Max Mauff: Mapa & die Traurigkeit
Posted: May 19, 2023 | Author: Jan Freitag | Filed under: 4 donnerstagsgespräch |Leave a commentMein Ziel ist Kommunikation
Max Mauff ist einer der unwahrscheinlichsten Fernsehstars im Land – daran hat seine Hauptrolle als junger Witwer in der ARD-Serie Mapa (Foto: Carolin Weinkopf/RBB) großen, aber nicht alleinigen Anteil. Interview zum Start der 2. Staffel über traurige Rollen, ihre Heilungsversprechen, Kapitalismus am Set oder warum er für Nebenrollen manchmal alles stehen und liegen lässt.
Von Jan Freitag
freitagsmedien: Max Mauff, Ihr Witwer Metin ist in der 2. Staffel Mapa teilweise richtig gut drauf. Ist es nach dem Trübsinn der 1. Staffel eine Erleichterung, ihn so positiv spielen zu dürfen?
Max Mauff: Eine Riesenerleichterung sogar! Und mir fällt erst dadurch auf, wie schwer der Weg durch die erste Staffel für uns war. Die Drehzeit, das gesteht man sich währenddessen ja gar nicht ein, war damals streckenweise schon richtig belastend. Ich bin oft erstaunt darüber, was ich von meinen Figuren auch danach noch mit rumschleppe, gerade bei den eher aggressiven. Abgefahren.
Ist das eine Frage der Mentalität oder der Bücher, Geschichten auch persönlich so an sich heranzulassen?
Beides, aber ich bin ein Typ, den Geschichten wirklich erreichen und gegebenenfalls auch fertigmachen. Dieses Gespür muss man aushalten können, denn manchmal ist es wie ein Fluch, den ich seit 20 Jahren in meinem Beruf mit mir herumtrage.
Fluch oder auch Segen? Je näher einem Charaktere emotional kommen, desto mehr kann man ihnen emotional ja auch entlocken…
Stimmt. Da ich Schauspielen immer machen wollte, aber nie richtig gelernt habe, musste ich mich immer eher aufs Fühlen als Können verlassen. Wenn ich etwas über mich herausgefunden habe, dann Emotionen finden zu wollen, aber auch ertragen zu können. Trotzdem hat es Riesenspaß gemacht, bei Mapa jetzt endlich mal fröhlich, statt immer nur traurig zu sein. In der ersten Staffel hatten die anderen viel damit zu tun, mich zu stützen, damit ich in der Traurigkeit nicht untergehe.
Ist Traurigkeit, ohne traurig zu sein, schwerer zu spielen, als Freude, ohne froh zu sein?
Also mir fällt es leichter, zu lachen; weinen ist intimer. Es bleiben natürlich Abstraktionen meiner wahren Gefühle, aber so sehr, wie ich mich auf Szenen einlasse, ist es am Ende gar nicht so abstrakt, sondern ein Teil von mir. Diesen Kontrollverlust erhoffe ich mir als Schauspieler selbst von Drehbüchern, die mich eigentlich perfekt führen. Es klingt vielleicht esoterisch, aber wenn ich Metin spiele, bin ich so etwas wie sein Medium. Manchmal dachte ich dabei fast, ich zwinge alle anderen am Set in meine Emotionen rein, obwohl wir letztlich ja doch eine gute Zeit zusammen haben…
Andererseits ist Mapa ja nicht Lars von Trier, hatte also bei aller Melancholie und Traurigkeit auch in der ersten Staffel schon lichte Momente.
Unbedingt sogar. Fast alle Aspekte der Trauer enthalten ja ein Heilungsversprechen. Das hilft am Ende nicht nur bei der realen Bewältigung, sondern auch der filmischen Heldenreise, die dazu neigt, alles vorm Trauerfall zu idealisieren und alles danach zu problematisieren.
Das klingt ziemlich souverän. Hatten Sie selbst schon mal einen Trauerfall im engeren Umfeld, der Ihren künstlerischen Umgang mit dem Tod beeinflusst hat?
Nein. Ich hatte auch während der Kindheit zwar schon erste Verlusterfahrungen, aber so richtig gestorben wird um mich herum erst jetzt so langsam, je mehr ich meine Dreißiger durchschreite. Meine Oma ist zum Beispiel, ohne die ich vielleicht gar kein Schauspieler geworden wäre, weil sie mir schon ganz früh immer alles, was ihr als Anschauungsmaterial wichtig erschien, in der Fernsehzeitschrift angekreuzt und aufgenommen hatte, damit ich es mir beim nächsten Besuch auf VHS-Kassetten ansehen konnte. Als sie nach der ersten Staffel Mapa gestorben ist, habe ich erstmals gespürt, was Trauer für ein zähes Brett sein kann.
Kann Film oder Filmemachen da therapeutisch wirken, als Hilfe bei der Trauerarbeit?
Ich denke schon, glaube generell auch fest an den therapeutischen Effekt des Spielens für sich und andere. Wir sind alle manipulierbar. Zugleich aber sollte man sich hüten, als Schauspieler oder Publikum zu viel von Fiktion zu erwarten – gerade in Bezug auf Heilung innere Verletzungen. Obwohl Filme und Serien Denkanstöße geben, muss man den Bärenanteil der Aufarbeitung schon noch privat leisten. Das ist aber auch ein Entwicklungsprozess. Mit Anfang 20 dachte ich noch viel eher, wir werden den deutschen Film dahingehend verändern, dass er die Menschen wirklich beeinflusst. Da wurde ich doch ein bisschen desillusioniert.
Neigen Sie zur Desillusionierung, also großen Träumen und geringem Ertrag?
Manchmal mehr, manchmal weniger. Ich will da allerdings gar nicht so fatalistisch klingen. „Mapa“ zum Beispiel kann definitiv therapeutisch wirken, so was will ich häufiger machen, darum geht es doch als Schauspieler.
Seit wann nennen Sie sich so – schon bei Ihren ersten Rollen als Achtjähriger mit Aelrun Goette oder erst später?
Später, obwohl ich nicht erst bei Aelrun am Set, sondern sogar vorher schon in der Theaterklasse genau wusste, Schauspieler werden zu wollen. Es gab nie einen zweiten Berufswunsch, ich habe ihn allerdings erst so bezeichnet, als ich meine erste Agentur hatte, so mit 14 Jahren.
Was macht es mit dem Schauspieler und Menschen, Dreiviertel seines Lebens vor der Kamera zu stehen – abgebrüht oder demütig?
Ich hab‘ ja nur das eine Leben und deshalb auch keinen Vergleich, kenne also auch keinen anderen Arbeitsrhythmus als meinen – manchmal wochenlang durchzuarbeiten und dann wieder lange auf was Neues zu warten. Alles bleibt ungewiss, nirgends gibt’s feste Strukturen, dazu ständig diese Widersprüche, etwas zu wollen, was dich nicht will oder umgekehrt, und das ohne protegierende Instanzen wir in Frankreich, die dir das Geschäft von der Pike auf erklären. Weil man sich hier alles erst mühsam erarbeiten muss, bin ich demnach weder abgebrüht noch demütig, sondern Realist.
Was bedeutet?
Das kapitalistische Konkurrenzsystem der Schauspielerei zu akzeptieren, wie ich es in meiner Anfangszeit Ende der Neunziger erlebt hatte. Gleichzeitig merke ich, wie wenig es mir gibt, wie sehr ich mich darin zurückziehe und wie toll es ist, wenn sich die Konkurrenz im Ensemble auflöst, wenn man nicht gegen-, sondern miteinander spielt. Das ist so viel inspirierender.
Belebt Konkurrenz im Schauspiel also nicht das Geschäft?
Doch, die gehört schon dazu. Ich musste auch für Mapa mit anderen um die Titelrolle konkurrieren. Aber je länger ich im Geschäft bin, desto klarer wird mir, dass diese Konkurrenz zwar dazu gehört, aber nichts verbessert. Wirklich gut bin ich erst, wenn es ein Miteinander gibt. Mir ist einfach mittlerweile klar geworden, dass ich diesen Beruf nicht für Geld, Renommee, tolle Regisseur:innen oder Figuren mache, sondern dafür, sich im Kollektiv auf etwas Gemeinsames einzulassen. Mein Ziel ist Kommunikation. Das Gegenteil hab‘ ich mal mit Heiner Lauterbach erlebt.
Ach…
Das schlimmste Casting meines Lebens, vor 15 Jahren ungefähr, der hatte mich da so kleingemacht, diesen Schock werde ich – ohne nachtragend zu sein – schon aus purem Selbstschutz, so nicht werden zu wollen, niemals vergessen.
Aus einem Duell überdimensionaler Egos wie Klaus Kinski und Werner Herzog würden Sie also keine Energie ziehen, sondern flüchten?
Vielleicht würde ich da so etwas wie konstruktiven Trotz entwickeln, aber tendenziell machen mich solche Machtspiele aus einer Zeit lange vor #MeToo einfach nur unglücklich. Ich verbinde mit der Schauspielerei ja eher Begriffe von Freiheit statt Autorität.
Gehört zu dieser unautoritären Freiheit auch, trotz ihres gewachsenen Ansehens und damit auch Einflusses nicht mehr nur Hauptrollen zu spielen, sondern wenn nötig freiwillig ins hinter Glied kleiner Nebenrollen zurückzutreten?
Auf jeden Fall! Das Gefühl, unbedingt Hauptrollen spielen zu müssen, ist mir aber seit jeher völlig fremd. Ich habe erst vor kurzem eine Tagesrolle bei Schalko gemacht.
Na ja – für David Schalko lässt man halt so einiges stehen und liegen…
(lacht) Okay, aber abgesehen davon, dass mein Freund und Kollege Joel Basman auch dabei war, ist mir generell wichtig, den Druck solcher Nebenrollen zu erspüren, in ein eingespieltes Team zu kommen, seine Leistung abzuliefern und wieder rauszugehen. Nebenrollen sind richtig harte Arbeit. Ich wünsche mir ja auch als Hauptdarsteller, dass für Nebenrollen tolle Leute engagiert werden, die für die Familie alles reinwerfen.