1 Pimmel & 3 Trielle

TV

Die Gebrauchtwoche

 

6. – 12. September

Es war ein kleiner Schritt für Cathy, aber ein großer für die Menschheit: Der Verband sozialer Wettbewerb hatte das It-Girl, als Gattin von Mats Hummels doppelt (selbst)vermarktbar, wegen offensichtlicher Schleichwerbung angezeigt. Könnte es sein, fragte sich der kleine Verein aus Berlin, dass die große Influencerin aus Dortmund mit ihrem ständigen Product Placement für alles, was (si selber) reich und sexy macht, etwa Einkünfte ver-, aber nicht als solche kennzeichnet?

Gibt’s ja gar nicht – gab ein BGH-Urteil der digitalen Oberflächenbrigade recht. Sofern die (natürlich zufällig) drapierten Lifestyle-Marken in vielen ihrer Posts nicht geldwert bezahlt werden, dürfen Cathy & Konsumkonsorten ihre Follower geistig wie materiell weiter vermüllen. Gut, positiv gewendet läuft das Web dadurch nicht mehr nur vor Unflat über. Zum Beispiel jenem, Andy Grote online 1 Pimmel zu nennen, weil er Feiern im Lockdown öffentlich verurteilte, nur um sich kurz darauf selber heimlich mit 30 Gästen zu verlustieren.

Schon okay, könnte man meinen: Wir alle sind pandemiemüde. Wäre der Partyhengst nicht Hamburgs Innensenator, der die Pimmel-Injurie anzeigte, worauf ein Staatsanwalt Donnerstagmorgen um sechs die Wohnung eines Familienvaters (besser: die seiner Ex-Freundin) durchsuchen ließ und Grotes Seelenheil damit höher gewichtet als Artikel 13 GG. Seither ist er nicht nur das Gespött aller Kanäle; selbst die Washington Post berichtet davon. #pimmelgate steht im Twitter-Ranking zudem auf 1 und damit die Frage im Raum, ob einige gleicher sind als andere.

Hätte der Beleidiger bloß eine von Grotes SPD-Kolleginnen Drecksfotze genannt oder aufgerufen, Grüne zu hängen – nach einschlägiger „Recht“-Sprechung wäre es von der Meinungsfreiheit gedeckt. Bleibt die Frage, warum ein Polizist den Senator zur Anzeige einer so drolligen Beschimpfung gedrängt und damit den Kneipenwirt denunziert hatte. Denunziation – ein Wort, dass CSU-General Markus Blume Bayerns grüner Fraktionschefin Katharina Schulze am Mittwoch, also Tage nur, nachdem Rezo seine Union erneut nach Strich und Faden demontiert hatte, vor die Talkshowfüße warf.

Keine so gute Idee. Sandra Maischberger entlarvte seinen Ärger über ein baden-württembergisches Onlineportal für Steueranzeigen nämlich nicht nur als digitalisierungsfeindlich; sie hielt ihm ein baugleiches Portal in Blumes Freistaat entgegen, worauf der CSU-Denunziant fast verstummte. Das hätte man übrigens auch Jan Böhmermann gewünscht, als er in einem Anflug bräsiger Cancel-Culture forderte, Corona-Querköpfen von Kekulé bis Streeck Talkverbot zu erteilen. Verstummen, das wäre auch beim gestrigen ARZDFTriell gelegentlich schön gewesen – so konfus, wie Maybrit Illner und Oliver Köhr den Hahnenkampf von Laschet und Scholz zuweilen moderiert haben.

Die Frischwoche

14. – 19. September

Das dürfte nächsten Sonntag nicht mal der dritte und letzte Dreierdisput beim journalistisch selbstverzwergten Sat1 mit dem journalistisch selbstbewussten Schwesterkanal Pro7 noch unterbieten. Aber vielleicht wird es heute ja ein wenig strukturierter, wenn die ARD das Spitzenpersonal von FDP, CSU, AfD und Linke parallel zum Auftakt des neuen Pro7-Magazins Zervakus & Opdenhövel.Live im Vierkampf nach dem Triell aufeinanderhetzt. Morgen folgt im ZDF-Wahlforum dann noch Klartext, Herr Scholz, Donnerstag komplettiert von Klartext, Frau Baerbock, Mittwoch unterbrochen in der ARD-Wahlarena mit Armin Laschet.

Während die Privatsender wieder in den Ablenkungsmodus billiger Unterhaltung von Bauer sucht Frau bis Biggest Loser verfallen, suggerieren die öffentlich-rechtlichen zumindest kurz, die Primetime ließe sich mit relevanter Information bespielen. Zentraler sind und bleiben dort jedoch auch dieser Tage Krimi-Reihen wie Die Jägerin (Dienstag, ZDF) oder Nord bei Nordwest (Donnerstag, ARD). Bei den Streamingdiensten zentraler sind dagegen mittlerweile Dokus wie eine, die am Mittwoch echt überrascht: Schumacher.

Anders als bei RTL vergöttert Netflix das Leben der verunglückten Benzinschleuder nämlich nicht, sondern analysiert es analysiert. Was der fünfteiligen Terror-Rekonstruktion Turning Point zugleich über die islamistischen Anschläge auf Pentagon und World Trade Center vor 20 Jahren gelingt, die gemeinsam mit der deutschen Guantanamo-Doku Slahi und seine Folterer vom investigativen SZ-Reporter John Goetz belegt, wie nachdrücklich 9/11 den Werte-Kompass demokratischer Nationen wie die USA durcheinander (oder womöglich auch nur ins rechte Lot) gebracht hat.

Weniger dramatisch, weniger politisch, und doch ähnlich sehenswert ist dagegen die lang ersehnte Fortsetzung der erwachsenen Teeny-Serie Sex Education ab Freitag auf Netflix. Am Abend zuvor zeigt das ZDF derweil online first das Serien-Sequel von Dieter Hallervordens Mein Freund, das Ekel, wofür man besser Nonstop Nonsens gemocht haben sollte. In der ARD-Mediathek sucht Oli Schulz tags drauf den Sound of Germany. Und auch Arte geht mit seiner südafrikanischen Drama-Serie Hopeville um einen Alkoholiker und seinen Sohn parallel zunächst mal ins Netz.

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