Billy Zach, Chuckamuck, Arlo Parks

Billy Zach

Als Frohnatur fragt man sich ja bisweilen, wie das Leben als Trauerkloß wohl so läuft. Geht er zum Lachen in den Keller? Vergeht es ihm dort vor lauter Grübelei übers Schlechte allerorten die Laune? Schreien Trauerklöße stattdessen die Wand an oder bei Gelegenheit: ins Mikrofon? Bei der trübsinnigen Hamburger Postpunkband Billy Zach scheint Antwort C zu stimmen. Die vier Mitglieder um Mastermind Max Zacherl sind angesichts der Verwerfungen ringsum zwar angemessen frohsinnsgebremst, dem Vernehmen nach aber recht umgänglich, stecken ihre Überllaunigkeit also ins neue Album, das angemessen grantig betitelt ist.

Wie sein Vorgänger nölt Struggle On also Alltagsanklagen wie “And there’s nothin romantic about shit weather / And nothin meaningful about piss in your doorway” über noisige Disharmonien, die Bass und Schlagzeug noch tiefer in den Abwärtsstrudel fehlender Zuversicht ziehen. Atmosphärisch mag das die Anleitung zum autoaggressiven Nihilismus sein, musikalisch ist es waviger Garagenrock auf höchstem Niveau – wenngleich ihm eine Spur weniger Testosteron im Trauerkloßteig vielleicht mal ganz guttäte.

Billy Zach – Struggle On (La Pochette Surprise Records)

Chuckamuck

Das braucht man der entfernt geistesverwandten Postpopband Chuckamuck eher nicht zu empfehlen. Auch sie hat einige ihrer Wurzeln im dekonstruktiven Teil deutscher Gitarrenmusik mit englischer Lyrik. Die vier Berliner machen daraus jedoch ein angenehm androgynes, verquirrlt kosmopolitisches, dramaturgsich vielschichtiges Stück Klangdadaismus, der beim Zuhören fast schon irritierend gute Stimmung verbreitet und dennoch nie seicht daherkommt, geschweige denn gefällig.

Das vierte Album Language Barrier jedenfalls wandert dem Titel entsprechend durch die Reisewörtebücher verschiedenster Berliner Exilgemeinden von Israel über die Türkei bis Spanien und bedient sich dabei mit großer Freude am klischeehaften Irrsinn an der jeweiligen Folklore. Zum Glück allerdings geht anschließend die Zuordnung durcheinander, weshalb uns elf Stück lang dänischer Blue Grass Country blüht oder auch mal japanischer Surfpunk. Was für ein barrierefreies Sprachchaos!

Chuckamuck – Language Barrier (Staatsakt)

Arlo Parks

Von nichts könnte das britische Supertalent Arlo Parks weiter entfernt sein! Auf ihrem herausragenden, von Kolleginnen wie Billie Eilish völlig zurecht öffentlich herbeigesehnten Debütalbum Collapsed in Sunbeams liefert die zwanzigjährige Londonerin schließlich nicht nur ein musikalisches, sondern auch ein sprachliches Meisterwerk ab. Mit einer Stimme wie festivalzerfeierte Sommertage im Sonnenaufgangslicht erzählt sie vom Leben Herangewachsener im Großstadtstress und klingt dabei wie aus der Zeit gefallen futuristisch.

Ein bisschen Elektrotrash der Neunziger, ein bisschen Pop’n’Blues der Nuller, endlich mal weder Trap noch Metal im Subtext – die Grundstimmung des Anti-IT-Girls, das trotz und wegen ihrer geschlechterbrechenden Attraktivität nebenbei zum Supermodel aufgeblasen wird, könnte kaum ambivalenter sein. Wenn sie von der Liebe haucht, fühlt man sich akustisch hart angefasst, wenn sie Selbstwertsorgen seziert, schimmert es watteweich durch ölige Harfenklänge. Ein fantastisches Werk für alles von Regentag bis Party-Warm-up.

Arlo Parks – Collapses in Sunbeams (Transgressive Records)

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