Tune-Yards, Hearts Hearts, L’Impératrice
Posted: March 26, 2021 | Author: Jan Freitag | Filed under: 5 freitagsmusik |Leave a comment
Tune-Yards
Ist es Funk? Ist es Jazz? Ist es Punk? Ist es Trash? Wenn bei neuer Musik alte Fragen wie diese im Kopf herumschwirren, hat die Band vermutlich einiges richtig gemacht. Wobei Band – sind die Tune-Yards überhaupt eine oder doch eher retrofuturistische Dekodierung des Kollektivgedankens? Sei’s drum – die kalifornische Klangverwirblerin Merrill Garbus hat seit der Gründung ihres Soloprojekts, Eigenschreibweise tUnE-yArDs, mit vielen Menschen musiziert, aktuell ist es der Percussionist Nate Brenner, und in jeder Kombination ist daraus ein Springbrunnen der Mehrdeutigkeit geworden.
Auf dem 5. Album sketchy etwa klettert ihr kehliger Gesang durch einen Hindernisparcours fiepsener, sägender, treibender, bremsender, lauter, leiser Soundfragmente, die sie in einen Kessel Buntes geworfen zu haben scheint und dann bei hoher Körpertemperatur durchgekocht, bis daraus pro Track zehngängige Menüs auf ein und demselben Teller wurden. Am prägnantesten bleibt darin dann eine Art autonom-feministischer Mojotechno, der sich permanent selbst karikiert. Noch prägnanter jedoch ist, wie wenig man sich beim Hören davon lösen kann.
Tune-Yards – sketchy (4AD)
Hearts Hearts
Falls es noch irgendwelche Zweifel an der Variabilität österreichischer Boybands gab: hier werden sie zerstreut – bei den Hearts Hearts. Nicht die neueste Band jenseits der Alpen, auch nicht die originellste, im Gegenteil, da sind Bilderbuch oder Voodoo Jürgens Lichtjahre weiter. Dafür haben die vier Freunde um den Sänger mit Namen Österle etwas, das selbst im vielschichtigen Wien ein echtes USP ist: sie machen zwar unspektakuläre, aber zum Niederknien schöne Popmusik.
Ein bisschen klingt das dann auch auf dem neuen, erst dritten Album Love Club Members in zehn Jahren wie Whitney im Duett mit Moldy Peaches. Verschroben schon, klar. Und Texte wie “All what I really want – so crazy / Had been a pile of junk / All what I really want- so crazy – uhuhuh / All what I really haunt – oh daily”, werden auch nicht sinniger, wenn man darin nach Metaebenen sucht. Aber dieser reduzierte Synthieteppich mit Pianotupfen und Gesang ohne Spirenzchen – a geh, der macht einfach niveauvoll Spaß.
Hearts Hearts – Love Club Members (Parramatta)
L’Impératrice
French House, das mag eine Fehlinterpretation sein, aber sie klingt irgendwie nett: French House war schon immer leicht japanophil. Dieses selbstironisch verspielte, ulkig audiophile, skurrilitätsbereite, aber dabei elegante Gefrickel auf Geräten ostasiatischer Herkunft (Yamaha!) – darin fand der Pop elektronische Vervollkommnung, die bei aller West-Prägung nach Tokio klang. Und dann stieg 2018 das französische Sextett L’Impératrice aus einer explodierenden Supernova und machte daraus das funkensprühendste Easy-Listening-Album seit Pizzicato Fives Happy End of the World Ende der 90er.
Drei Jahre nach ihrem Debüt nun folgt mit Tako Tsubo der – sogar japanisch betitelte – Nachfolger. In Schriftzeichen 蛸壺, auf Französisch piège à poulpe, was auf Deutsch ungefähr Tintenfischfang heißen könnte. Und so hören sich die 13 Stücke denn auch an: geigengezuckerte Tiefseetauchgänge. Orgeltropfen wie Ohrenkerzen, soundgewordene Strandparty am Stil, digitaler Soul zum Verlieben in jeder einzelnen Zeile, Note, Welle. Kopfsprung hinein und vergessen ist der fehlende Festivalsommer.
L’Impératrice- Tako Tsubo (microqlima)