peggy ereignete, dem Sat1 heute um 20.15 Uhr eine Prime-Time Doku mit dem Untertitel Der Täter ist noch unter uns widmet.
Weil das Gerichtsverfahren fast 20 Jahre nach der ungeklärten Tat am Donnerstag eingestellt wurde, zieht Sat1 den Film vor – und macht ihn so zu einer Art Vorholung der Woche, als Kontrast zu den Wiederholungen der Woche wie Don Camillo und Peppone sowie Don Camillos Rückkehr von 1952/53 (Samstag, 22 Uhr, BR) und tags drauf (20.15 Uhr, Arte) Dead Zone, furiose Steven King-Verfilmung (1983) mit Christopher Walken als Hellseher, der den Atomkrieg verhindern kann.