Florian David Fitz: Doctor’s Diary & Terror
Posted: October 13, 2016 | Author: Jan Freitag | Filed under: 4 donnerstagsgespräch |Leave a comment
Leicht ist doch nicht kacke!
Als schauspielerisch talentierter Frauentyp beschreitet Florian David Fitz er den Boulevard so selbstverständlich wie die Berliner Schule. Seit seiner Tourette-Komödie Vincent will Meer spielt er dabei nicht nur Hauptrollen, sondern setzt als Regisseur gern eigene Bücher um. Im ARD-Film Terror – Ihr Urteil (17. Oktober, 20.15 Uhr; Foto: Julia Terjung/Degeto) glänzt der 41-Jährige nun als Kampfpilot, der eine entführte Passagiermaschine vom Himmel schießt, um Schlimmeres zu verhindern. Das Besondere: übers Urteil des Gerichtsdramas entscheidet am Ende das Publikum. Ein Gespräch über Kontrollsucht und Kontrollverlust, leichte Kost und zu wenig Demut.
Von Jan Freitag
freitagsmedien: Florian David Fitz, sind Sie eigentlich ein Kontrollfreak?
Florian David Fitz: So als Beschreibung einer Persönlichkeitsstruktur? Finde ich den Begriff zu, zu…
Hart?
Zu sehr auf eine Eigenschaft zuspitzend und damit ziemlich langweilig. So gesehen bin ich natürlich keiner.
Halten Sie milder ausgedrückt, gern alle Fäden in der Hand?
Das zu glauben, halte ich für illusorisch. Aber soweit ich Einfluss aufs Schicksal habe, versuche ich ihn wahrzunehmen, aber genauso, eine gewisse Eleganz darin zu entwickeln, zu scheitern und die Dinge zu nehmen, wie sie kommen. Warum fragen Sie?
Weil Sie in Ihrem Beruf als Schauspieler begonnen, dann Regie und Drehbuch geschrieben und später sogar selbst produziert haben.
(Lacht laut) Ich kann’s halt am Besten… Nein, nein – ich bin nicht zur Regie gekommen, weil ich es unbedingt wollte, sondern weil sie mir angetragen wurde. Anderseits wusste ich schon vorher, dass es mich interessiert und irgendwann auf dem Plan steht. Alle Fäden in der Hand zu halten, erspart einem da manch kreativen Disput mit anderen. Aber ich kann auch sehr gut unter der Führung anderer arbeiten.
Wie in Terror.
Absolut. Zumal das Drehbuch fast wortgenau der Theaterstück-Vorlage Ferdinand von Schirachs folgt. Dennoch hatte ich auch hier als Schauspieler ständig Fragen und die auch geäußert. Aber der Text mit dieser brisanten Thematik zieht einen so in den Bann, dass sie in den Hintergrund gerückt sind.
Kann man sich als Darsteller angesichts der ethischen Zwickmühle, ein vollbesetztes Passagierflugzeug abzuschießen oder in ein ebenfalls vollbesetztes Stadion fliegen zu lassen, beim Spielen überhaupt freimachen von jeder eigenen Bewertung?
Nein. Meine Aufgabe dient zunächst zwar einzig und allein der Figur und ihrer Geschichte. Aber ich hatte hier ja eine sehr klare Position, die ich auch nachvollzogen habe.
Hat sich das Militärische Ihrer Rolle, der durchgedrückte Rücken, die zackige Sprache, das Verbindliche in jeder Geste dabei quasi von allein ergeben?
Seltsamerweise ja.
Ham’se etwa jedient?
Nee, ich bin mangelhaftes Material, ich wurde ausgemustert. Aber es ist wirklich eigenartig, was eine Uniform macht, welchen Einfluss sie nimmt. Man sagt ja: Kleider machen Leute. Hinzu kommt dieser Gerichtssaal, den sie detailgetreu nachgebaut haben. Und die Anklage, die gegen einen ins Feld geführt wird. Da legt man sich nicht mal eben entspannt in den Sessel. Da nimmt man automatisch Haltung an.
Um die Rückgewinnung der Kontrolle in einer Situation größtmöglichen Kontrollverlusts zu verteidigen.
Ganz genau. Das Verfassungsgericht hat ja zum vorliegenden Fall eines präventiven Angriffs auf ein ziviles Flugzeug, das als terroristische Waffe benutzt wird, klar geurteilt, nicht alles kontrollieren zu dürfen. Diese Ungerechtigkeit, zur Rettung Tausender von Menschen nicht handeln zu dürfen, müssen wir laut Verfassung aushalten.
Neigen Sie in Konfliktsituationen da eher zur Neutralität oder zur Selbstermächtigung?
Da muss ich jetzt gehörig aufpassen. Ich versuche stets, handlungsfähig zu bleiben, obwohl diese Fähigkeit in der Komplexität des täglichen Lebens sehr limitiert ist. Zugleich aber, versuche ich, mich in dem zu üben, wofür es früher dieses schöne Wort Demut gab: Dinge zu nehmen, wie sie sind, die eigene Moral nicht ständig zur Grundlage allgemeiner Handlungen zu machen. Dieses uramerikanische you-can-be-whatever-you-want führt doch letztlich zum kollektiven Burnout. Ständig das Beste zu wollen, laugt unglaublich aus. Mein Streben ist es da, zwischen dem Besten und dem Möglichen eine elegante Balance zu finden.
Haben Sie aus moralischer Überzeugung heraus nach Abwägung aller Fürs und Widers schon mal richtig großen Bockmist verzapft?
Gut gemeint als Gegenteil von gut gemacht? Klar! Wann genau, müsste ich jetzt länger überlegen, aber ich erinnere mich an eine Schulaufgabe, als es darum ging, dass frisch geschlüpfte Schildkröten von Möwen gefressen werden, wie es die Natur schon seit jeher macht, weshalb sich zunächst immer ein paar dieser Babys opfern, damit die danach sicher ins Wasser kommen. Der Mensch aber leidet mit den Tierchen und rettet die Vorhut, weshalb alle anderen loslaufen und gefressen werden. Ich wär glaube ich einer, der das auch macht. Moralisch, aber falsch. Und genau darum geht es Ferdinand von Schirach in seinem Stück – den kurzen Horizont der Moral. Damit ringe ich ständig.
Was macht dieses sperrige Thema unterhaltsam genug für die Primetime?
Wenn man Unterhaltsamkeit darüber definiert, wie die Menschen ins Gespräch, sogar offenen Streit geraten, muss „Terror– Ihr Urteil“ äußerst unterhaltsam sein. Egal, wem ich von dem Thema erzähle – jeder hat sofort eine Meinung, eine Position, wird beim Film aber die Erfahrung machen, dass sie immer wieder kippt. Wenn das kein Entertainment ist…
Als jemand, der ständig zwischen Berliner Schule und kommerzieller Komödie pendelt – welche Stellung nimmt dieser Film dann in ihrem wachsenden Repertoire ein?
Ich will doch als Schauspieler und Mensch lebendig bleiben, also alle Seiten des Daseins verkörpern. Da hab ich die Erfahrung gemacht, dass man Zuschauer mit Sachen, die eher heiter erzählt sind, besser erreicht. So gesehen bin ich froh über meine Bandbreite.
Wiegt ein Film mit realpolitischer Relevanz wie dieser dann schwerer als leichte Kost wie, sagen wir: Doctor’s Diary?
Leichte Kost? Leicht ist doch nicht gleich kacke, leicht ist immer schwer! Doctor’s Diary hat immerhin den Grimme Preis gewonnen! Ich versteh schon die Frage, versuche aber vor allem mit den eigenen Sachen ernste Dinge humorvoll zu vermitteln. Ob Tourette oder das Sterben – gute Komödien kommen nie ohne Tragödie aus. Ich juble den Leuten gern Trojanische Pferde unter, damit sie bei allem Spaß reicher rausgehen als sie reingegangen sind. Deshalb bedeutet mir Terror – Ihr Urteil auch nicht mehr, nur weil es sachlicher ist. Aber wenn beides zusammenkommt, na klar, dann freue ich mich. Kann es besser sein?
Beim nächsten Mal wieder als Autor, Regisseur, Schauspieler und Produzent in einem?
Weil mein nächstes Drehbuch noch knapp vor Seite 1 ist, sprechen wir uns da in zwei Jahren. Bis dahin hoffe ich aber schwer, auch unter anderen spielen zu können.