Aiman Abdallah: Unterhaltungsernst & Galileo
Posted: July 14, 2016 Filed under: 3 mittwochsporträt Leave a comment
Mit Spaß lernt sich’s besser
Mit frischen Hipster-Reportern wie Thilo Mischke und schwiegermüttertauglichen wie Stefan Gödde wagt sich ProSieben gerade erstmals in die Problemzonen der Welt. Den Weg vom spaß- zum erkenntnisdurstigen Plastikkanal hat aber ein anderer bereitet: Aiman Abdallah (Foto@Pro7), dessen Dauerbrenner Galileo nun volljährig ist. Ein Gespräch über Verantwortung im Infotainment, Politik bei den Privaten und Abdallahs Migrationshintergrund.
Von Jan Freitag
freitagsmedien: Herr Abdallah, nach fast 4000 Sendungen plus Specials und Spin-Offs – gehen Galileo mit der Volljährigkeit irgendwann die Themen aus?
Aiman Abdallah: Dafür ist die Welt zu vielfältig und unsere Neugier zu groß, um alle Fragen je gestellt, geschweige denn beantwortet zu haben. Allerdings gehen wir ähnliche Fragestellungen im Laufe der Jahre immer wieder mit neuen Schwerpunkten und Techniken an.
Beschränkend könnte wirken, dass die Themen der Info- und Wissenschaftsformate von ProSieben besonders visuell sein müssen, also dramaturgisch gut aufzukochen?
Zu Beginn stand es tatsächlich im Vordergrund, was sich wie visualisieren lässt. Weil unsere Möglichkeiten da aber auch personell enorm gewachsen sind, gibt es kaum Themen, mit denen das nicht machbar ist. Aber es ist auf diesem Sendeplatz in der Tat wichtig, dass Information und Entertainment in einem guten Verhältnis stehen.
Und da gibt es keine Unwucht in Richtung Unterhaltung?
Es ist immer eine Gratwanderung, aber unterm Strich sollte Gleichgewicht herrschen – und der Erfolg zeigt, dass wir hier richtig liegen.
Auswahl und Aufbereitung vieler Themen erinnern an den Slogan eines Technikkaufhauses: Hauptsache ihr habt Spaß! Gibt es eine Schwelle der Verantwortung, die „Galileo“ mit seinen sorglosen Anleitungen zum Grillen, Rasen, Mann sein unterläuft?
Wir sind uns der Verantwortung sehr bewusst, recherchieren sauber, sorgen journalistisch für Mehrwert, also nicht nur Hauptsache Spaß. Aber ohne geht‘s um diese Urzeit eben auch nicht. Mit Spaß lernt sich‘s besser, sonst wird es schnell Schulunterricht. Mit Spaß kann man den Wissensdurst unser Zuschauer wecken; komplett stillen kann man ihn nicht.
Andererseits strahlt das Format eine Fortschrittsgläubigkeit aus, die angesichts von Umweltzerstörung und Ressourcenknappheit vielfach verstört.
Wir müssen und wollen am Puls der Zuschauer sein. Wenn es sie interessiert, wird ein Thema durchleuchtet; wir können ja nicht am Publikum vorbeisenden. Relevanz bedeutet für uns, nah an den Menschen, ihrem Leben, ihrem Alltag zu sein. Und dazu gehören natürlich auch Themen wie Umweltzerstörung bzw. Ressourcenknappheit – unter anderem während Green Seven 2016: Save the Water.
Politik scheint dennoch eine eher untergeordnete Rolle zu spielen oder?
Tagesaktuell nicht. Wir wollen schon erklären, wie TTIP oder Milchpreise zustande kommen. Und an einem Schwerpunkt zur Türkei oder der interaktiven Doku Du bist Kanzler kann man sehen, dass Politik für uns eine Rolle spielt.
Gilt das auch für politisch heikle Themen wie Flüchtlingskrise und Pegida?
Zu Beginn der Flüchtlingskrise hatten wir einen Reporter vor Ort, der die Wege der Flüchtlinge nachverfolgt hat. Und zur AfD haben wir das Parteiprogramm unter die Lupe genommen.
Zumal Alexander Gauland einen Deutschen mit ausländischen Wurzeln wie Sie nicht als Nachbar will.
(Lächelt süffisant) Wer einen Boateng nicht als Nachbar will, will auch keinen Abdallah, aber gottseidank denkt ein Großteil der Menschen da anders.
Spielt ihre Herkunft im Alltag nach so langer Zeit vor der Kamera noch eine Rolle?
Ich wünsche mir natürlich, dass sie keine spielt, und danach lebe ich auch. Schließlich sollte man Menschen nach ihrem Charakter und ihrer Persönlichkeit beurteilen, nicht nach Hautfarbe oder Religion.
Ist das Wunschdenken oder die Realität?
Es ist so real, dass ich manchmal überrascht bin, wenn mich jemand wie Sie jetzt auf meinen Migrationshintergrund anspricht. Das es in meinem Arbeitsumfeld und Freundeskreis keine Rolle spielt, ist jedenfalls kein Wunschdenken. Ich wünsche mir für noch viel mehr Menschen als mich, dass das auch in deren Alltag Realität wird.
Als Sie Ende der Neunziger Galileo moderiert haben, waren Moderatoren mit dem ominösen „Migrationshintergrund“ eine absolute Ausnahme. Wäre das auch bei einem anderen Sender als ProSieben gegangen?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Sender mich wegen des überzeugenden Castings, nicht meiner Biografie wegen genommen hat. Aber was Weltoffenheit und Toleranz betrifft, war ProSieben schon immer ein Vorreiter.
Andererseits wird ihm seit jeher ein gewisser Unernst vorgeworfen.
Wissen Sie, es gibt nichts Schöneres als die Begeisterungsfähigkeit der eigenen Kinder, dieses Funkeln in den Augen, auch bei Erwachsenen zu erzeugen. Wenn wir ein Stück dieser Sehnsucht nach Leichtigkeit stillen, sind wir einen großen Schritt weiter. Nennen Sie den Unernst doch einfach einen positiven Blick in die Welt.
Werfen Sie den als Zuschauer mit oder bevorzugen Sie privat Arte?
Ich sehe vieles überall, oft mit dem professionellen Auge. Und als Serienfan streame ich einiges im Netz, bin aber auch bei ProSieben sehr gut aufgehoben.
Wie lange werden Sie das denn als Moderator nach bald 20 Jahren noch sein?
Über „Galileo“ hinaus mache ich auch Formate wie Big Pictures am Samstagabend, das ist der Traum jedes Fernsehmoderators, die Königsdisziplin. Ich bin also sehr dankbar für all die Möglichkeiten, mich auszuprobieren. Da frage ich mich: „Wenn ich hier alles machen kann, was ich machen will, was soll ich dann woanders?“
Gab es je Anfragen von der Konkurrenz, womöglich gar der öffentlich-rechtlichen?
Das möchte ich nicht vertiefen, bin aber bei ProSieben in diesem Genre sehr glücklich. Als ich 1998 zum Sender kam, stand er für Serien und Blockbuster; ich durfte da ein völlig neues Gebiet aufbauen. Wenn Leute um die 30 auf mich zukommen und sagen, ich hätte sie ihr Leben lang begleitet, macht mich das unglaublich stolz.
Gab es in Ihrem Leben eine lineare Entwicklung hin zum Moderator von Wissensfernsehen auf ProSieben?
Ja, das hat aber nichts mit dem Chemie- oder Physikunterricht in der Schule zu tun, sondern mit einer gewissen Neugier, die auch alle anderen Mitarbeiter von Galileo haben müssen.
Wollten sie die mal mit einem Thema befriedigen, das vom Sender unerwünscht war?
Da fällt mir spontan nichts ein.