Schöne Moderatoren und fröhliche Downies

Werbung, RFT Color 20, FernseherRücksichtnahme

Die Woche, die war: 10.-16. Juni

Manchmal muss man nicht bloß über den eigenen Tellerrand blicken, um klarer (fern) zu sehen, sondern gleich über den ganzen Tisch, besser noch: das Esszimmer hinaus. Es ist Dienstag voriger Woche, 23 Uhr 11, als bei den drei öffentlich-rechtlichen Sendern des griechischen Rundfunks ERT die Lichter ausgehen und bei den 19 Radiokanälen der Ton. Mitten im Programm, nur Stunden nach der Ankündigung und 75 Jahren on air. Schlimm genug. Doch den 2700 Angestellten werden nicht nur die Jobs gekündigt, sondern zugleich das Internet in der Senderzentrale – als gehe es Regierungschef Samaras darum, neben 300 Millionen Euro Kosten auch noch die Würde der Staatsjournalisten einzusparen. Das Kalkül ist ein ordnungspolitisches, wie es deutsche Parteikonservative ebenfalls pflegen: Deren Ideologie propagiert zwar neben weitreichender polizeilicher, militärischer, juristischer Eingriffe in alle Lebensbereiche die flächendeckende Überwachung aller – aus Wirtschaft und Medien allerdings solle sich der Staat möglichst raushalten, was natürlich rein gar nichts mit den Interessen ökonomischer Verbündeter zu tun hat.

Im Falle Athens ist daran allerdings bemerkenswert, dass sich gegen die ERT-Schließung ein nationaler Proteststurm erhebt. Und das, obwohl deren Programme nicht annähernd die öffentlich-rechtliche (Rest-)Qualität in Deutschland erreichen und erwiesenermaßen verschwenderisch erstellt werden. Sicher, die Streiks und Demos haben auch mit oppositionellem Symbolismus zu tun, aber ebenso mit der Erkenntnis, staatliches Fernsehen erfülle nicht bloß einen Sendauftrag, sondern einen demokratischen. Allerdings keinen dezidiert patriotischen, was die ARD nicht davon abhält, seit Dienstag seine Doktrin von Heimatliebe durchs Nachmittagsprogramm zu blasen. Doch auch da macht das Publikum nicht mit und straft Lust auf Deutschland so konsequent mit Missachtung, dass schon wieder Schluss ist mit dem Friede-Freude-Eierkuchen-Nationalismus zu Kaffee und Kuchen.

Schluss ist ab 2014 übrigens ebenso mit der Mallorca-Version von Wetten, dass…?. Offiziell, weil das ZDF die Konkurrenz der Fußball-WM fürchtet, tatsächlich wohl eher, da es sich und Markus Lanz den erwartbaren Shitstorm vom Juni 2013 ersparen will. Aber es gab auch gute News für die geplagte Showmasterseele: einer Umfrage der kritischen Kulturzeitschrift Auf einen Blick zufolge ist Markus Lanz der schönste Moderator im deutschen Fernsehen. Vor seinen Nachfolgern in spe: Günther Jauch, Kai Pflaume, Jörg Pilawa, einem gewissen Gottschalk, ja selbst Florian Silbereisen. Nicht zur Wahl stand dagegen Rolf Kleine. Der ist indes weder Moderator noch im Fernsehen, sorgt aber künftig dafür, dass ein anderer genau da gut aussieht. Peer Steinbrück nämlich, der die langjährige Dreckschleuder des Drecksblatts Bild in sein Wahlkampfteam berief, jenen Parlamentskorrespondent also, der sich von Kurnaz (http://www.bildblog.de/2033/was-bild-nicht-am-fall-kurnaz-interessiert/) bis Griechen (http://www.bildblog.de/16969/haeme-kleine-wills-wissen/) darauf spezialisiert hat, Hetze in schlechten Journalismus zu verpacken und gleich zu Beginn seiner PR-Tätigkeit für den SPD-Kandidaten mit einem rassistischen Facebook-Eintrag gegen Philipp Rösler auffiel.

So wird das nix mit einem Biopic für den Exkanzler Steinbrück im Jahr 2046. Dafür kommt 2014 nach den abgedrehten für Kohl und Adenauer Peers Ziehvater zu Fernsehehren: Teamworx hat ein Filmporträt Helmut Schmidts angekündigt, was angesichts der gefallenen Emporkömmlinge von Guttenberg über Wulff bis Maizière und Hoeneß den Bedarf nach noch älteren Helden belegt.

Aussichtsplattform

Die Woche, die wird: 17.-23. Juni

Die neuen kennt schließlich keine Sau mehr, außer sie guckt tageweise Kommerz-TV. Oder kennt irgendwer die Teilnehmer der neuen Freitagsshow Die Pool Champions – Promis unter Wasser bei RTL? Sie heißen Melanie Müller, Konny Reimann, Lina van de Mars, Jan Kralitschka, Antonia aus Tirol, Caroline Noeding, Massimo Sinató, Magdalena Brzeska oder Thomas Drechsel, müssen – was sicher rein zufällig an das Turmspringen von Stefan Raab erinnert – irgendwelche tollen Sachen im Schwimmbecken machen, und wer lückenlos zuordnen kann, welcher dieser Berühmtheiten im Fernsehen auswandert, moderiert, tanzt, turnt, kandidiert, singt, seifenopert oder einfach nur scharf aussieht, kriegt eine Gastrolle in der geplanten freitagsmedien-Soap Gute Seife, schlechte Seife mit Christine Neubauer als intrigante Hornhautraspel und Kai Pflaume als sympathischer Duschvorhang.

Wenn er denn Zeit hat, der Kai. Nächste Woche nämlich muss die Kuppelmutter der Sat1-Nation ja erst mal in die Lachtherapie mit Trägern des Down Syndrom, denen die Mutation Trisomie 21 einst das Stigma „schwierig“ zur Bezeichnung „mongoloid“ verpasste, in Pflaumes Reportagereihe Zeig mir deine Welt ab Mittwoch aber immer gut drauf sind. Pflaumes Versuch, sechs etwas andere Menschen in ihrem recht gewöhnlichen Alltag zu zeigen, ist dabei zwar löblich. Aber zwei, drei Misstöne, ach was: ein einziger hätte der Informationspflicht bei allem Entertainment schon genüge getan. So bleibt das Format wie der dramaturgisch gleich gelagerte ARD-Film So wie du bist um einen verliebten Downie zuvor in seiner heiteren Horizontverengung doch belanglos.

Ganz im Gegensatz zur heutigen ARD-Verfilmung des Tellkamp-Bestsellers Der Turm, eine Wiederholung zwar vom Frühjahr, aber eine sehenswerte. Oder zum fraglos erhellenden und aller Säkularisierung zum Trotz noch immer nötigen Arte-Themenabend 100 Tage Papst tags drauf, was das ZDF am Donnerstag unter 100 Tage Franziskus zu später Stunde (23.15 Uhr) nachholt. Ganz im Gegensatz aber auch zur aberwitzigen Sitcom Wilfred, mit der Pro7 ab heute mal wieder zeigt, dass der Kaugummikanal zwar weniger ernstzunehmen ist als ein FDP-Spitzenkandidat an der Hotelbar, dafür aber ungleich lustiger. Denn die Geschichte um den depressiven Ryan (Elijah Wood), der sich nach versemmeltem Suizidversuch mit einem menschlichen Plüschhund rumplagt, den dummerweise nur er nicht als Tier erkennt, ist wirklich brüllend komische Fernsehunterhaltung. Was man von Schlag den Star (Matze Knop) am Samstag nun wirklich nicht sagen kann. Und ob das Promiduell danach besser wird, daruf könnte der Titel einen Hinweis geben: Clash! Boom! Bang! Schönen Dank, Privatfernsehen!

Ob der auch für Team Walraff: Reporter Undercover gebührt?. Zum Auftakt der Reportagereihe geht es heute (21.15 Uhr) ins Reich der Billiglöhne, und wer Walraff kennt, weiß: Das könnte sogar bei RTL was werden. Und wer den Tatort Konstanz kennt, weiß: Eva Matthes wird ihn auch Sonntag vermasseln. Umso wichtiger wird der TV-Tipp der Woche: Das Satireviertelstündchen Tagesschaum, mit – erstmals seit 15 Jahren Bildschirmabstinenz – Friedrich Küppersbusch, Montag, Dienstag, Donnerstag ab 23.15 Uhr im WDR und auf http://www.youtube.com/user/TagesSchaum auch online.

Advertisement


Leave a Reply

Fill in your details below or click an icon to log in:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.