Macklemore, Gruff Rhys, OY

Macklemore

Dass die Welt, in der wir leben, verrückt geworden ist, darüber dürfte nirgendwo mehr ein Zweifel bestehen. Aber es liegt nur noch teilweise darin, dass – in den Worten von Chris Rock – der beste Golfer Schwarz sei und der beste Rapper weiß. Schließlich haben Tiger Woods und Eminem ihren Zenit überschritten. Doch während die besten Golfer wieder Weiße sind, ist es der beste Rapper auch, nur ein anderer: Macklemore. An der Seite von Ryan Lewis, aber auch solo – wie sein fabelhaftes Solo-Album BEN aufs Neue belegt.

Anders als der Reimstapler Marshall Mathers macht Ben Haggerty zwar weniger emblematischen HipHop. Seine Wort-Kaskaden sind dafür origineller instrumentiert und sinfonischem Pop näher als der reinen Lehre, aber so ausgeklügelt, dass sie unter 10.000 Samples und Field-Recordings, den Wokeness- und Pride-Fanfaren aller Ecken der Weltmusik ihre Stellung behaupten. Bestes Beispiel: die Single Heroes ft. DJ Premier – ein Feuerwerk aus orientalem Dub und Westcoas-Rap, der ebenso von den Füßen reißt wie No Bad Days zuvor. Schlechte Tage hat man mit dieser Platte nicht.

Macklemore – BEN (ADA/Warner)

Gruff Rhys

Soundtracks sind normalerweise selten empfehlenswert. Zu selten nur wirken sie eigenständig, also vom visuellen Kontext völlig entkoppelt, aber bei Gruff Rhys’ Score zu Charlotte Gainsbourgs Drama The Almond And The Seahorse machen wir mal eine Ausnahme. Gemeinsam mit dem National Orchestra of Wales nämlich hat deren Landsmann und Ex-Sänger der Super Furry Animals die ergreifende Beziehungsgeschichte einer Archäologin und einer Architektin zum Meisterwerk der Stimmungsschwankungen gemacht.

Das Repertoire reicht von eleganten Cello-Sonaten (Skyward) bis experimentellem HipHop (The Brain and the Body), von Alternative-Pop (Sunshine and Laughter Ever After) bis Electro-Clash (People Are Pissed), von Gaga-LoFi (Amen) bis Crooner-Rock (I Want My Old Life Back). Und immer transportiert es die Aura des Gezeigten ebenso eletang wie die des Gehörten. Weil Soundtracks längst monochrome KI-Konstrukte sind, ist dieser hier also endlich mal wieder wirklich der Rede wert.

Gruff Rhys – The Almond And The Seahorse (Rough Trade) 

OY

Beim polyphonen Berliner Ethno-Expermintal-Duo OY ist es dagegen ein bisschen umgekehrt. Keyboarderin Joy Frempong und ihr drummender Produzent, sprechender Nom de Paix: Melodydreamer, machen seit zehn Jahren Soundtracks, denen der Film zu fehlen scheint. So ist es auch mit World Wide We, ein Titel der seine Vielfalt bereits im Namen trägt. Das Album ist eine so liebenswerte Sammlung verschrobener kleiner und großer Melodien, dass die fehlenden Bilder dazu vorm inneren Auge ablaufen.

Und das Interessanteste: obwohl ihr Fokus so sehr auf der Kompilation aller Tonabfolgen, die der Welt so innewohnen, zu liegen scheint, haben sämtliche 15 Stücke alle Zeit dieser Erde, globale Sorgen anzusprechen, Identitätspolitik zum Bespiel, strukturelle Benachteiligung, Neoimperialismus – all die Fehlentwicklungen des nationalstaatlichen Kapitalismus, denen sich einst die so genannte Weltmusik widmen musste. Jetzt machen es OY. Und es klingt fantastisch wie das World Wide We, von dem  sie träumen. Träumt bitte weiter!

OY – World Wide We (Mouthwatering Records)

 

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