Khesrau Behroz: Ken Jebsen & Drachenlord
Posted: May 6, 2023 | Author: Jan Freitag | Filed under: 4 donnerstagsgespräch |Leave a commentIch bin ja nur das Gesicht und die Stimme
Mit Cui Bono – WTF happened to Ken Jebsen wurde der deutsch-afghanische Journalist Khesrau Behroz (Foto: Hannes Wiedemann) zum aktuell angesagtesten Podcaster ohne Promi-Faktor im audiophilen Medienland und auch das nächste Hörstück aus der dunklen Ecke digitaler Mythenbildung zum Bestseller gemacht. Ein Interview mit dem 36-jährigen Flüchtlingskind übers Hören und Gesehenwerden.
Von Jan Freitag
freitagsmedien: Khesrau Behroz, hier im Kreuzberger Hinterhof-Loft Ihrer Produktionsfirma Undone steht einer der vielen Preise, die Sie für Cui Bono gekriegt haben, eher schmucklos auf der Fensterbank.
Khesrau Behroz: Das liegt aber eher an der Fensterbank als am Preis. Der ist nämlich sehr schmuckvoll! Es handelt sich um den Robert Geisendörfer Preis, den wir letztes Jahr für Noise erhalten haben.
Den Deutschen Podcastpreis für Cui Bono konnten Sie dagegen nicht persönlich entgegennehmen, weil Ihnen zugleich der Grimme Online Award in Marl verliehen wurde…
Ja, das war schon ein irrer Abend. Wir haben unser Team aufgeteilt. Ich saß mit einigen aufgeregt in Köln, hab aber parallel die ganze Zeit auf mein Handy geschaut und auf gute Nachrichten aus Berlin gehofft, wo ein anderer Teil des Teams gewesen ist. Ein richtig schöner Abend, der Höhepunkt unserer gemeinsamen Reise.
Aber auch ein anstrengender, könnte man meinen – so viel öffentliche Resonanz und Medienpreise für etwas zu bekommen, was anfangs eher unter dem Radar lief?
Ich würde das Ausgezeichnetwerden nicht als anstrengend beschreiben, aber es stimmt natürlich, dass wir damals einfach gar keine Zeit hatten, diesen Erfolg mal richtig zu reflektieren. Wir waren einfach atemlos – und haben den Rausch genossen.
Gibt es da ein inneres Ranking, welcher der vier Awards wichtiger war?
Nein, jeder davon steht ja für ein bestimmtes Umfeld mit einem bestimmten Background. Der Podcastpreis kommt zum Beispiel direkt aus dem Inneren des Mediums, der Reporter:innen-Preis ist einer für die fachliche, also vor allem journalistische Leistung. Der Grimme Online Award dagegen geht mehr in die Breite und zeigt damit nicht nur, wie populär und angesehen Cui Bono ist, sondern das Podcasten insgesamt, weswegen es schon Ehre genug war, für den Nannen-Preis nur nominiert worden zu sein. Und dann gab es ja auch noch den Preis für Popkultur.
Der eher aus den Musikbereich prämiert.
Und uns als „Schönste Geschichte“, die vorher unter anderem Rezos Zerstörung der CDU gewonnen hatte. Es war unser erster Preis, der vor allem für Unterhaltung steht. Da standen wir also neben Zoe Wees, Danger Dan und den No Angels auf dem Podium, hatten aber überhaupt nicht das Gefühl, es sei irgendwie weniger wert, weil gute Popkultur zu machen mindestens so schwierig ist, wie guter Journalismus. Und beides ist unser Anspruch.
Ist Podcasten demnach ein popkulturelles Phänomen oder einfach die natürliche Weiterentwicklung von Radio und Hörspiel?
Podcasten ist vor allem ein Riesensprung der medialen Verbreitungsmöglichkeiten, individuell und dezentral über Geräte wie Smartphones, die unser aller Leben massiv mitbestimmen, jederzeit auf kreative, kuratierte Arbeiten zugreifen zu können. Das ist nicht nur gut für den Journalismus, sondern auch die Unterhaltung und erklärt einen Teil unseres Erfolges.
Was erklärt den anderen, dass ausgerechnet Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen so durch die Decke gegangen ist?
Das liegt zum einen an der schön polierten Oberfläche, in die wir nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch und künstlerisch wahnsinnig viel investiert haben. Es reicht vom Sounddesign bis hin zur Musik. Jakob Ilja hat sie eigens für den Podcast komponiert und so gestaltet, dass sie mit dem Text korrespondiert. Jeder Satz, der geändert wurde, ging zurück an Jakob, um die Musik entsprechend anzupassen.
Und inhaltlich?
Waren wir einfach zur richtigen Zeit im richtigen Medium. Die gesellschaftliche Unsicherheit und Sensibilität war angesichts grassierender Verschwörungsideologien 2021 einfach besonders groß. Die so genannten „ganz normalen Leute“ haben Schulter an Schulter mit bekannten Rechtsradikalen zu Tausenden auf Querdenken-Demos gegen die Gesetze von Wissenschaft und Logik gehetzt. Da haben wir uns, wie viele andere Journalist:innen auch, gefragt, wo die alle herkommen und das am Beispiel von Ken Jebsen versucht, nachvollziehbar zu machen.
Was war denn zuerst da – die Querdenken-Ideologie als Massenphänomen oder eure Idee, daraus einen Podcast zu machen?
Das massenhafte Aufwallen der Querdenken-Ideologie war definitiv zuerst da. Wir suchen unsere Themen fast immer entlang bestehender gesellschaftlicher Irritationen. Diese war also bereits da und hat uns motiviert, genauer hinzusehen, welche Spielfiguren dahinterstecken. Und als uns dabei der umgeschwenkte Radiomoderator Ken Jebsen aufgefallen ist, haben wir uns da mit allem, was wir haben, draufgestürzt.
Wie viele Personen sind denn an einer sechsstündigen Produktion von dieser Qualität wie lange beschäftigt?
Viele, ich bin ja nur das mittelmäßige Gesicht und die Stimme. Die Herstellung dauerte ein Jahr. Und beteiligt waren immer so zwischen zehn und 15 Personen von Redaktion, Recherche, Musik über drei Producer:innen, die das ganze technisch zubereiten, bis hin zur optischen Ausgestaltung, also Coverdesign oder Online-Auftritt. Genauso, wie der Inhalt Ausdruck einer Collage verschiedener Faktoren ist, war es auch das Team dahinter.
Klingt teuer…
Ist es auch, wobei der Preis überhaupt nichts über die Qualität aussagt; du kannst mit sehr wenig Geld hervorragende Podcasts produzieren und mit sehr viel Geld, durchschnittliche. Aber ein gutes Team und hohes technisches Niveau sind selten billig.
Also wie teuer nun?
Ich werde hier jetzt keine genaue Summe nennen, aber wir bewegen uns auf jeden Fall im sechsstelligen Bereich.
Gehört dazu mittlerweile auch Marketing oder hat sich die zweite Folge Cui Bono über den Drachenlord dank Ken Jebsen quasi selbst vermarktet?
Wir versuchen schon unsere Netzwerke aller Kanäle zu nutzen und investieren auch etwas in Pressearbeit, die Zeit und Arbeit kostet.
Sind Studio Bummens und K2H dabei denn anfangs in Vorleistung auf einen theoretisch denkbaren Erfolg gegangen oder war das Projekt von Beginn an durchfinanziert?
Vor allem Studio Bummens ist mit dem Projekt ein gehöriges Risiko eingegangen und hat es vorfinanziert. Ich selbst war damals angestellt bei K2H, als wir mit der Arbeit an der ersten Staffel begonnen haben. Und da standen die Kooperationspartner:innen, also NDR und rbb, noch gar nicht final fest. Ihre Teilnahme hat die Fertigstellung und Veröffentlichung dann auch ermöglicht.
War damals denn mit dieser Resonanz zu rechnen?
Nein, die hat unsere wildesten Erwartungen übertrumpft! In erster Linie wollten wir einen guten Doku-Podcast machen, der sich am Niveau amerikanischer Formate wie Wind of Change und 9/12 oder Running from Cops von Dan Taberski orientiert.
Woher kannten Sie die?
Ich habe natürlich auch vor Cui Bono schon Podcasts gehört – da kommt man um diese Arbeiten nicht umhin. Das verbindet auch mich und Tobias Bauckhage von Studio Bummes, mit dem ich sehr eng zusammengearbeitet habe und ohne dessen klugen inhaltlichen wie formalen Ideen Cui Bono nicht geworden wäre, was es geworden ist. Als er aus Amerika zurückkam und wir uns getroffen hatten, haben wir gemerkt, ähnliche Interessen und Ideen zu haben, was dokumentarisch erzählte Podcasts angeht.
Woher rührt denn Ihr Interesse beim Doku-Podcast an den dunklen Ecken des Internets, in dem zwar nur wenige zu hören sind, das aber sehr laut?
Eben weil sie kaum zu überhören sind, dabei jedoch eine Irritation erzeugen, die mich dazu animiert, genauer hinzusehen, was genau da mit uns und der Gesellschaft passiert. Unser Bestreben ist es, durch die Lautstärke zum eigentlichen Kern der Sache vorzudringen. Denn popkulturelle, aber auch journalistische Betrachtungen bleiben da oft auf der phänomenologischen Ebene stecken, berichten also über Gerichtsprozesse, Demonstrationen oder Events, auf denen etwas Außergewöhnliches gesagt, passiert, entstanden ist. Nichts gegen diese Art der Betrachtung, aber wir betreiben eher Ursachenforschung. Und dafür ist Podcast ein sensationelles Medium.
Warum genau?
Unter anderem, weil wir selber entscheiden, wie viel Sendezeit eine Story benötigt, um sie ganz zu erzählen.
Ist lang erzählt generell besser als kurz?
Nein, man findet Erhebungen in beide Richtungen. Beim Hören ist kurz oder lang letztlich eine Frage von Geschmack, Zeitbudget und der Aktivität, die man nebenbei betreibt. Aber das Schöne am Podcasten ist ja: Es ist für alle etwas dabei.
Orientiert sich Cui Bono dennoch an Zielgruppen?
Wenn wir eine Idee haben, die uns begeistert, stellen wir uns die Zielgruppen-Frage gar nicht. Deshalb kann ich mich auch nicht daran erinnern, dass wir uns mal hingesetzt hätten, um darüber zu sprechen. Wir haben auch keine Personas entwickelt oder irgendwelche anderen Methoden der Formatentwicklung angewendet. Uns war früh klar: Wir haben eine interessante Recherche, eine gute Geschichte, tolle Leute, die uns dabei unterstützen – wir haben uns also voll und ganz darauf verlassen.
Und Plattformen wie Podigee oder Spotify mischen sich auch nicht ein?
Nein. Spotify hat Zielgruppen sicher genau im Blick, wenn sie neue Originals in Auftrag geben. Aber bei Cui Bono sind sie ja – wie Apple, Amazon, Google und andere – ausschließlich Plattforminhaber gewesen. Wenn wir dort laufen, erheben sie ganz gewiss eigene Metadaten, die sie ja auch teilweise mit den Publishern teilen, Absprungraten und dergleichen, aber das hat keinen unmittelbaren Einfluss auf unsere Arbeit, unsere Themenauswahl oder unsere Interessen.
Sind diese Interessen wie vorhin erwähnt allein soziokultureller oder auch persönlicher, also privater Natur?
Immer beides. Wer sich wie wir einer Geschichte schon mal zwölf Monate widmet, muss davon definitiv auch persönlich gepackt werden. Ich würde niemals so viel Lebenszeit investieren, wenn es mir nicht auch als Mensch wichtig wäre und das Gefühl gäbe, damit was bewirken zu können.
Was möchten Sie denn bewirken?
Ich möchte Sinn machen und vertraue nicht immer darauf, dass er sich einfach so von alleine ergibt. Heißt: Ich möchte Momente der Wahrheit finden, Sinnzusammenhänge herstellen. Das geht nur, wenn man sich, wie wir, die Zeit nimmt und auch mal ordentlich rauszoomt. Wie gesagt: Weg von der rein phänomenologischen Betrachtung, hin zu mehr Kontext. Nur so lassen sich komplexe gesellschaftliche Entwicklungen erzählen. Ich möchte, dass unsere Zuhörer:innen nicht unbedingt das Gefühl haben, hinterher klüger zu sein, sondern dass sich bei ihnen so etwas wie Verständnis entwickelt. Es geht um Befähigung und nicht um Erziehung.
Kosten sich berufliches und privates Interesse gegenseitig weder journalistische Objektivität noch emotionale Verbundenheit?
Niemand macht Journalismus, um Braveheart-mäßig „Objektivität!“ brüllend in die Schlacht zu ziehen. Journalismus machen, das ist für mich auch eine Frage der Haltung. Und die kann emotional sein. Oder satirisch aufgearbeitet, siehe auch ZDF Magazin Royale. Gerade beim Podcasten ist es aus meiner Sicht völlig in Ordnung und möglich, ohne an journalistischer Glaubwürdigkeit einzubüßen, Emotionen zuzulassen – solange ich mir darüber im Klaren bin, wo sie herrühren und was sie bewirken, also reflektiert und erzählt werden. Auch deshalb ist Cui Bono ja komplett gescriptet.
Wie komplett genau?
Jedes Wort, jede Regung, alle Chuckles und Seufzer, manchmal sogar das hörbare Ausatmen oder Schlucken – all diese Dinge schreibe ich in der Regel direkt in die Skripte rein, weil sie als Signale bei den Hörer:innen ankommen, die besonders bei einem sensorisch reduzierten Medium wie Podcasts wahnsinnig wichtig sind.
Sind Sie selbst ein so akustischer Typ und haben früher schon gern Radio gehört?
Ich habe nie routinemäßig Radio gehört. Ich höre im Übrigen auch gar nicht so viele Podcasts, vor allem auch nicht jetzt, wo ich mich fast täglich mit unseren eigenen auseinandersetze. Natürlich gibt es ein paar, bei denen ich sehr gerne einschalte, und ein paar Autor:innen, von denen ich sogar Fan bin.
Zum Beispiel?
Da fällt mir wieder Dan Taberski ein, ich bin echt Fan all seiner Arbeiten. Was er mich beim Zuhören gelehrt hat: Nichts geht über Empathie und Neugier. Ich muss auch meine Antagonist:innen wie Held:innen erzählen können – oder ihnen zumindest empathisch begegnen. Mir ist einfach wichtig, dass bei den Menschen was hängenbleibt, das sie berührt. Und weil wir buchstäblich im Ohr der Leute hängen, ist Podcast als äußerst intimes Medium dafür so gut geeignet. Ein Medium, bei dem es ums Zuhören geht.
Und damit eigentlich ein extrem anachronistisches in unserer maximal visuellen Zeit optischer Optimierungszwänge über soziale Medien!
Und genau deswegen empfinde ich Podcasts inzwischen als so etwas wie einen Befreiungsschlag gegen den Zwang zur visuellen Dauerberieselung. Oder etwas weniger drastisch: als gute Alternative. Wenn man sich Plattformen wie Netflix oder auch Youtube ansieht, ist man dabei schließlich sensorisch komplett gebunden, also auch örtlich gefesselt und von vielen anderen Sinnen abgekoppelt. Podcasts kann man nebenbei hören und dennoch auf beide Tätigkeiten fokussiert bleiben, es ist im besten Sinne des Wortes ein Begleitmedium.
„Nebenbei begleiten“ klingt allerdings auch ein bisschen nach „beiläufig berieseln“. Wie hält ein guter Podcast sein Publikum anspruchsvolle bei der Stange, ohne es einzulullen oder einzuvernehmen?
Da muss man als Geschichtenerzähler das Rad nicht neu erfinden. Inhalt, Dramaturgie, Fallhöhe, Cliffhanger, Pausen, Tempo, Twists, Teaser, Wendungen – all das war auch vorm Podcast schon wichtig für fesselnde Spannungsbögen.
Wie wichtig ist eine gute Stimme? Wo wir uns jetzt hier gegenübersitzen, reden Sie zwar pointiert und fehlerfrei, allerdings auch wahnsinnig schnell…
Danke?
In Cui Bono dagegen ist Ihr Erzähltempo eher gemächlich. Legen Sie vorm Mikro einfach einen Schalter um?
Den gibt es, im Tonstudio spreche ich natürlich anders als außerhalb. Was aber ganz sicher nicht nur mir so geht, sondern den meisten Hosts und Sprecher:innen. Außerdem habe ich zum Glück eine gute Regie, die mir im Zweifel hilft.
Und eingreift, wenn die Geschwindigkeit anzieht?
Genau. Aber nicht nur dann. Manchmal sagt mir Tobi bei den Cui Bono-Aufzeichnungen auch, wenn ich zu gesetzt klinge, zu unernst oder schlicht nicht passend zum Text.
Wie viele Takes gönnt sich eine Independent-Produktion dafür im Zweifel pro Szene, bevor man die zweitbeste nimmt?
In der ersten Staffel Cui Bono, wo ich meinen Rhythmus noch finden musste, auf jeden Fall mehr als in der zweiten. Wenn es tricky wird, können es aber auch heute noch locker 20 sein und trotzdem nimmt man am Ende den vierten Take. Aber so oder so: Manchmal braucht man nur einen für komplizierte Passagen, manchmal fünf für vermeintlich leichte. Podcasten ist unberechenbar.
Haben Sie mal Sprechtraining gemacht?
Nein.
Und würden Sie es anderen empfehlen?
Das ist eine persönliche Entscheidung, die auch davon abhängt, was man machen möchte. Es ist auch irgendwo eine philosophische Überlegung vielleicht. Ich würde ja sagen: Ich spreche überhaupt nicht, ich bin kein Sprecher, sondern Host. Mit der Haltung wiederum spreche ich ganz anders…
Ist dieses konzentrierte Sprechen mit der richtigen Betonung an der richtigen Stelle demnach Begabung, learning by doing, beides?
Es ist vor allem learning by hearing. Und dann, ja, by doing. Und anders als beim Verlesen der Nachrichten muss man Podcast-Texte eher noch ein wenig spüren. Da hilft es sehr, sie selbst verfasst zu haben.
Muss ein guter Storytelling-Podcast über dieses Gefühl hinaus noch weitere, vielleicht sogar goldene Regeln beachten?
Es gibt für uns ein paar goldene Grundsätze, ja. Musik sollte zum Beispiel niemals als Hintergrundgedudel wahrgenommen werden. Sie ist ein eigener, wertiger Teil der Dramaturgie, um die Geschichte zu erzählen und Stimmungen nicht bloß zu verstärken, sondern zu moderieren. Bei Cui Bono hatten wir anfangs ein Orchester, dessen Sound sich immer weiter aufgebaut hat, bevor er im Finale förmlich in sich zusammenbricht und damit Ken Jebsens Werdegang kommentiert. Wenn Musik nur reingegoogelt wird, lieber weglassen.
Weitere Grundsätze?
Das Sprechtempo hatten wir ja schon. Wenn du so schnell redest, wie ich gerade mit Ihnen, so schnell, dass dich die eigenen Worte überholen, wird es zu unruhig. Also: Sorry, das wird in der Transkription bestimmt anstrengend… Außerdem ist es gerade bei umfangreicheren, faktenbasierten, stark gebündelten Podcasts wie unserem wichtig, Wegweiser und -marken zu setzen, also das Publikum zwischendurch mal auf einen gemeinsamen Kenntnisstand zu setzen, sonst verliert es sich in der schieren Informationsfülle. Man darf sich nie ganz auf das Kreativ-Künstlerische verlassen, sondern immer auch aufs Technisch-Erklärende.
Zum Beispiel?
Ach, wenn du einen Zeitsprung ins Jahr 1996 machst und dort eine Weile weitererzählst, ist es extrem hilfreich, irgendwann noch mal die Jahreszahl auszusprechen. Da braucht das Skript präzisere Handreichungen als nur einen Ton, der ein Szenenwechsel ankündigt.
Könnten Sie angesichts dieser Genauigkeit Ihrer Skripte bis ins kleinste Detail eigentlich auch einen Gesprächspodcast machen oder brauchen Sie als Host präzise vorgefertigten Text?
Naja, der präzise vorgefertigte Text ist ja mein eigener; im Schreibprozess lese ich ihn sicherlich hundertmal laut vor. Das fertigstellte Skript, mit dem ich ins Studio gehe, ist gewissermaßen die Transkription des Vorgelesenen. Aber klar könnte ich mir vorstellen, mal einen Gesprächspodcast zu machen und denke auch darüber nach. Ich habe großen Respekt vor allen, die diese ungeskripteten Formate machen – denn so einfach wie das klingt, ist es nicht.
Sind Sie, was Podcasten betrifft, ein Perfektionist, der aufs größtmögliche Publikum zielt?
Durchaus. Ich hatte vorhin zwar erwähnt, dass mögliche Zielgruppen eher am Ende der Erwägung stehen, aber Reichweite ist uns schon wichtig.
Kleben Sie demnach manchmal an den Metadaten und zählen Zugriffe?
Klar. Vor allem kurz nach Veröffentlichung eines neuen Podcasts. Da ist die Aufregung schon groß. Ich möchte ja nichts nur für mich selber machen, vor allem nicht bei diesen großen Produktionen, in die wir viel Zeit reinstecken. Ein ganzes Team, das viele Monate an etwas arbeitet, hat mehr als ein paar Hundert Zuhörer:innen verdient.
Spätestens an dem Punkt stellt sich die Frage: Cui Bono – wem zum Vorteil ist dieser Podcast, wer verdient daran und wie viel?
Zunächst einmal impliziert Cui Bono ein dunkles Motiv, vielleicht sogar eine Verschwörung. Die Wahrheit ist: Wir sind Journalist:innen, Produzent:innen und Musiker:innen, die mit ihrer Arbeit natürlich Geld verdienen wollen, um Mieten zu bezahlen, Rechnungen zu begleichen und überteuerte vegane Restaurants auszuprobieren. Irgendwie ist das ein wenig so, als würde man einen Bäcker fragen, warum er Brötchen backt. Ich finde die Antwort darauf evident… Aber um die Frage nach dem „wie viel?“ zu beantworten: Wer das große Geld verdienen will, ist mit aufwendigen Doku-Podcasts, an denen man ein Jahr lang arbeitet und die man dann innerhalb von fünf Wochen ausspielt, sicherlich nicht so gut bedient.
Verglichen mit Gesprächspodcasts also?
Das ist definitiv der lukrativere Weg – sofern man es schafft, ein Publikum zu finden. Allein die Regelmäßigkeit im Wochen- oder Monatsrhythmus, womöglich mit messbar wachsendem Zugriffszahlen, hilft bei der Suche nach Werbepartner:innen enorm – besonders dann, wenn prominente Persönlichkeiten am Mikro sitzen und Werbung ziehen. Damit verdienen mittlerweile nicht wenige ganz gutes Geld. Wir werden als Undone da dieses Jahr noch was Anderes ausprobieren, aber ein Format wie Cui Bono funktioniert vorerst besser durch Kooperationen, etwa mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder privaten Partner:innen wie RTL+Musik.
Storytelling braucht Sponsoring, ein Gesprächspodcast richtige Werbung?
So ungefähr. Der deutsche Podcastmarkt lebt aktuell von so genanntem Empfehlungsmarketing. Deine liebsten Podcaster:innen empfehlen dir also diese eine Matratze, die auch ihnen dabei hilft, wun-der-bar zu schlafen!
An welchem Punkt der Planung sind bei Cui Bono denn NDR und rbb mit ihren gut gefüllten Gebührentöpfen hinzugekommen?
Es gab erst die Idee, dann die Annäherung und bald die Zusage.
Weil man dich in Hamburg und Berlin vorher schon kannte oder vom Konzept überzeugt war?
Als Angestellter der Produktionsfirma K2H…
Die damals schon Informationsinhalte für beide Sender geliefert hatte.
… der weder Host noch Autor war, kannten die seinerzeit allenfalls meinen Namen. Der Lead in den Verhandlungen war Tobias Bauckhage von Studio Bummens. Ich bin zwar immer noch Teil eines Teams, aber mittlerweile wissen die schon, wer ich bin. Zumindest hoffe ich das!
Warum haben Sie nach dem Erfolg von WTF happened to Ken Jebsen dennoch Ihre eigene Firma Undone gegründet und gemeinsam mit Studio Bummens und RTL+Musik Staffel 2 produziert?
Zum einen, weil im Jahr nach der ersten Staffel so wahnsinnig viel passiert ist, dass eine Änderung nötig war. Zum anderen, weil ich mich schon lange mit eigener Firma und meinem besten Freund Patrick Stegemann selbstständig machen wollte. Der Wunsch war immer da, und der Erfolg von Cui Bono hat ihm krassen Rückenwind gegeben. So entstand Undone.
Mit wie vielen Mitarbeiter:innen?
Mittlerweile acht festangestellten und eine Reihe freier, die wir projektbezogen für die Recherchen dazu holen.
Hat sich das Arbeiten dadurch verändert?
Schon, die Partner haben sich ja geändert. Statt NDR und rbb war in der 2. Staffel RTL+Musik dabei, aber weiterhin Studio Bummens und eben wir als Undone. Aber den anderen Podcast des Vorjahrs…
Legion übers Hacker-Kollektiv Anonymous.
… haben wir wieder mit NDR und rbb gemacht. Das wechselt anlass-, themen- und konzeptbezogen. Wir arbeiten da wirklich gerne offen mit allen zusammen, solange das zu den Projekten passt.
Machen Sie sich Ihre Popularität gepaart mit eigener Firma und wachsender Netzwerkdichte künftig nutzbar, um Ihr Portfolio breiter aufzustellen oder bleiben Sie in der lauten Nische des Internets, den Drachenlords und Verschwörungsideologen?
Weder noch, denn unser Themenkern kreist immer noch um die Frage: Haben wir eine kleine Geschichte, um die große dahinter zu erzählen? Wer mich ein bisschen besser kennt, kann den Vergleich vermutlich nicht mehr hören, aber Leute wie Ken Jebsen oder Rainer Winkler sind für mich Trojanische Pferde, die ich in all ihrer Pracht vor die Türen unserer Zuschauer:innen stelle, um mit deren Hilfe hineingebeten zu werden. Wer dann einmal drin ist, kann langweiliges Zeug wie Gesellschaftsanalyse und Ursachenforschung machen. (lacht)
Haben Sie das Trojanische Pferd Ken Jebsen dafür persönlich getroffen?
Nein, es gab mehrere Kontaktversuche, bei denen ich ihn mit unseren Rechercheergebnissen konfrontiert habe, aber es gab nie eine Antwort. Auch so hat das Pferd „Aufstieg und Fall eines bekannten Radiomoderators“ jedoch bestens funktioniert, um die Mauer der Verschwörungsideologie zu überwinden. Oder am Beispiel des „Drachenlords“ Rainer Winkler: durch dessen Schicksal sind wir in die dunkelsten Bereiche des Cyber Mobbings vorgedrungen. So lernt man am Beispiel beider auch viel über die letzten zehn, zwanzig Jahre bundesdeutscher Geschichte – etwa, was Reality TV aus der Gesellschaft gemacht hat, in der wir leben.
Geht es Ihnen abseits von Unterhaltung und Journalismus darum – Bildung, Lernen, letztlich also Pädagogik?
Nein. Wie vorhin kurz angedeutet: Es geht um Befähigung. Das ist für mich die Aufgabe von gutem Journalismus, vor allem in einer Demokratie: Menschen neue Sinnzusammenhänge aufzeigen, sie nicht verteufeln und nicht auf sie hinabschauen. Die Wahrheit ist: Auch wir lernen ja erst im Laufe unserer Recherche all die Dinge, die wir dann sehr selbstbewusst in Podcasts und Interviews von uns geben.
Reflektieren Sie am Beispiel Ihrer Recherche eigentlich hauch das eigene Mediennutzungsverhalten?
Na klar. Deshalb haben wir uns gerade im Zuge der zweiten Staffel Cui Bono mehr denn je selbst hinterfragt. Wir nehmen uns bei der Kritik an den Verhältnissen nicht raus.
Man steht schließlich nicht im Stau, man ist der Stau!
Ganz genau. Ich bin auch auf sozialen Medien und Messengern aktiv, habe auch Big Brother geschaut, bleibe bis heute manchmal bei Reality TV hängen und binge fix mal zehn Stunden Netflix, wenn mir nichts Besseres einfällt. Aber das ist mir und uns auch wichtig für unsere Art des Podcastings: Es gibt kein „wir“ und kein „ihr“, es gibt ein kollektives „uns“, das alle und alles betrifft. Der Podcast geht auch mich selber an.
Hat Ihre Impulskontrolle auf Social Media auch schon versagt, haben Sie mal jemanden gehatet, gar gemobbt?
Jetzt hören Sie einen Satz, den ein weniger seriöses Blatt in die Überschrift nehmen würde: Ich war nie ein Mobber. Aber klar habe ich auch mal übertrieben, hab schneller getippt als gedacht. Das gilt nicht nur für die öffentliche, sondern auch die private Kommunikation.
Wie ist es mit Ihnen als Adressat – kriegen Sie, auch als Mensch mit dem berühmten Migrationshintergrund, viel Hass ab im Netz?
Ja, ja. Da kommt einiges an.
Wie gehen Sie damit um?
Der beste Weg für mich ist, gar nicht zu reagieren. Social Media funktioniert als Abfolge von Reaktionsmustern, auf die man sich einlässt oder eben nicht. Ich neige zu letzterem. Das regt die höllisch auf.
Wo befindet sich da denn Ihre Reaktionsschwelle?
Ach, es wird meistens relativ schnell klar, ob jemand diskutieren oder pesten will. Und wenn es die Aussage nicht offenbart, tut es spätestens ein Click aufs Profil der Person und ihre Postings. Meine persönlichen Filter funktionieren da mittlerweile bestens. Hater sieht man sofort.
Wie stark wird beim Hass Ihre Herkunft thematisiert, die sich in Namen und Gesicht sichtbar widerspiegelt?
Stark.
Sie sind im Alter von sieben Jahren aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Hat diese Biografie etwas mit Ihrer thematischen Gewichtung bei Cui Bono zu tun?
Diese Biografie spielt natürlich immer eine Rolle – beruflich ebenso wie privat. Es nützt überhaupt nichts, das wegzuleugnen… Aber die Links in mein aktuelles journalistisches Themenfeld ist mindestens zu gleichen Teilen Zufall und generellem Interesse wie meiner Herkunft geschuldet. Selbst die erste Staffel Cui Bono, wo meine Mutter und meine Kindheit in Kassel zur Sprache kommen, folgt da eher dramaturgischem Interesse. Ich versuche eben grundsätzlich kein afghanischer Journalist zu sein, der ständig über sein Geburtsland berichtet.
Klingt, als käme da noch ein Aber?
Aber irgendwann möchte ich mich dennoch auch in einer größeren Arbeit beruflich damit auseinandersetzen. Es hat sich bislang nur noch nicht angeboten.
Aber doch womöglich von anderen aufgedrängt; wurden Sie, etwa nach dem Fall Kabuls, als Afghanistan-Experte angefragt?
Na klar, da kamen ständig Interviewanfragen – Fernsehen, Online, Radio, überall. Und das ist ja auch besser, als überhaupt nicht nach unserer Situation, unserer Stimmung, unserer Expertise befragt zu werden. Ich würde nur gerne was über Afghanistan erzählen, wenn dort gerade mal nichts explodiert.
Auch in Form eines Podcasts?
Warum nicht. Bislang hat mich allerdings noch niemand gefragt. Beziehungsweise, wenn ich denn mal was angeboten habe, hieß es, Afghanistan sei gerade kein Thema. Tja.
Waren Sie denn wenigstens schon in Frank Joungs fabelhaftem Gesprächspodcast Halbe Katoffl zu Gast, bei dem er mit Menschen fernerer Wurzeln redet, ohne dauernd deren Herkunft zu thematisieren?
Kenne ich, war ich aber noch nicht.
Und was folgt als Host und Sprecher als nächstes?
Also noch genießen wir den Launch von Cui Bono 2 in vollen Zügen. Von Cui Bono 3 gibt’s noch nichts zu berichten. Dafür geht Noise in die 2. Runde und Ende des Jahres kommen zwei große Investigativ-Geschichten raus, über die wir natürlich nichts sagen können. Außerdem läuft bald unser erstes wöchentliches Format….
Also doch.
Also doch!
Aber weiterhin strikt akustisch oder könnten Sie sich auch vorstellen, vor Kameras sichtbar zu werden?
Auch darüber wird nachgedacht. Wir denken ja generell über vieles nach.