Musks Trillionen & Macht der Informationen
Posted: April 18, 2022 | Author: Jan Freitag | Filed under: 1 montagsfernsehen |Leave a commentDie Gebrauchtwoche
11. – 17. April
Das nennt man wohl vom Regen in die Traufe oder epidemiologisch: von der Pest zur Cholera. Die russische Journalistin Marina Ovsyannikova, berühmt für ihren Protest vor laufender Kamera gegen Putins Angriffskrieg, soll laut FAS künftig für Springers Welt aus ihrer alten Heimat berichten. Das ist schon deshalb bedenklich, da Ovsyannikova vor ihrer tapferen Schildaktion alles andere als ein leuchtendes Vorbild publizistischer Ethik war. Zum anderen betreibt Springer einige der übelsten Hetzblätter, die Putins publizistischer Indoktrination in wenig nachstehen.
Wären Bild und Welt Messengerdienste, sie würden in etwa Telegram und Twitter entsprechen – in lichten Momenten durchaus informativ, in dunkleren die Hölle. Falls Elon Musk wie angekündigt auf Shoppingtour geht, sollte man das im Hinterkopf behalten. Für 43 Trillionen Dollar, so heißt es, kauft der elektromobile Weltraumcowboy demnächst die Welt – ach nee, so weit ist er dann doch noch nicht. Deshalb kauft er für 43 Billionen Dollar vorerst nur das World Wide Web. Moment. Auch schwer einzupacken. Deshalb begnügt er sich für 43 Milliarden Dollar mit Twitter, das zwar kaum Gewinn abwirft, aber – tja, was eigentlich ist: Spielzeug, Machtinstrument, beides?
In jedem Fall eines, das der weltweiten Meinungsbildung gefährlich werden kann. Sie war zwar selten mal in Händen vollends neutraler Philanthropen. Aber schon die – angeblich nebenbei angedeutete – Idee, das Kommunikationsportal übernehmen zu wollen, sorgte für Kurssprünge zugunsten des Mehrheitseigners Musk und zeigt, wie wenig ihm an informationeller Selbstbestimmung, aber wie viel an sich selbst gelegen ist. Wie wenig RTL an Spiritualität gelegen ist und wie viel an Quote, zeigte Die Passion am vorigen Mittwoch.
Angekündigt als modernisierte Fassung der letzten Tage Christi, schickten die Kölner diverse Stars ihrer eigenen Zweit- bis Drittverwertungsmaschinerie auf eine Essener Bühne, wo die deutsche Polizei Alexander Klaws als Jesus im Guantanamo-Drillich zur Kreuzigung führt. Laith Al-Deen spielt Petrus, Thomas Gottschalk gibt den gottgleichen Sprecher und lautstark sing dazu Andreas Bourani. Auweia.
Die Frischwoche
18. – 24. April
Und wegen Ostern und allem, die Tipps der Woche ausnahmsweise mal in tabellarischer Form
Mittwoch, ZDF-Mediathek: Lüge und Wahrheit – Die Macht der Information, fünfmal 45 Minuten Analyse von John Kantara, wie Kommunikation von der Verschwörungstheorie bis zur Kriegspropaganda zur Waffe wird
Mittwoch, Disney+: The Dropout, fünfteilige Podcast-Verfilmung über die US-Unternehmerin Elizabeth Holmes (Amanda Seyfried), deren reales Biotec-Startup Theranos mit Bluttest Milliarden verdient, aber nicht wert war
Mittwoch, ARD-Mediathek: Die Glücksspieler, absolut ansehnliche Miniserie mit Katharina Schüttler, Manuel Rubey und Eko Fresh als unzufriedene Großstädter, denen ein Milliardär mit einer Wette auf die Sprünge zum Glück hilft
Freitag, ARD-Mediathek: All You Need, 2. Staffel der schwulen Serie, in der sich eine Reihe teils intersektional diskriminierter Berliner erneut mit großer Freude am visuellen Tabubruch durch komplizierte Privatleben vögelt.
Freitag, Starzplay: Gaslit, herausragende Realpolitserie mit Julia Roberts als Frau des Justizministers (Sean Penn), die 1974 maßgeblich zu Nixons Sturz beigetragen hat und damit auch etwas über die Emanzipation jener Tage erzählt
Freitag, Sky: The Gilded Age, pompöses Kostümfest über Aufstieg & Fall vulgärkapitalistischer Industrie-Magnaten im New York der 1880er Jahre, ästhetisch spürbar Bridgerten, dramaturgisch eher Game of Thrones
Samstag, Arte: Letzte Ausfahrt Weltall, Dokumentation der extraterrestrischen Expansionspläne eitler weißer Milliardäre wie Elon Musk oder Jeff Bezos, die Rudolph Herzog mit seinem Vater Werner als Sprecher beobachtet