Generation Heidi & Generation F
Posted: February 7, 2022 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
31. Januar – 6. Februar
Sie hat es getan. In der 17. Auflage von GNTM sprach Heidi Klum den zentralen Satz ihrer frühjährlichen Frauenverachtungsparade und benutzte dabei womöglich erstmals die grammatikalisch korrekte Form, es könne „nur eine Germany’s Topmodel“ werden, nicht einer, wie sie es seit 2006 zu sagen pflegte. Maskulinum. Und nicht nur das: Ihre Kandidatinnen, deren Alter bislang meistens weitaus höher war als ihr jeweiliger Body Mass Index, heißen nun nicht mehr Mädels, sondern Models, deren Alter obendrein teilweise dreimal so hoch ist wie der durchschnittliche BMI.
Fast könnte man meinen, Heidi Klum habe sich auf ihre etwas älteren Tage vom Sexismus emanzipiert. Das zwar nicht; ihr Frauenbild bleibt eines weiblicher Zuschaustellung jenseits innerer Werte. Aber es ist ein Anfang. Ein – zumindest vorläufiges – Ende hat dagegen die Deutsche Welle erlebt. Keine 24 Stunden, nachdem die deutsche Kommission für Zulassung und Aufsicht von Medienanstalten (ZAK) RT DE eine Sendelizenz verweigerte, um die sich der russische Staatspropagandakanal noch gar nicht beworben hatte, entzog Moskau der DW die Akkreditierung.
Mehr noch: ihre Journalist*innen dürfen nun gar nicht mehr aus Putins Zarenreich berichten. Womit er einmal mehr beweist, dass Diktaturen wie seine nicht mal mehr den Schein diplomatischer Regeln wahren. Dass China zeitgleich eine PR-Show aufführt, die nur olympisch singt und lacht, ist keine Ausnahme dieser Entwicklung, sondern ihr zynischster Ausdruck. Wir dürfen daher gespannt sein, wann chinakritische Sportkorrespondenten plötzlich – hoppela – positiv auf Corona getestet werden und – hoppela – mit kaputtem Netz in Isolationshaft geraten.
Noch was? Ach ja: 7 Tage 7 Köpfe ist zurück, und zwar leider mit dem unerträglich selbstversessenen Guido Cantz, aber zum Glück auch einigen jener Momente, die das Promi-Panel auf RTL einst trotz erbärmlicher Frauenquote so unterhaltsam gemacht hatten. Kurzfristig ausgeladen: Woopie Goldberg – aber nicht, weil sie gerade mit Antisemitismus-Vorwürfen zu tun hat, sondern weil Promi-Panels in den USA einfach viel besser besetzt werden.
Die Frischwoche
7. – 13. Februar
Dass Prominenz nicht alles sein muss, belegt die sehenswerte WDR-Doku Generation F in der ARD-Mediathek. Jeden ersten Dienstag im Monat werden dort Sportlerinnen porträtiert, die wie Weitspringerin Maryse Luzolo zum Auftakt aus der 2. Reihe starten, dabei aber sehr viel zu erzählen haben. Immer in der 1. Reihe, wenn auch ohne dorthin zu gehören, war die realexistierende Anna Sorokin alias Delvey, der Showrunnerin Shonda Rhimes ein fiktionales Porträt auf Netflix widmet.
Inventing Anna bietet dabei alles, was Biopics bedeutsam macht: Realismus und Entertainment, ganz große Show und noch größere Emotionen, alles ohne Pathos, also grenzenlos unterhaltsam. Zumindest letzteres dürfte auch für den deutschen Netflix-Horror Das Privileg (Mittwoch) um einen Teenager (Max Schimmelpfennig) gelten, dessen innere Dämonen sich nach dem Tod seiner Schwester irgendwann als fürchterlich real erweisen.
Nach realer Vorlage zeichnet die Sky-Serie Landscapers ab Donnerstag die Ehe von Susan (Olivia Colman) und Christopher (David Thewlis) nach, deren scheinbar heile Welt von zwei Toten in ihrem Garten zerstört zu werden droht. Vollständig mord- und totschlagfrei, aber auch weitestgehend ecken- und kantenfrei sind dagegen die Amazon-Romedy I Want You Back und das Apple-Beziehungsdrama Über mir der Himmel, beide ab Freitag online.
Für alle anderen, deren Sportbegeisterung nicht zu groß oder aktiv oder einfach übermächtig ist für völlige Abstinenz vom diktatorischen Eigen-PR-Event dieser Tage: Bitte Finger weg von den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking!