Wotan Wilke Möhring: Prolls & Heimat

tatort2798_v-vierspaltigDabei sein ist nicht alles!

Mit viel Hingabe, großer Empathie und liebenswerter Bodenständigkeit hat sich Wotan Wilke Möhring zum absoluten Sympathieträger des deutschen Films gemausert, der brachiale Komödien mit „Männer“ im Titel ebenso hinreißend verkörpert wie bleischwere Sozialdramen. Kein Wunder, dass er auch als Tatort-Kommissar aktiv ist – der sich im neuen Fall nicht nur mit Islamisten auseinandersetzen muss, sondern nach dem Ausstieg von Petra Schmidt-Schaller auch mit neuer Partnerin (Foto: NDR). Ein Gespräch über knisternde Kolleginnen, leichte Stoffe und was er von seinen drei Kindern gelernt hat.

Interview: Jan Freitag

Herr Möhring, ist Ihnen Dirk Matthies ein Begriff?

Wotan Wilke Möhring: Nee, wer ist das?

Großstadtrevier?

Ah ja, dieser Polizist, genau. Ich brauche immer Bilder, um mich zu erinnern. Namen reichen da oft nicht. Was ist mit dem?

Der fährt seit fast 30 Jahren mit wechselnden Partnerinnen auf Streife, bei denen es oft knistert, aber nie so richtig funkt…

Also wenn Sie da auf Falke und Lorenz im „Tatort“ ansprechen – da hat das ja zum Schluss schon ein bisschen mehr als geknistert.

Wird sich das mit Franziska Weisz als Julia Grosz wiederholen und somit zum Running Gag des Hamburger Tatort?

Auszuschließen ist das nicht, weil so ein bisschen Knistern die Spannung erhöht, aber geplant ist da nix. Wir lassen uns da von der Entwicklung treiben.

Was wird die Neue denn an Ihrer Figur verändern?

Einiges. Schon weil er nicht mehr nur eigenen Geheimnissen nachspürt, sondern auch ihren. Warum macht diese hochqualifizierte Polizistin in so einen kleinen Flughafenjob? Das dürfte ihn auch als Typ verändern.

Welcher Typ im Sinne von Mann ist dieser Falke denn bislang?

Ein physischer, empathischer, loyaler seinen Freunden und Prinzipien gegenüber, darin ist er mir durchaus verwandt. Andererseits ist er ein ungebundener, vereinsamter Mann, mit einem eklatanten Missverhältnis von privater und beruflicher Erfüllung, voller Sehnsüchte, deren Wert verblasst, sobald sie sich erfüllen. Deshalb stürzt er sich aus seiner Unfähigkeit, Nähe zuzulassen, voll in die Arbeit. Darin ähneln wir uns nun überhaupt nicht; ein lonely wolf bin ich mit drei kleinen Kindern sicher nicht. Außerdem ist er kein Fußballfan und ich bin noch heiser von Dortmunds gestrigem Spiel gegen Tottenham.

Was ihn weniger zu jenem Typus liebenswerter Proll macht, den Sie sonst gerne spielen.

Und das, obwohl er aus einer echt harten Ecke in Hamburg-Billstedt kommt, in der drohender Tiefgang gern mit Gewalt, Lautstärke oder Humor überspielt wird, typisch männlich eben, wobei der Scherz bekanntlich das Loch ist, aus dem die Wahrheit pfeift. Solche Typen spiele ich in der Tat gern, zumal Prolls gern unterschätzt werden, und unterschätzte Rollen mag ich. Ich hab als Old Shatterhand zwar grad einen großen Helden in einer großen Geschichte abgedreht, bevorzuge aber einfache Charaktere einfacher Geschichten mit einfachem Kern: Liebe, Schmerz, Verzweiflung, das menschliche Wollen gegen das göttliche Sollen als Destillat unseres Lebens. Ich mag die Zerrissenheit im Einfachen lieber als verkopfte Erzählungen.

Ist das der Grund, warum Sie kaum Berührungsängste mit leichten Stoffen haben?

Das mag sein. So lange du deiner Figur mit dem nötigen Ernst begegnest, kannst du jede spielen. Deine Figur genießt grandiose Freiheiten, wenn sie doof oder klischeebehaftet gezeichnet ist.

Was so weit geht, dass viele Ihrer Filme schon im Titel „Mann“ und „männlich“ durch deklinieren, also humoristisch eher niedere Instinkte ansprechen.

Aber auch da haben meine Figuren alle Sehnsüchte, Ernsthaftigkeit, Tiefe, weshalb sie nicht dauernd oben ohne rumlaufen, sondern kommunizieren. Trotzdem kriege ich gerade mit dem Alter zunehmend Lust auf schwere, unmännliche Stoffe wie Der letzte schöne Tag, wo die Mutter meiner Kinder plötzlich stirbt.

Spielt man so etwas anders, wenn man selbst welche hat?

Absolut. Zumal ich keine Schauspielschule besucht habe und daher ohnehin intuitiver agiere. Filmemachen ist zwar keine Therapie, aber so, wie ich was von zuhause zum Drehen nehme, nehme ich auch was vom Drehen mit heim; das hilft mir sehr bei der Reflektion meines täglichen Handelns und lässt mich erkennen, wie wertvoll es ist, was man hat. Als ich kürzlich mal vier Wochen in Andalusien war, hab ich mich richtig gefreut, den deutschen Wald wiederzusehen.

Ist das bodenständig oder menschlich?

Beides, hat aber mit Heimatduselei wenig zu tun; ich liebe New York ja fast so wie den Pott, aber je mehr du um die Welt reist, desto schöner erscheint dein Zuhause, denn morgen kann schon alles vorbei sein. Um das zu erkennen, helfen reale Dramen wie „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ mehr als Komödien. Dennoch nehme ich von jedem Projekt etwas mit, und sei es die Erkenntnis, dass ich bestimmte Rollen besonders beherrsche. Für die wirst du ja ausgewählt, weil du bist wie du bist, und wenn du im Fußball als Verteidiger besser bist, kannst du es gern mal über die sechs in den Sturm rutschen; deine Position bleibt hinten. Dass muss man auch als Schauspieler akzeptieren und kann sich darüber freuen, für bestimmte Charaktere sofort auf dem Zettel zu sein.

Stört es dennoch, wegen der Oberfläche oder des guten Namens angefragt zu werden?

Nein. Stören tun mich schlechte Bücher. Nur dann sage ich ab.

Muss man sich leisten können…

Stimmt, aber Filmemachen ist ja anders als Olympia: Dabei sein ist nicht alles.

Und wenn Tarantino anruft oder eine Fernsehserie wie Homeland, deren fünfte Staffel voller deutscher Schauspieler ist?

Gut, das ist noch mal ne andere Nummer, aber selbst das würde ich nicht tun, nur um meine kleinen Eitelkeiten zu befriedigen. Die wollen zwar auch gefüttert werden, aber wenn ich wählen müsste zwischen Hollywood um Hollywoods willen und einem lang geplanten Urlaub mit meiner Familie, würde ich den jetzt nicht umstandslos absagen. Andererseits bietet internationales Kino Möglichkeiten, die man nicht ungenutzt lassen kann. Ich will meinen Horizont ja nicht verkleinern, sondern erweitern. Umso wichtiger ist es, zu wissen, wo man herkommt und wo man hinwill.

Und wo wollen Sie hin?

Das ist mit drei Kindern schwerer zu beschreiben denn je. Die Welt wird plötzlich so groß, es gibt so viel zu erleben und höchstens mal physisch ein „genug“. Wenn man alle drei Tage mit einem breiten Grinsen ins Bett geht, ist schon viel gewonnen.

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