Rabes Versagen & Paramounts Hackerinnen

Die Gebrauchtwoche

TV

6. – 12. Februar

Die Marktwirtschaft ist schon ein seltsames Hierarchiesystem. Da wird Deutschlands größter Medienkonzern von einem Mann geführt, den die endlose Abfolge katastrophaler Fehlinvestments in 17 Jahren Bertelsmann-Spitze zum vielleicht unfähigsten CEO der weltweiten Verlagsgeschichte macht. Doch nachdem dieser publizistische Komplettversager den altehrwürdigen Pressedampfer Gruner+Jahr ungebremst in die Ballermannboje RTL gesteuert hat, wird nicht etwa Thomas Rabe vom Gütersloher Hof gejagt – nein, er darf sich mit toxisch breiter Brust vor die Hamburger Belegschaft stellen und Großteile davon kaltherzig feuern.

Abzüglich Kapitol-Sturm erinnert Rabes G+J-Sturm, bei dem 23 (teils tatsächlich sinnlose) Zeitschriften beerdigt und weitere 13 meistbietend verscherbelt werden, also längst mehr an Donald Trump als Henri Nannen, der ihm zwar offenbar das neofeudale Ego, aber nicht die journalistische Weitsicht vererbte. Schließlich war es Bertelsmann, das G+J per rigorosem Sparkurs und purem Desinteresse den Digitalisierungskurs vorenthielt. Mieses Management schadet wie gehabt also nur mies Gemanagten, während sich miese Manager mit Abermillionen gepampert Richtung vergoldetem Vorruhestand stümpern.

Ein Automatismus, der verteufelt an die heutige Tech-Industrie erinnert. Nach Jahren schier grenzenlosen Wachstums hat nach Paypal, Twitter, Alphabet oder Spotify nun auch Disney Stellenabbau angekündigt – und das, obwohl der Entertainment-Gigant seinen Gewinn 2022 auf 1,3 Milliarden Dollar steigern konnte und mittlerweile nahezu das Zwanzigfache erlöst. Angeblicher Grund der Kürzungen abseits der Dauererklärung Krieg/Corona: Disneys Streamingdienst mit + am Ende hat – anders als die hauseigenen Portale Hulu und ESPN – zuletzt an Reichweite verloren.

Vielleicht ist das alte, lineare, bundesdeutsche Fernsehen also doch noch nicht ganz verloren. Kurz nach den News der digitalen Konkurrenz jedenfalls blies es unerschrocken zur retrofuturistischen Attacke. Denn ProSieben hat angekündigt, Stromberg aus dem wohlverdienten Grab zu holen. Ein (damals schon geklautes) Relikt aus Zeiten also, da Netflix noch ein DVD-Versand war. Starke Antwort.

Die Frischwoche

0-Frischwoche

13. – 19. Februar

Fast so stark, wie die öffentlich-rechtliche Gegenoffensive. Das Erste zum Beispiel lässt morgen das nächste Beiboot einer WaPo zu Wasser. Diesmal die Elbe flußaufwärts, wo der Ableger mit ein paar Betrunkenen am Herrentag um ostdeutsches Publikum buhlt. Das nennt man dann wohl Zielgruppenmanagement. Die betreibt zwar auch Magenta TV, wenn es am Sonntag mit Tales of the Walking Dead ein weiteres Spin-of der Zombie-Serie startet. Routinierter baggert allerdings das ZDF am Massengeschmack.

Zum 7. Mal gerät Jan Josef Liefers heute als Fernsehanwalt Joachim Vernau in Mordsverwicklungen am Brandenburger Düstersee, was wie WaPo Elbe also gleich drei Publikumstrigger aktiviert. Und auch, wenn die ARD ab Dienstag vier Österreicherinnen und ihr dunkles Geheimnis mit überdurchschnittlichem Heim-Cast (Franziska Weisz & Franziska Hackl) plus unterdurchschnittlichem Auswärts-Cast (Diana Amft & Jasmin Gerat) ins Krimigetümmel des achtteiligen Melodrams Tage, die es nicht gab stürzt, stand die Sehgewohnheit Pate – worüber übrigens auch die neue Folge unseres Fernseh-Podcasts Och eine noch sinniert.

Für Albrecht Schuchts intensives Porträt des DDR-Literaturrebellen Lieber Thomas Brasch bleibt da heute natürlich nur die Nachtschiene (22.25 Uhr) von Arte – schließlich müssen ARD und ZDF ihre Primetime Mittwoch (Düsseldorf), Donnerstag (Kölle) und Freitag (Mainz) ja mit Karneval verfüllen. Sat1 hat dafür endlich mal wieder was Anspruchvolles im Angebot: Den Vierteiler Litvinenko (donnerstags in Doppelfolgen, 20.15 Uhr) mit David Tennant als russischer Ex-Agent, den Putin 2006 auch real radioaktiv vergiften ließ.

One dagegen hat sich den BBC-Dreiteiler The Replacement um eine Glasgower Architektin geschnappt, der die eigene Schwangerschaftsvertretung ab heute Abend weit mehr als den Job streitig macht. Donnerstag schickt die Paramount-Serie A Thin Line zwei deutsche Klima-Aktivistinnen auf gegensätzliche Seiten des Gesetzes und macht damit endlich mal Frauen zu Hauptfiguren eines – sehr sehenswerten – Cyberthrillers. Eher retrofuturistisch schickt die Apple-Serie Hello Tomorrow tags drauf Tourist:innen auf den Mond. Und zu guter Letzt steigt Sky parallel mit tausendfach erprobter Story (Django) und frischer deutscher Beteiligung (Lisa Vicari) auf den Zug des Westernbooms.

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