Henriks Hetze & Hamburgs Luden

Die Gebrauchtwoche

TV

20. – 26. Februar

Der Apfel fällt ja angeblich nicht weit vom Stamm. Als Verteidigungsminister stand Gerhard Stoltenberg einst am rechten Rand der geistig moralisch gewendeten, also auch nicht gerade linksliberalen CDU. Nachdem sein Enkel Henrik vorigen Mittwoch wegen Volksverhetzung verurteilt worden war, hat sich RTL nun vom Star vieler Reality-Formate wie Love Island getrennt. Schließlich befindet er sich ideologisch in durchfallbrauner Gesellschaft.

Von Konrad Kujau zum Beispiel, der laut Die Zeit offenbar nicht nur ein paar Tagebücher gefälscht und beim Stern lanciert hatte, sondern Teil eines rechtsextremen Netzwerks war, das Hitler entlasten und den Holocaust leugnen wollte. Oder Borris Brandt, den außerhalb der Fernsehbranche wohl nicht allzu viele kennen. Glück gehabt! Der frühere Pro7-Programmchef hat Deutschland vor fast 25 Jahren erst TV total, dann Big Brother gebracht und damit Mediengeschichte geschrieben.

Jetzt nimmt seine Intellekt-Verachtung jedoch gefährliche Formen an. Seit Monaten krieche seine quergedachten Kommentare Putin, AfD, Sarah Wagenknecht in den Allerwertesten. Nicht an Gehirn, immerhin aber an Demut mangelt es wie gehabt Patricia Schlesinger. Nicht, dass der früheren RBB-Chefin wegen ihrer Selbstbereicherungsmentalität Altersarmut zu wünschen wäre. Aber mehr als 18.000 Euro monatlicher Pension einzuklagen, dazu gehört schon ein gehöriges Maß an feudaler Ignoranz.

Davon hat Deutschlands einflussreichste Sozialdomina Heidi Klum bei der Verteilung bekanntlich eine Überdosis erhalten. Deshalb kleidet sie ihre Menschenverachtung weiterhin in Diversitätskostüme und macht sich beim Versuch, dagegen Stellung zu beziehen, selbst unter ihresgleichen sogar noch ein bisschen lächerlicher als das ZDF mit seiner sülzigen Seifenoper Der Schwarm, die gleichwohl Topquoten erzielte.

Von denen kann RTLzwei bis heute nur träumen. Wir gratulieren dem Sender, der zu seiner Verblödungsstrategie wenigstens steht, dennoch herzlich zum 30. Geburtstag am kommenden Montag und Fernsehlegenden wie Peep! oder Popstars, aber auch Dexter und Californication. Davon ist RTLzwei2II heute allerdings drei TV-Revolutionen entfernt. Kleiner Auszug aus dem Montagsprogramm gefällig?

Die Frischwoche

0-Frischwoche

27. Februar – 5. März

Nach dem Vorabendtrash von Köln 506687 bis Berlin – Tag & Nacht folgen erst Die Geissens, dann Daniela Katzenberger, zuletzt Armes und Hartes Deutschland. Weniger Zynismus oder relevante Importserien? Gibt’s ja nicht mal mehr im Haupthaus, wo stattdessen ab Dienstag die denkbar dusselige Fitzek-Verfilmung Auris mit Heino Ferch als Heino Ferch als forensischer Phonetiker läuft. Bleiben also mal wieder nur öffentlich-rechtliche Sender oder Streamingdienste als Empfehlungsportale.

Das Erste zeigt Mittwoch Julia C. Kaisers bedrückend gutes Sozialdrama Nichts, was uns passiert mit Emma Drogunova und Gustav Schmidt als Studierende, die zwei völlig verschiedene Sichtweisen auf eine gemeinsame Nacht haben und dem Aussage-gegen-Aussage-Dilemma vieler Vergewaltigungsdelikte zu einer dichtgewebten, vorurteilsfreien Diskussionsplattform verhelfen. Dass die 2. Staffel der dümmlich dünnen Familiensaga Unsere wunderbaren Jahre zwei Tage später an gleicher Stelle beweist, wie sinnlos die ARD oft Gebührengelder verschwendet – geschenkt.

Mit dem Episodenfilm Notes of Berlin zeigt die ARD-Mediathek am Wochenende ja wieder, was damit für feinsinnige Unterhaltung möglich ist, während der dänische Coming-of-Age-Siebenteiler My Different Ways zwei Tage zuvor bei Neo das Gleiche für Importserien nahelegt. Ohne Rundfunkbeitrag, dafür dank Jeff Bezos entstanden: Die Prime-Serie Luden. Mit Aaron Hilmer als Pimp und Jeannette Hain als Prostituierte, ist das Biopic nicht nur toll besetzt. Es zeichnet ein authentisches Bild vom radical chic St. Paulis vor 40 Jahren.

Zugaben sind dagegen: Jesse Eisenberg als onlinedating-geschädigter Fleishman is in Trouble, acht Folgen lang bei Apple TV. Die Prime-Miniserie Daisy Jones and the Six. Der dokumentarische Sechsteiler Die Anarchisten auf Sky um zwei ebensolche, denen sich das eigene Utopia als Selbstbetrug offenbart. Und natürlich die neue, 24. Folge unseres Fernsehpodcasts Och, eine noch mit mal warmen, mal kalten Worten zu The Consultant, Luden, Liaison.



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