Bastian Pastewka, Hamburg 2012

Ich spiele am liebsten Durchschnitt

Wenn Normalität brüllend komisch wird und aus dem Nichts Comedy, dann ist hierzulande meist Bastian Pastewka am Werk. Der Bochumer hat es in geschafft, sich vom Brsikos Schneider der Wochenshow zu emanzipieren und eine eigene Marke zu schaffen. In Serien wie Pastewka (derzeit freitags ab 23 Uhr, Sat.1) oder Filmen wie Mutter muss weg spielt er immer auch ein bisschen sich selbst und tut damit im anschwellenden Wahnsinn ringsum das, was er am besten kann: aus Alltagshandeln Humor gewinnen. Ein Gespräch über die Basis guter Witze und das Potenzial der Normalität, über Eitelkeit, Würde und seine allererste Sexszene.

freitagsmedien: Herr Pastewka, ernsthaft – hatten Sie im Fernsehfilm Mutter muss weg kürzlich allen Ernstes eine Sexszene?

Bastian Pastewka: Sogar meine erste.

Und wie war’s?

Toll!

Weil es Spaß gemacht hat oder weil man Ihnen das noch zutraut?

Ich bin 40 und daher im Grunde nur noch Sexobjekt. Das ist ja bekannt! Aber viel intensiver als die Kuschel-Szene war ja unsere gemeinsame Tanzszene.

Sie können offenbar sogar Tango.

Überrascht Sie das? Ich hab zwar als Teenager die Tanzschule oft geschwänzt, weil ich damals zu unbeweglich war. Aber für die Szene hat’s gereicht. Außerdem haben Rosalie und ich viel geübt.

Hatten Sie keine Angst, bei der Fast-Bett-Szene oder dem Tanz gängigen Schönheitsidealen solcher Einstellungen zu widersprechen?

Ach, es bringt ja nichts, sich schöner machen zu wollen, als man ist. Deshalb nehme ich mir auch immer wieder vor, weniger Sport zu machen, um mehr Zeit zum Essen zu haben. Mich stört im Grunde bereits, morgens am Filmset gleich stundenlang geschminkt zu werden. Diese Fummelei im Gesicht kann ich kaum ertragen. Bei Wolfgang & Anneliese

Ihrer Volksmusikpersiflage mit Anke Engelke.

… bleibt das natürlich nicht aus. Aber in einer Real-Life-Geschichte wie bei Mutter muss weg…

Der mit der Bettzene.

… bin ich dogmatisch: Verschönern oder gar doubeln ist nicht notwendig. Und es macht mir auch keine Angst, wenn Zuschauer sich fragen, wie der mit dieser Wampe und den Runzeln am Hintern eine Sexszene drehen kann. So sehen Menschen halt aus.

Versucht man Sie da vielleicht sogar eher unansehnlicher zu machen, um dem Bild der Normalität, das Sie etwa in Pastewka verkörpern, besser zu entsprechen?

Vielleicht. Denn ein Supermodel kriegt man bei mir mit der besten Maske nicht hin, einen hässlichen Dicken ohne Probleme. Frauen gehen auch ganz gut, weil ich so lange Beine habe. Für meinen Bastian in Pastewka sitze ich zehn Minuten in der Maske. Schneller geht nicht. Ich spiele am liebsten Durchschnitt. Ich liefere mich der Kamera bedingungslos aus.

Ist das ein Mangel an Eitelkeit oder ein Überfluss an Professionalität?

Es ist ein Höchstmaß an Eitelkeit und ein Mindestmaß an Professionalität. Ich verrate Ihnen mein Mantra: „Liebe Regie, liebe Ausstattung, liebe Autoren: Sprecht mit mir! Komplizierte Szenen lösen wir gemeinsam! Ich bin zu allem bereit, wenn es dem Großen Ganzen dient!“ Ich will vorab wissen, was für ein Film es wird, denn am Set selber will ich arbeiten, nicht diskutieren. Außerdem möchte ich es gern nett haben bei der Arbeit; auch wenn ich den anstrengenden Stinkstiefel Pastewka spiele.

Viele glauben, Sie spielen nicht nur da eigentlich sich selbst.

Da ist was dran. Wie jeder Komödiant überzeichne ich das wahre Leben, aber alle Emotionen, die ich spiele, haben irgendwie mit mir zu tun. Auch bei Mutter muss weg, wenngleich sich die Situation, einen Killer auf nahe Verwandte anzusetzen, bei mir nicht aus dem wahren Leben schöpfen ließe. Trotzdem steckt darin viel Humor.

Der entsteht bei Ihnen oft eher aus Leerstellen und Pausen, weniger aus Knalleffekten und aufgerissenen Augen. Wie gewinnt man aus dem Normalen Pointen?

Wenn eine Film-Komödie 90 Minuten lang ist, sollte man günstigstenfalls normal beginnen und dann unauffällig ins grotesk Komische übergehen. Man kann das Publikum mit Normalität anlocken. Wenn man es jedoch gleich zu Beginn an überdrehten Quatsch gewöhnt, ist das Pulver schnell verschossen. Ich hab überhaupt nichts gegen anständige Albernheit; auch mein Publikum freut sich über ein paar zünftige Zoten, was ich erleben durfte, als wir Pastewka im Kino gezeigt haben. Viel wahnsinniger macht mich, wenn Filmemacher sich ständig in ihrem Werk dafür entschuldigen, eine Komödie gedreht zu haben.

Klingt ziemlich deutsch.

Stimmt. Daher mein Appell: Steht zu eurem Genre! Traut euch Humor! Pfeift mal auf Bedeutung, auf Anspruch, History! Komödie ist ganz simpel, wenn man mal einmal den Schalter umgelegt hat.

Ist das auch ein Plädoyer, mehr Komik im Drama zuzulassen.

Unbedingt! Und mehr Klamauk in der Komik. Wichtig ist, dass die Rechnung am Ende aufgeht, dass es stimmig ist. Komik entsteht aus Schmerz, Verlangen, dem Wunsch, zu erreichen, was womöglich misslingt. Deshalb muss jede Komik einen gewissen Ernst enthalten. Ein Muttersöhnchen an sich ist nicht komisch; es muss dagegen angehen. Das Wesentliche ist, diesem Scheitern inmitten des Wahnsinns zuzusehen.

Aber selbst im Wahnsinn sind Sie ein ruhender Pol, der ohne Lärm zum Lachen bringt.

Oh, danke. Ich kenne aber auch kein allemeingültiges Rezept. Humor funktioniert bei mir wie ein guter Soundtrack: Ich mag Pausen. Das Komische liegt im Langsamen. Jeder fragende Blick ist bei mir meist lustiger als ein zappeliges „Was?“. Ich durchforste das jeweilige Drehbuch zunächst nach diesen kleinen Momenten.

Das klingt nun wiederum nach harter Arbeit.

Selbstverständlich. Nichts, was ein fiktionaler Film zeigt, ist spontan entstanden. Es gibt keine Zufälle im Film, höchstens mal originelle Ergänzungen.

Drehbücher sind Gesetzeswerke?

Ich finde ja.

Da darf nichts mehr rein?

Als ich mich bei Pastewka mal unabsichtlich bekleckerte, haben wir das drin gelassen, weil es gepasst hat. Aber wenn so was zur Methode wird, geht es daneben. Unserem Vorbild Curb your Enthusiasm von Larry David wird gern unterstellt, es sei improvisiert. Nix da! Alles gewollt, alles verabredet. Wir machen ja keine Impro-Comedy, wo die Bühne spontan mit dem Publikum interagiert. Das ist die Königsdisziplin. Ach, wie gern würde ich die beherrschen… Wenn das Bonner Improvisationstheater Springmaus aus einem Zuruf Fünfminutensketche macht, weine ich vor Glück. Mir selbst zitterten dagegen schon die Knie, als Sat1 bei mir für die Schillerstraße angefragt hat. Ich wusste genau, bei da würde ich spektakulär scheitern.

Wo bleibt da Ihr Ehrgeiz, neue Fallhöhen auszuloten?

Ich besitze keinen! Ich lese meine Drehbücher und plane, plane, plane. Am Filmset weiche ich zwar gern mal von meinen Vorstellungen ab, kann aber nur vorbereitet in den Tag gehen. Es gibt viele Kollegen, die sagen. „Ich lese nicht das Drehbuch, das Drehbuch liest mich“; ich will das so nicht!

Wie vernünftig…

Tja. Vielleicht liegt es daran, dass ich nie eine Schauspielschule besucht habe. Ich befürchte immer noch, dass irgendwann jemand mit einem Aktenkoffer in der Hand bei mir klingelt und sagt: „Herr Pastewka, hier haben Sie es schriftlich: Sie können das gar nicht richtig, was Sie da tun.“ Richtig gute Schauspieler sind meist gute Komiker; umgekehrt ist das selten. Weil Komödianten eher auf den unmittelbaren Effekt aus sind – das Lachen. Danach suchen sie auch im Schauspiel instinktiv, kriegen es aber nicht, kämpfen dann umso mehr darum und scheitern noch fulminanter. Mir ist das im 1. Teil vom Wixxer so gegangen. Da wollte ich zu viel.

Gibt es einen Unterschied zwischen gewollt komisch und komisch?

Wenn das Gewollte gut ist, nicht. Mir gefällt das versteckt Komische allerdings besser. Wenn ich mich hier in der Hotellobby umsehe, ist es womöglich viel witziger, wenn jemand sich mit merkwürdiger strenger Geste die Haare aus dem Gesicht streicht, als wenn er voll gegen den Türpfosten knallt. Kleinigkeiten interessieren mich, Alltägliches, das Unbeobachtete. Auch, was die Reaktion betrifft. Wenn es etwa irgendwo im Restaurant laut scheppert, dreht sich in schlechter Comedy alles um; in der Realität ist das Gegenteil der Fall; da ist so ein Knall bedrohlich und lässt den Blick sinken. Darin liegt vielleicht sogar die stärkste Komik der Comedy.

Haben Sie eigentlich Probleme mit dem schlechten Image dieses Begriffs?

Ich kann ja nichts gegen ihn tun. Wer auf der Straße fragt, ob jemand Comedy mag, kriegt fast immer ein Nein, gern versehen mit dem Zusatz, in Deutschland gäbe es ohnehin keine Humorkultur blablabla. Diese Leute gucken dann abends „Sketche mit Herbert und Schnipsi“ oder strömen in Comedy-Shows und das sind nicht nur Prolls, die billige Zoten wollen. Dem Publikum zu unterstellen, es hätte keinen oder gar schlechten Humor, ist vermessen.

Aber man kann ihm unterstellen, es reagiert auf billige Fließbandpointen, die ohne Aufwand zum Lachen bringen.

Ich glaube, dass kein Publikum der Welt langfristig auf billige Pointen hereinfällt. Aber es ist einfacher, sich über populäre Comedy-Stars aufzureiben als, sagen wir: über Zoodokumentationen. Eisbär, Affe und Co. oder wie diese Dinger am Nachmittag heißen, sind das Deprimierendste überhaupt. Man sieht traurige Tiere in winzigen Käfigen, denen von noch ärmeren Pflegern mit Shampoo-Allergie das Fell geschoren wird. Das ist schlimmer als jede schwache Comedy, schlimmer sogar als Scripted Reality. Darüber regt sich aber niemand auf, weil die Strahlkraft fehlt, weil es keine Lobby gibt, die mit einstimmt ins Lamento, wie beim Verfall der Humorkultur. Es sind ja nur Tiere…

Das Abendprogramm zieht halt mehr Aufmerksamkeit auf sich.

Und da finde ich bedenkenswert, dass es nicht zu wenig guten Humor gibt, sondern zu wenig Humor insgesamt. Zwischen Tausenden von Krimis und dem Rest aus Show, News und Pilcher-Schmalz gibt es nur ein paar kleine erzählerische Inseln namens Dittsche, Stromberg und Tatortreiniger. Das war’s. Wir haben keinen zu schlechten Humor für’s deutsche Fernsehen, sondern zu schlechtes deutsches Fernsehen für guten Humor.

Liegt das am deutschen Hang, auf alles einzuhacken, was erfolgreich ist?

Unbedingt. Ich rufe allen zu: „Macht es besser! Schreibt Komödien! Schreibt auch albernen Unsinn, aber eben erhobenen Hauptes. Trivial, nicht banal! Bringt uns zum Lachen! Vielen Dank!“

Aber wenn es doch zusehends banal wird, muss man doch auch das anspruchslose Publikum kritisieren dürfen.

Aber die 75.000 Live-Zuschauer bei Mario Barth lachen doch gar nicht unbedingt über jede einzelne Handtaschenpointe, sondern im Chor. Es geht um Wiedererkennung, um ein Stück Vertrautheit. Und um Respekt vor jemandem, der das, was er da vor einer Riesenmenge tut, wirklich beherrscht. Mario Barth ist in seinem Fach ein Könner. Er ist in der Lage, nichts dem Zufall zu überlassen, er stellt sich dem Publikum absolut zur Verfügung. Das ist nicht immer feinsinnig, aber keinesfalls schlecht.

Das Niveau sinkt, wenn einparkende Frauen zum Wesen des Witzes werden.

Nicht automatisch, wenn man aus dem Phänomen einen guten Scherz ableitet. Zugegeben, mich interessiert dieses Thema auch nicht. Aber ist das ein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen und das Publikum zu geißeln? Gehen Sie mal nach England, nach Amerika – da hat Comedy denselben Stellenwert wie Reality, Show und Drama. Bei der Verleihung der Emmy’s in L.A. bekommt jede Rubrik eine ganze Stunde Sendezeit. Beim Deutschen Fernsehpreis findet man seit einigen Jahren nicht mal mehr drei gute heimische Comdeyserien für eine mögliche Nominierung. Die Kategorie „Comedy“ wurde daher abgeschafft.

Nicht zuletzt, weil die guten Stoffe fehlen.

Oder der Mut, ernste Stoffe mit Humor und Homoristen zu versetzen.

Und wenn sich das ändert, sehen wir Sie auch mal in ernsten Stoffen.

Ich hoffe doch. Ich hab mir viel Mühe gegeben, mein Image so zu schärfen, um in Untergang II einen Nazi zu spielen. Aber im Ernst: Ich muss nicht mit meinem Image brechen, um es mir und anderen zu beweisen. Sonst scheitere ich, und zwar zu Recht. Mein Anspruch ist es, Komödie so viel Ernsthaftigkeit zu lassen, dass das Komödiantische erkennbar bleibt. Ich mag diese kleinen Oszillationen zwischen Spaß und Ernst in Mutter muss weg, aber danach freue ich mich auch wieder auf Durchschnitt bis zum Äußersten.

Gibt es dabei eine Form der Selbstentblößung, die Sie nicht bieten würden, etwa eine Sexszene, die übers Anbahnen hinausgeht?

Nö. Schon gar nicht körperlich. Es gibt ja weit entblößendere Dinge, als sich auszuziehen.

Zum Beispiel?

Wenn ich mich verspiele. Wenn ich laute Töne anschlage, wo leise gebraucht werden. Das ist im Ernstfall viel nachteiliger für mich als Person, als halbnackt im Gegenlicht gefilmt zu werden. Vor solchen Fehlern werde ich vielleicht nie gefeit sein. Bitte schreiben Sie: „Pastewka weiß doch auch nichts!“

Interview: Jan Freitag
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