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Sorority Noise

Moderne? Post-Moderne? Post-Post-Moderne? Post-Post-Post-Gegenwart? Wer sich die Welt soziokultureller Begrifflichkeiten ansieht, muss sie als einzigen Post-Versand empfinden. Sobald irgendetwas einst Bedeutsames darin überholt ist, aber noch nicht gänzlich nutzlos, wird gerade in der Musik gern ein “Post” voran gestellt, um sich im revolutionären Bilderstum nicht ganz vom nostalgischen Individualbezug lösen zu müssen. Post-Rock, Post-Punk, Post-Core, Post-Pop – nichts, was sich nicht anbiedernd distanzieren würde von etwas, das man irgendwie noch immer macht, aber partout nicht mehr machen will. Auch Sorority Noise könnte man in diesem Duktus ein gutes Dutzend Posts verpassen. Könnte.

Sollte man aber nicht.  Denn so sehr die amerikanische Gitarren-Band von der Ostküste auch alles, was im Rock-Genre vor ihr war, zitatfreudig hinter sich zu lassen scheint: Das Quartett aus Connecticut versucht sich dabei weder vom schrägen Noise noch der schrägen Countryhaftigkeit, geschweige denn Punk, Emo, Hardcore, Pop zu lösen, sondern macht daraus ein überaus angenehmes Potpourri von allem, was den Rock naturgemäß kennzeichnet: Ein trotzig gefühlvoller Widerstand gegen den jeweils aktuellen Mainstream. Cameron Boucher, Adam Ackerman, Ryan McKenna und Charlie Singer liefern ihn auch auf ihrem dritten Album sehr überzeugend, energisch und schwungvoll. Nicht Post, nicht Prä – mittendrin.

Sorority Noise – You’re Not As _ As You Think (Big Scary Monsters)

The Jesus and Mary Chain

Und ein bisschen klingt Sorority Noise dabei manchmal wie eine Band aus Zeiten, da das Wort Post noch ausschließlich für den Briefversand Verwendung fand: The Jesus and Mary Chain. Vor mehr als drei Jahrzehnten bereits machte das Quartett aus Schottland eine Art Rock, dem damals etwas noch sehr Neues voran gestellt wurde: Alternative, Indie – damals Quintessenzen des Versuchs, Kommerz und Nische, Mainstream und Kellerclub mit scheppernden Gitarren in Einklang zu bringen. Auf den ersten fünf Alben bis 1994 ist das bestens gelungen, dann kam ein Break, später der Split, 2007 die Reunion und jetzt, zehn Jahre später ein neues Studioalbum.

Es klingt, nun ja, nicht unbedingt nach der Neuerfindung des Alternativeindierockrades. Aber Jim und William Reid schaffen es mit neuer Begleitung fast ein bisschen wie auf dem legendären Debüt Psychocandy, gut gelaunt, aber nie seicht zu klingen. Fröhlich peitscht die Orgel über locker verzerrte Fuzz-Riffs hinweg, während der Doppelgesang darunter durchhallt wie vom Sofa gesungen. Das ist 14 Songs lang von so geschmeidiger Lässigkeit, als wären die beiden Brüder nie weg gewesen, waren sie ja auch nicht. Sie haben sich abgesehen von ein paar Live-Auftritten und -Platten nur das Studio nicht mehr zugetraut. Gut, dass sie es gewagt haben. Super Gruppe, super Spaß.

The Jesus and Mary Chain – Damage And Joy (Artificial Plastic Records)

Crystal Fairy

Wobei – Supergroup ist ja auch schon wieder so ein männlich konnotierter Begriff des männerdominierten Rock-Biz, in dem Größe für viele der einzelnen Teile eben doch von Belang ist. Gut, dass bei dieser Supergroup hier eine Frau die Hosen anhat: Teri Gender Bender, Kopf und Stimme der radikalfeministischen Garagenpunkband Le Butcherettes. Zwischen Buzz Osborne und Dale Crover von den Melvins, Omar Rodriguez-Lopez (At The Drive-In) und einer Reihe Kollegen anderer Zusammenhänge bildet die klassenbewusste Mexikanerin das Herz ihres wunderbaren Side-Projektes Crystal Fairy.

Ganz im Stile der Mitglieder ist deren gleichnamiges Debütalbum ein elfteiliges Stück Metalpunkpop, das angeblich an einem Tag eingespielt und entsprechend roh zu genießen ist. Trotz Gender Benders operettenhaft psychedelischer Stimme, braucht das Album allerdings ein paar Tracks, bis es aus dem Duktus aufgehäufter Individualkompetenz kollektive Eigenart entwickelt. Ist es bis dahin solide brachial, befeuern vor allem Crovers entfesselte Drums das Ganze ab der Hälfte dann zu mehr Besonderheit im Hochtempo-Allerlei. So gesehen: feines Doom-Sludge-Gedresche für Fans von allem mit „Super“ davor.

Crystal Fairy – Crystal Fairy (Ipecac Recordings)

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